Enttäuschte Kritiker

Heimatbesuch: Papst schwieg zu heiklen Themen

Ausland
22.09.2011 21:05
Obwohl der Vatikan in den vergangenen Wochen immer wieder betont hatte, dass von der Reise des Papstes in seine deutsche Heimat keine Wunder zu erwarten seien, waren die Erwartungen an Benedikt XVI. vor seiner Ankunft groß gewesen. Zum Missbrauchsskandal, zur Ökumene und zum Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion - in vielen Bereichen wünschten sich Freunde und Kritiker des Oberhaupts der katholischen Kirche klärende Worte. Dieser Wunsch wurde aber - zumindest am ersten Tag der Visite - enttäuscht.

Bereits am Donnerstagmorgen hatte sich Bundespräsident Christian Wulff beim Empfang des Papstes im Schloss Bellevue deutlich kritischer geäußert als erwartet, indem er heikle Fragen an die katholische Kirche formulierte: "Wie barmherzig geht sie mit Brüchen in den Lebensgeschichten von Menschen um?", wollte der in zweiter Ehe lebende Wulff zum Beispiel von Benedikt XVI. wissen - gemeint war der Ausschluss von nach einer Scheidung wiederverheirateter Katholiken von der Kommunion. Als Reaktion darauf wich der Papst zwar von seinem Redemanuskript ab und dankte Wulff für seine "in die Tiefe gehenden Begrüßungsworte". Dabei blieb es jedoch.

"Wissenschaftliche Vorlesung" im Bundestag
Auch aus den folgenden Treffen mit Wulff und CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel drang nichts Überraschendes an die Öffentlichkeit. Die Rede im Bundestag über das Verhältnis von Glauben und Vernunft schließlich glich eher einer wissenschaftlichen Vorlesung als einer Botschaft an die breite Bevölkerung. Der Papst nahm Politik und Wissenschaft in Pflicht und forderte dazu auf, mehr moralische Verantwortung zu übernehmen.

Auf drängende Fragen kritischer Zeitgenossen und verunsicherter Gläubiger ging Benedikt XVI. aber nicht ein. Der katholische FDP-Abgeordnete Hans-Michael Goldmann gab nach der Rede zu, diese sei "nicht einfach" gewesen. Erfreulicherweise hätten aber selbst kritisch eingestellte Abgeordnete "in beeindruckender Weise" zugehört.

"Total menschliches" Hoppala
Das Plenum hatte sich schon früh zu füllen begonnen. Als Benedikt XVI. in Begleitung Wulffs unter Applaus den Saal betrat, waren bei Grünen und SPD fast alle Plätze besetzt. Bei der Linksfraktion, wo viele Abgeordnete rote Aidsschleifen trugen, war aus Protest nicht einmal die Hälfte der 76 Parlamentarier anwesend. Zu einer Panne kam es, als der Papst nach der Begrüßung durch CDU-Bundestagspräsident Norbert Lammert zum Präsidiumsbereich statt zum Rednerpult gehen wollte. Die protestantische CSU-Abgeordnete Marlene Mortler fand aber gerade dies "total menschlich".

Papst: "Gut und Böse unterscheiden"
Zum Ende seiner Ansprache wünschte Benedikt XVI. den Parlamentariern ein "hörendes Herz" und "die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen". Die protestantische SPD-Abgeordnete Kerstin Griese sagte hinterher, sie hätte sich vom Papst im Gegenzug gewünscht, "dass er ein hörendes Herz gegenüber Missbrauchsopfern zeigt".

Verhaltenes Verständnis für Austritte
Die Frage bleibt, ob Benedikt in den nächsten drei Tagen seines Deutschlandbesuchs den Missbrauchsskandal doch noch ansprechen wird. Im Flugzeug auf dem Weg nach Berlin hatte er vor Journalisten gesagt, er könne Menschen verstehen, die wegen des Skandals aus der Kirche austreten.

61.000 Gläubige und gesegnete Babys
Während Tausende Menschen in der Berliner Innenstadt gegen den Papst demonstrierten, war am Abend bei seinem Einzug ins Olympiastadion nichts von einer negativen Stimmung gegen das Kirchenoberhaupt zu spüren. Vor seinem Großgottesdienst der Superlative mit rund 61.000 Menschen - bei dem er die Gemeinde aufforderte, die Kirche nicht zu verlassen, sondern sich gegenseitig zu bestärken - reichten Gläubige ihm Babys zum Segnen in sein Papamobil. Ganz so, wie es auch schon bei den ersten beiden Deutschlandreisen des Papstes 2005 und 2006 gewesen war.

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