Umut Kara

„Man muss einfach auf die Leute zugehen“

Vorarlberg
19.02.2023 08:55

Umut Kara liebt die Berge und dass er in Vorarlberg so akzeptiert wurde, wie er ist. Leben möchte er deshalb nur hier im Ländle.

Ein kleines Dorf, in dem nur noch zwei Familien leben. Es liegt in einer weiten Ebene auf dem Hochland Ostanatoliens. Im Norden wie im Süden wird es von steilen Gebirgszügen flankiert. Von dort kamen sie in den späten Siebzigern hier her, als Gastarbeiter - die Eltern des Umut Kara.

Der junge, schmächtige Mann ist 31 Jahre alt, in Vorarlberg geboren und steht jeden Tag in „Bedo’s Kebaphaus“ an der vielbefahrenen Bundesstraße in Götzis. Steht sommers wie winters vor dem glühenden Pizzaofen, den sich drehenden Dönerspießen, kauft vormittags ein und macht, wenn Not am Mann ist, persönlich den Lieferservice. Er ist immer überall, schaut auf den Laden, den er und sein Schwager erst kürzlich vom Vater übernommen haben. Das ganze, baufällige Haus haben sie gekauft, denn Umut hat große Pläne. Er will modernisieren, eine Art Döner-Restaurant daraus machen. „Eigentlich wollten wir alles abreißen und neu bauen, aber damit kommen wir wegen der Bauabstandsnachsicht nicht durch“, sagt er, als er mir die Tür aufsperrt. Es ist Mittagspause. Ein schneller Blick über Tische und Stühle.

Der 31-jährige Umut Kara hat mit seinem Döner-Laden noch große Pläne. (Bild: Mathis Fotografie)
Der 31-jährige Umut Kara hat mit seinem Döner-Laden noch große Pläne.

Umut entschuldigt sich, dass die Putzfrau noch nicht da war. Wie er überhaupt ein sehr höflicher, ja herzlicher Mensch ist, dem besonders dann ein Lächeln im Gesicht steht, wenn Kinder den Laden betreten. Dann ist er sofort mit einem High-Five zur Stelle. Die Speisekarte kann er vorwärts und rückwärts aufsagen, samt Preisen. Umut ist allseits geschätzt. In Götzis kennt ihn jeder. Schon sein Vater war legendär. Vermutlich war er der Einzige im Dorf, der die Kundschaft mit „Hallobitteschon!“ anschreien durfte.

Robert Schneider: Wie bekommt man in einem gottverlassenen anatolischen Dorf Wind davon, dass es ein Land mit dem Namen Vorarlberg gibt?
Umut Kara: Gar nicht. Mein Vater arbeitete zuerst in Istanbul auf dem Bau und pendelte hin und her. Dort hörte er, dass Europa gut ist, besonders Deutschland. Also machte er sich auf den Weg. Ein Kontakt ergab den anderen, und er landete dann hier auf dem Bau. Anfänglich. Später leitete er die ÖMV-Tankstelle in Altenstadt und eröffnete eine der ersten Döner-Buden im Land.

Schneider: Und die Mutter?
Kara: Die stammt aus demselben Dorf. Geheiratet haben die beiden aber im Festspielhaus in Bregenz. Türkische Hochzeit. Mit allem drum und dran.

Schneider: Du bist hier geboren und aufgewachsen. Wurde bei Euch daheim nur Türkisch gesprochen?
Kara: Die Mamma versteht Deutsch perfekt, aber sie schämt sich, Deutsch zu sprechen. Sie ist ein Engel von einem Menschen, aber sehr unsicher. Mein Glück war, dass meine neun Jahre ältere Schwester ausschließlich Deutsch mit mir redete. Also hatte ich einen guten Start ins Leben.

Schneider: Hast Du als Kind Ausländerfeindlichkeit erlebt?
Kara: Überhaupt nicht. Weil ich ja im Dialekt redete, war ich wie die anderen Kinder. Meine Familie ist oft umgezogen. Zuerst ging ich in Frastanz in die Volksschule, dann in Lustenau. Schließlich in Götzis. Den Kulturschock meines Lebens bekam ich aber in Lustenau.

Schneider: Wie das?
Kara: Das muss ich erklären. Meine Eltern sind religiös, aber keine Sunniten. Deswegen gehen wir nicht in die Moschee und fasten auch nicht im Ramadan-Monat. An einem Montag saßen wir in der Volksschule im Kreis, und die Lehrerin fragte, was wir am Wochenende so gemacht hätten. Da erzählten andere türkische Kinder, dass sie in der Moschee gewesen seien. Ich fragte, was eine Moschee ist. Sofort ging es los, und zwar unter den türkischen Kids: Was bist du? Bist du Türke? Bist du Kurde? Sunnit? Schiit?

Schneider: Die Anfeindungen kamen also aus der türkischen Gemeinschaft?
Kara: Richtig. Die Kinder erzählten das ihren Eltern, und so weiter. Aber ist das nicht in jeder Religion so?

Schneider: Haben die Ressentiments gegenüber Ausländern in den letzten Jahren nicht zugenommen? Wie erlebst Du das?
Kara: Ja, durch die Flüchtlingsbewegung. Die Leute differenzieren ja nicht. Es gibt überall schwarze Schafe, auch in Vorarlberg. Ich selber spüre das am eigenen Leib nicht. Ich spreche die Sprache, gehe auf die Menschen zu. Dann fallen sofort die Barrieren.

Schneider: Vorarlberg ist Dein Zuhause. Möchtest Du irgendwo anders leben?
Kara: Nein, weil ich die Berge so liebe. Außerdem, und das vergisst man so schnell: Hier muss niemand hungern. Hier fällt man nicht ins Bodenlose, wenn man seine Arbeit verliert.

Die Familie des Götzners kam aus Ostanatolien nach Österreich. Ein Haus gibt es dort noch, Umut Kara zieht Götzis aber vor. (Bild: Mathis Fotografie)
Die Familie des Götzners kam aus Ostanatolien nach Österreich. Ein Haus gibt es dort noch, Umut Kara zieht Götzis aber vor.

Schneider: Aber Dein Vater hat in seinem anatolischen Heimatdorf ein Haus gebaut. Wird er zurückkehren?
Kara: Er ist manchmal dort. Ja. Und baut wieder um. Aber er war einfach zu lange weg von Zuhause. Am liebsten würde er mit einem Caravan durch die Gegend tingeln. Von A nach B.

Schneider: Du bist noch Single. Steht eine große, türkische Hochzeit im Festspielhaus an?
Kara: Noch nicht. Aber ich wünsche mir sehr eine Familie mit Kindern.

Schneider: Ich frage Dich jetzt als Türke. Was magst Du an diesem Land?
Kara: Dass ich akzeptiert wurde, wie ich bin.

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