Nach Teilmobilmachung

Massenflucht? Run auf One-Way-Tickets aus Russland

Ausland
21.09.2022 15:44

Steht eine russische Massenflucht bevor? Die von Kremlchef Wladimir Putin verkündete Teilmobilmachung russischer Reservisten hat in Russland jedenfalls zu einem Ansturm auf Flugtickets für Auslandsflüge geführt. Laut der in Russland beliebten Buchungsseite Aviasales waren alle Direktflüge in die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Georgien, Aserbaidschan und Kasachstan ausgebucht. Zudem mehren sich Berichte, wonach immer mehr Personen versuchen, Russland über die finnische Grenze zu verlassen.

Turkish Airlines teilte mit, dass es erst am Samstag wieder Plätze für Istanbul gebe, eines der wichtigsten Drehkreuze für Flüge aus und nach Russland. Der nächste AirSerbia-Flug nach Belgrad war nach Angaben der serbischen Fluglinie erst wieder am Montag verfügbar.

Statistiken von Google Trends zeigen einen sprunghaften Anstieg der Suchanfragen nach Aviasales, der beliebtesten russischen Website für den Kauf von Flügen.

Horrende Preise für Flüge
Einige Strecken mit Zwischenstopps, darunter die von Moskau nach Tiflis, waren ebenfalls nicht verfügbar. Die billigsten Flüge von der Hauptstadt nach Dubai kosteten mehr als 300.000 Rubel (umgerechnet knapp 5000 Euro) - etwa das Fünffache des durchschnittlichen russischen Monatslohns.

Selbst Inlandsflüge in Grenzstädte waren äußerst begehrt: Flugtickets von Moskau in die Stadt Wladikawkas an der Grenze zu Georgien etwa kosteten am Mittwoch über 750 Dollar - mehr als das Zehnfache des üblichen Preises.

„Russland verlassen“
Laut dem Online-Dienst Google Trends wurden die Suchbegriffe „Tickets“ und „Flugzeug“ seit dem frühen Morgen in Russland doppelt so häufig im Internet eingegeben wie sonst üblich. Die Suchanfrage „Russland verlassen“ war hundert Mal häufiger als an normalen Tagen. Spitzenreiter bei den Standorten der Suchen war demnach die Grenzstadt Belgorod und ihre Umgebung, die immer wieder vom Nordosten der Ukraine aus beschossen wird.

Russische Flüge in die EU nicht möglich
Befürchtungen, Russland könnte das Kriegsrecht verhängen, hatten bereits zu Beginn des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine zu einem Exodus von zehntausenden Russen in die Nachbarländer geführt. Flüge in die Europäische Union sind seitdem nicht mehr möglich.

Mobilmachung schränkt Reisefreiheit der Russen ein
Fakt ist: Nach dem Befehl zur Teilmobilmachung müssen sich Russen im wehrpflichtigen Alter laut Gesetz an ihrem Wohnort aufhalten. „Bürgern, die (als Reservisten) im Militärregister erfasst sind, ist ab dem Moment der Mobilisierung das Verlassen des Wohnorts ohne Genehmigung der Militärkommissariate und der für Reserven zuständigen Exekutivorgane verboten“, heißt es in dem seit Mittwoch wieder aktuellen Gesetz „Über die Mobilmachung in Russland“.

Laut dem Leiter des Verteidigungsausschusses in der Duma, Andrej Kartapolow, betrifft die Einschränkung der Reisefreiheit vor allem Auslandsurlaube. „Sie können weiter ruhig auf Dienstreise nach Krasnodar oder Omsk fahren, aber ich würde Ihnen nicht raten, in türkische Kurorte zu fahren - erholen Sie sich lieber in den Badeorten der Krim und des Gebiets Krasnodar“, sagte der Abgeordnete am Mittwoch. 

300.000 Reservisten werden teilmobilisiert
Knapp sieben Monate nach Beginn des Ukraine-Krieges ordnete Russland am Mittwoch eine Teilmobilmachung der eigenen Streitkräfte an. Er habe diese Entscheidung nach einem Vorschlag des Verteidigungsministeriums getroffen und das Dekret unterschrieben, sagte Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehansprache. Die Teilmobilisierung beginne noch am Mittwoch. Laut Verteidigungsminister Sergej Schoigu werden 300.000 Menschen für das Militär teilmobilisiert.

Personalprobleme an der Front
Die Teilmobilmachung bedeutet nach Putins Worten, dass Reservisten im Alter zwischen 27 und 60 Jahren eingezogen werden. Sie würden den gleichen Status und die gleiche Bezahlung bekommen wie die jetzigen Vertragssoldaten und auch vor dem Fronteinsatz noch einmal militärisch geschult, versicherte er. Eingesetzt werden sollen Reservisten mit Kampferfahrung, sagte Schoigu. Insgesamt gebe es 25 Millionen Reservisten in Russland. Mit der Teilmobilmachung sollen vor allem die Personalprobleme an der Front gelöst werden.

Kiew reagiert mit Spott auf Russlands Teilmobilmachung
Mit Spott regierte Kiew auf die angeordnete Teilmobilmachung. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak fragte auf Twitter: „Läuft immer noch alles nach Plan oder doch nicht?“

Der für „drei Tage“ geplante Krieg dauere bereits 210 Tage. Die Russen, die eine Vernichtung der Ukraine forderten, hätten nun unter anderem die Mobilmachung, geschlossene Grenzen, blockierte Konten und Gefängnisstrafen für Deserteure erhalten. „Das Leben hat einen wunderbaren Sinn für Humor“, schloss Podoljak. Der Schritt sei jedenfalls zu erwarten gewesen.

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