Zu wenig Atomstrom:
Frankreich fährt Kohlekraftwerk wieder hoch
Eigentlich sollten Kohlekraftwerke in Frankreich längst der Vergangenheit angehören, schließlich setzt das Land seit Langem voll auf die Kernkraft. Doch weil derzeit 32 der 56 Reaktoren wegen Sicherheitsüberprüfungen abgeschaltet sind und Frankreich deshalb Strom importieren muss, fährt man ein erst im März abgeschaltetes Kohlekraftwerk in Saint-Avold wieder hoch …
In dem Kraftwerk im Departement Moselle an der Grenze zu Deutschland, das eigentlich vor einem halben Jahr stillgelegt wurde, herrscht jetzt wieder überraschende Betriebsamkeit. Das Kraftwerk soll wieder ans Netz und aus dem Klima-Killer Kohle Strom erzeugen, obwohl an dem Standort eigentlich ein Biomasse-Kraftwerk errichtet werden sollte.
„Das ist irgendwie ein Misserfolg“
Fast alle im März in den Ruhestand entlassenen Angestellten sind wieder da und mit den Vorbereitungen beschäftigt. Doch richtig froh ist auch der Standort-Leiter, Sylvain Krebs, darüber nicht: „Wir kehren zur Kohle zurück, aber wir wissen, dass das nicht gut ist, dass wir die Umwelt verschmutzen. Das ist irgendwie ein Misserfolg, dass das Kraftwerk wieder hochfährt, der Staat kann offenbar nicht anders. Ökologisch, für unseren Planeten, für unsere Kinder, bedeutet das ein Scheitern.“
„Die Arbeiten sind ziemlich anspruchsvoll, in normalen Zeiten hätten wir 18 Monate für die Vorbereitung und mehrere Monate für die Arbeiten selbst gebraucht. Jetzt hatten wir zwei Monate Vorbereitungszeit und haben zwei Monate sehr, sehr intensive Arbeit am Standort.“, sagt Camille Jaffelo, die Sprecherin des Kraftwerk-Betreibers GazelEnergie.
Strom zu zwei Drittel aus Atomkraft gewonnen
Bislang hat Frankreich rund zwei Drittel seiner Elektrizität aus Atomkraft gewonnen, Kohle steuerte nur 0,3 Prozent des Bedarfs bei. Bei Volllast kann das Kraftwerk von Saint-Avold ein Drittel aller Haushalte in der Region Grand Est mit ihren fünfeinhalb Millionen Einwohnern mit Strom versorgen. Mehr als eine halbe Million Tonnen Kohle würden dafür allein von Oktober bis März verbrannt werden, heißt es.
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Frankreich bereitet sich auf den Winter vor
Indes bereitet sich Frankreich auf eine knappe Stromversorgung im kommenden Winter vor. „Das Risiko von Stromausfällen kann nicht ganz ausgeschlossen werden“, teilte am Mittwoch der Netzbetreiber RTE mit. Das könnte aber in den meisten Fällen mit einer Stromersparnis von ein bis fünf Prozent vermieden werden. In einem sehr kalten Winter müssten unter Umständen bis zu 15 Prozent eingespart werden, hieß es.
Wegen Dürre weniger Strom aus Wasserkraft
„Es ist eine außergewöhnliche Situation für Frankreich und ganz Europa“, sagte RTE-Chef Xavier Piechaczyk. Frankreich sei zwar weniger abhängig vom russischen Gas als andere europäische Länder. Dafür sei aber die Produktion der AKWs im Sommer um rund 15 Gigawatt zurückgegangen. Die Trockenheit habe zudem dazu geführt, dass die Talsperren weniger gefüllt waren und weniger Strom durch Wasserkraft produziert wurde.
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