NÖ-Chefin im Interview

Mikl-Leitner: „Hilfspakete kommen zu langsam an“

Niederösterreich
23.07.2022 06:00

Vor zwei Wochen setzte Johanna Mikl-Leitner einen Schritt, der Kanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) gar nicht ins Konzept passte. Sie forderte den Strompreisdeckel. Zwei Wochen später hat die ÖVP in Niederösterreich einen Strompreisrabatt erreicht und setzt die Regierung weiter unter Druck. Im „Krone“-Interview erklärt die NÖ-Landeschefin nun, warum man notfalls Schulden aufnehmen sollte, um die Hilfspakete zu finanzieren, und fordert die Verschiebung der C02-Bepreisung. 

„Krone“: Ihrem Vorgänger Erwin Pröll wurde gerne der Satz in den Mund gelegt: „Es ist egal, wer unter mir Bundeskanzler ist.“ Jetzt haben Sie dem Bundeskanzler zweimal Kritik ausgerichtet - erleben wir ein Revival dieser Zeit?
Johanna Mikl-Leitner: Mir geht es nicht darum, jemand etwas auszurichten oder gegen jemanden zu sein, sondern für etwas zu sein. Meine Botschaft war an die gesamte Regierung, aber auch an das ganze Parlament – inklusive Oppositionsparteien! – gerichtet, an einem Strang zu ziehen.

Ihre Botschaft war: Es braucht eine klare Führung. Wurde das Problem bagatellisiert oder wurde einfach nur schlecht kommuniziert?
Es wurden schon große Pakete geschnürt. Nur sie kommen beim Bürger zu wenig rasch an. Das ist das Thema. Die Menschen spüren das zu wenig. Dabei ist die Kommunikation natürlich der wesentliche Schlüssel. Die Information – das ist sicher etwas, dass man verbessern kann.

Warum richten Sie dem Bund etwas aus, das man zwei Wochen später im Land selber umsetzt?
Ein genereller Strompreisdeckel kann nur auf nationaler und europäischer Ebene beschlossen werden. Das, was wir als Land tun können, nämlich einen Zuschuss, also einen Rabatt auf die künftige Erhöhung des Strompreises, müssen wir jetzt im Landtag beschließen, damit es bis Herbst in Kraft treten kann. Damit das Geld rechtzeitig ankommt bei den Bürgern. Darum müssen wir jetzt rechtzeitig den Strompreisrabatt in die Wege leiten.

Aus der Vergangenheit wissen wir: Wenn Niederösterreich beginnt, den Obmann zu kritisieren, bricht in der ÖVP eine Obmann-Debatte los ...
Ich sage es gerne noch einmal: Meine Kritik hat sich auf alle Parteien auf Bundesebene bezogen. In der Bundesregierung, und vor allem im Parlament. Wenn man sich ansieht, wie man sich dort beflegelt und beschimpft, dann schafft das kein Vertrauen. Das schadet der Demokratie insgesamt.

Also keine Obmann-Debatte in der ÖVP?
Nein.

Bisher war der 22. September als frühester Termin für einen Beschluss für Hilfspakete im Gespräch. Letzte Umfragen weisen der ÖVP nur noch 40 Prozent der Stimmen aus. Sind das jetzt Wahlzuckerln?
Wer jede Woche auf kurzfristige Umfragen schielt, wird sich nicht auf die langfristige Arbeit konzentrieren können. Darum interessiert mich das nicht. Jetzt geht es darum, die Landsleute zu unterstützen in dieser schwierigen Situation. Warum haben wir jetzt in der Landesregierung diesen Beschluss gefasst? Weil wir für diese Förderungen auch einen gesetzlichen Rahmen brauchen, und der muss auch beschlossen werden. Bis das Gesetz in Kraft tritt, dauert es mindestens sechs Wochen. So können die Menschen spätestens ab Anfang September ihren Rabatt beantragen, damit er dann im Oktober erstmals spürbar wird.

Kommen wir zur Vertrauenskrise. Die Umfragewerte sind schlecht wie nie. Woran liegt das? Ist es die Schuld der WKStA, ist es der Rechnungshof, sind es die ÖVP-Skandale?
Wenn man sich permanent beflegelt und beschimpft, liegt es auf der Hand, dass das Vertrauen sinkt. Und das Vertrauen sinkt bei allen Parteien - auch dazu gibt es ja Umfragen. Ich halte das für demokratiegefährdend, wie mittlerweile miteinander umgegangen wird. Das stößt alle ab.

Die ÖVP-Skandale haben also keinen Beitrag geleistet, dass es eine Vertrauenskrise gibt?
Natürlich schaden Anschuldigungen. Darum wäre es ja einmal wichtig, dass Anschuldigungen überprüft werden – und erst dann zu kritisieren. Dieser ehrliche Umgang ist bei uns aber nicht mehr als ein frommer Wunsch.

Erst unlängst gab es Berichte über einen Maulkorberlass für den Rechnungshof. Ist es dann vertrauensfördernd?
Auch dabei würde ich mir mehr Ehrlichkeit und Sachlichkeit wünschen. Das ist eine rein organisatorische Maßnahme seitens der Landesamtsdirektion, die für den Rechnungshof auch so in Ordnung geht. Der Leiter der Innenrevision, der das eingeleitet hat, kommt selbst vom Bundesrechnungshof. Wie ich höre, haben andere Bundesländer die gleiche Systematik. Aber inzwischen wird eben versucht, aus allem einen Skandal zu konstruieren.

Einen Maulkorberlass gab es nicht ...
Nein.

Sollte man nicht evaluieren, ob es für Vorhaben wie die CO2-Bepreisung wirklich der richtige Zeitpunkt ist?
Das muss sich die Bundesregierung sehr genau anschauen, ob eine nochmalige Verschiebung nicht doch noch möglich ist.

Hat es eine Aussprache zwischen Ihnen und Karl Nehammer gegeben?
Da hat es keiner Aussprache bedurft. Mir war aber wichtig, den Bundeskanzler über unser Modell im Vorfeld zu informieren. Er findet es interessant und will das Modell auch in die gesamte Debatte auf Bundesebene einbringen.

Woher kommt das Geld für den Strompreisrabatt?
Wir reden von rund 250 Millionen, die wir einerseits durch zukünftige Dividenden der Landesbeteiligungen, aber auch aus dem laufenden Budget zur Verfügung haben. Notfalls wird es auch eine weitere Schuldenaufnahme geben. Denn gerade in dieser Situation ist es wichtig, dass wir den Menschen unter die Arme greifen. Die genaue Höhe ist noch nicht abzusehen.

Über Mikl-Leitners Rolle

Wenn die niederösterreichische ÖVP den Parteiobmann kritisiert, dann weiß man - der Hut brennt. Kaum hatte Niederösterreichs Landeshauptfrau einen Strompreisdeckel, will Kanzler Karl Nehammer diesen prüfen. Damit hat er eine ÖVP-Obmann-Debatte vorerst gestoppt. Doch Mikl-Leitner liegt in den Umfragen bei rund 40 Prozent. Damit würde sie 2023 bei den Wahlen die absolute Mehrheit verlieren. Nehammer hat nur für kurze Zeit eine Verschnaufpause erreicht.

Wo wird früher gewählt: Neuwahlen im Bund oder die reguläre Landtagswahl in Niederösterreich?
Da halte ich es mit dem Herrn Bundespräsidenten, dass es jetzt wichtig ist, dass alle ihrer Arbeit nachkommen und gemeinsam diese Krise bewältigen. Das ist auch das, was sich die Menschen jetzt erwarten. Bei uns in Niederösterreich wird turnusmäßig gewählt, das heißt 2023 zwischen Jänner bis Mitte März.

Der ÖVP-Spitzenkandidat in Tirol geht auf Distanz zu Karl Nehammer und möchte keine gemeinsamen Wahlkampfauftritte. Wird es Termine in Niederösterreich geben?
Für mich ist der Wahlkampf noch weit entfernt. Jetzt geht es erst einmal darum, dass die Menschen auch gut durch diese Krise kommen.

Keine Festlegung, ob es Termine mit dem Kanzler geben wird?
An Wahlkampfplanung denke ich wirklich nicht.

Wenn Sie eine Krise haben, greifen Sie dann eher zu Alkohol oder Psychopharmaka?
(lacht) Ich glaube, dieser Sager tut ihm leid.

Beim NÖ-Parteitag hat er ihn ähnlich formuliert ...
Also mir wäre diese Formulierung auch nicht aufgefallen. Es ist einfach eine unglückliche Formulierung. Ich glaube, wenn er sie zurücknehmen könnte, würde er sie zurücknehmen.

Kommen wir zur Impfpflicht. Die wurde ja damals über Nacht am Achensee auf Drängen der Landeshauptleute eingeführt, nun wurde sie zurückgenommen. War das ein zu schneller Schuss?
Es war damals ein Beschluss im Parlament, weil die Situation sehr sensibel war. Wir haben alle noch die Bilder im Kopf, wie die Türen auf den Intensivstationen nicht mehr zugegangen sind, als die Delta-Variante viele Tote gefordert hat. Es war damals eine andere Situation. Das Virus hat sich verändert, und man hat zudem gesehen, dass die Impfpflicht einfach nicht das bewirkt hat, was man sich von ihr erwartet hat. Darum hat man sie wieder abgeschafft.

Zum Schluss eine Frage zu Sebastian Kurz. Die Krankenkassenreform hat nicht das gebracht, was versprochen wurde. Die Kürzung des Kindergeldes für ausländische Pflegekräfte wurde vom EuGH aufgehoben. Die Asylzahlen befinden sich wieder auf Rekordkurs. Sind die Leuchtturmprojekte der Ära Kurz allesamt gescheitert?
Man wird es in einigen Jahren feststellen können, was an Meilensteinen geblieben ist. 

Aber es sind alle gescheitert ...
Man muss auch auf internationaler Ebene schauen, wo er die Vergemeinschaftung der Schulden verhindert hat.

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