Effekt wie bei Bienen

Glyphosat beeinträchtigt Brutpflege von Hummeln

Wissenschaft
03.06.2022 09:25

Einer Studie zufolge gefährdet das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat möglicherweise den Bruterfolg von Hummeln. Demnach kann das Herbizid dazu führen, dass Erdhummeln die Temperatur im Nest schlechter aufrechterhalten, wenn das Nahrungsangebot knapp ist. Ohne ausreichende Wärme sei aber die Brut in Gefahr und damit das Überleben des gesamten Wildbienenvolkes, schreiben deutsche Forscher im Fachblatt „Science“.

In den vergangenen Jahren hatten Studien wiederholt Hinweise darauf ergeben, wie Glyphosat auf Honigbienen wirkt - etwa auf die kognitiven Fähigkeiten oder auf das Immunsystem. Aber wenig ist bisher über die Auswirkungen des Herbizids auf die fast 20.000 Wildbienen-Arten bekannt.

Nun untersuchte das Team um die Biologin Anja Weidenmüller von der Universität Konstanz Dunkle Erdhummeln, eine der größten und häufigsten Hummelarten in Deutschland. Es richtete im Labor 15 Hummel-Kolonien ein, die jeweils durch ein Netz in zwei Hälften (Bild unten) geteilt waren: Die Futterbox der einen Hälfte enthielt reines Zuckerwasser, während das Zuckerwasser der anderen Hälfte mit Glyphosat versetzt war.

Schlechtere Wärmeregulierung im Nest
Wie die Gruppe beobachtete, wirkte die Glyphosat-Exposition nicht direkt tödlich auf die Insekten. Allerdings waren diese Kolonien schlechter darin, die Wärmeregulierung im Nest aufrechtzuerhalten, wenn das Nahrungsangebot eingeschränkt war. Für eine optimale Entwicklung der Brut müssen die Temperaturen im Nest zwischen 28 und 35 Grad Celsius liegen.

„Hummelkolonien stehen unter einem sehr hohen Druck, in kurzer Zeit möglichst schnell zu wachsen“, wird Weidenmüller in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. Könnten sie die notwendige Bruttemperatur nicht halten, entwickle sich die Brut langsamer oder gar nicht. Das schränke das Wachstum des Volkes ein: „Erst wenn sie in der relativ kurzen Wachstumsphase eine bestimmte Koloniegröße erreichen, sind sie in der Lage, die geschlechtsreifen Individuen einer Kolonie, also Königinnen und Drohnen, hervorzubringen.“

Was ist Glyphosat?

Glyphosat ist ein Pflanzenschutzmittelwirkstoff, der zur Bekämpfung von Unkraut verwendet wird. Er wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, der seit 2018 zum deutschen Chemie- und Pharmakonzern Bayer gehört. Auf EU-Ebene ist Glyphosat noch bis Dezember 2022 genehmigt und in Deutschland bis Dezember 2023 in Pflanzenschutzmitteln zugelassen. Derzeit erfolgt im Rahmen eines Wiedergenehmigungsverfahrens eine Neubewertung des Wirkstoffs.

Die Insekten erzeugen die Wärme, indem sie ihre Flugmuskeln kontrahieren. Das kostet aber viel Energie, weswegen vor allem diese Zeit eng mit dem Nahrungsangebot verknüpft ist. Wurde dieses im Experiment eingeschränkt, sank die Fähigkeit der Hummeln zur Thermoregulation um 25 Prozent. „Sie können ihre Brut nicht mehr so lange warmhalten“, fasst Weidenmüller zusammen.

„Kleine Effekte, große Folgen für Kolonie“
Für den Biologen Vincent Doublet von der Universität Ulm ist das ein bedeutsames Ergebnis, denn die Wärmeregulierung sei bisher von der Forschung vernachlässigt worden. „Die Studie zeigt, dass kleine Effekte auf individueller Ebene große Folgen für die gesamte Kolonie haben können“, sagt Doublet, der nicht an der Arbeit beteiligt war.

Wie Glyphosat diesen Effekt erziele, sei noch unklar. Eine Studie mit Honigbienen habe gezeigt, dass das Herbizid deren Darmflora verändere und sie anfälliger für bestimmte Krankheitserreger mache. „Es liegt nahe, dass sich Glyphosat auch auf das Mikrobiom von Hummeln auswirkt und zum Beispiel dafür sorgt, dass sie Nährstoffe schlechter verwerten können und somit schwächer werden“, spekuliert der Biologe.

Wechselwirkungen werden unterschätzt
Die Studie zeigt für Doublet, dass Unkrautvernichtungsmittel nicht unbedingt direkt tödlich für Insekten sein müssten, um dramatische Konsequenzen zu entfalten. Bisher stütze sich die Zulassung solcher Mittel oft auf Versuche mit gut gefütterten Honigbienen, die unter besten Bedingungen lebten. Komplexe Wechselwirkungen unterschiedlicher Stressfaktoren wie Nahrungsangebot, Wetter und Krankheitserreger würden so nicht erfasst.

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