Das Mormonen-Ehepaar Alan Sparhawk und Mimi Parker kreiert als Low seit 1993 schwere Soundbrocken, die zwischen dunklem Indie, Slowcore, Elektronik und Noise mäandern. Am 11. Mai kommt das hochkreative Düster-Duo samt Bassistin Liz Draper für eine Show ins Wiener WUK. Wir haben im Vorfeld nachgefragt.
Der Soundtrack direkt in den Schlund der Hölle kommt ausgerechnet aus religiösen Gefilden. Das Mormonen-Ehepaar Alan Sparhawk und Mimi Parker kreiert unter dem Banner Low seit knapp 30 Jahren für Normalsterbliche Unaushaltbares. Anfangs noch etwas unkonkret in das von der Band nicht gerade beliebte Subgenre Slowcore gesteckt, hat sich das Duo samt permanent wechselnden Bassisten über die Jahre zu einer Underground-Institution des Schrägen und Verqueren entwickelt. Der Verschließ der jeweiligen Viersaiten-Axtschwinger ist wohl am besten mit der originären Vision der Hauptprotagonisten zu erklären. Steve Garrington war von 2008 bis 2020 das längstdienende dritte Mitglied der Noise-Bande aus Minnesota, aber in den Wirren der Pandemie entschied sich auch er für den Abschied. Low anno 2022 sind 13 Studioalben und weit über Tausende Konzerte alt. Augen- und Ohrenzeugen berichten von kathartischen und düsteren Momenten der Erleuchtung - am 11. Mai kann man sich nach dreijähriger Abwesenheit wieder im Wiener WUK davon überzeugen.
Kathartisch und heilend
„Wir sind eigentlich sehr hoffnungsfrohe Menschen und beziehen die meiste Energie daraus, wenn wir zusammen in einem Raum Musik machen“, erklärt Frontmann Sparhawk im „Krone“-Gespräch, „die Musik wirkt kathartisch und melancholisch, aber sie ist auch heilend. Es geht nicht darum, sich bewusst depressive Musik anzuhören, sondern darum, die düstere Realität akustisch zu beleuchten. Wir reagieren sozusagen positiv auf die Negativität des Lebens. Manchmal entzieht sich die Negativität jedweder Kontrolle.“ Low haben ihren Sound über die Jahre nicht dem Zeitgeist, aber doch einer gewissen Moderne angepasst. Die beiden aktuellsten Werke „Double Negative“ (2018) und das im Herbst 2021 erschienene „Hey What“ kann man referenziell für die „neuen Low“ heranziehen. Mehr akustische Verstörung, bewusste Spiele mit der Laut-Leise-Dynamik, Klangfrequenzen, die dem Easy-Listening-Prinzip als Feind gegenüberstehen.
„Wir experimentieren sehr viel und fordern von den Hörern sicher einiges ein, aber den Kern von Low hört man immer gut heraus“, so Sparhawk, „manche Alben gehen nach vorne, andere sind wiederum reservierter. Wir folgen aber immer unserer Intention und manchmal geht die in weit entfernte Sphären. Bei einer kreativen Reise kannst du als Musiker nur begrenzt forcieren, wohin sie geht. Es lässt sich in der Kunst nichts festzurren.“ Der Sound von Low hat eine magische Sogwirkung. Sparhawk und Parker komponieren seit Anbeginn ihrer Tage auf eine sehr intuitive und geräuschdienliche Art und Weise. Ein Album wie „Hey What“ stößt mit seiner Verneinungshaltung zur Moderne exakt gegen alle Mechanismen der Gegenwart. Man braucht weit mehr als eine dreisekündige Aufmerksamkeitsspanne, um sich im klanglichen Mahlstrom der Amerikaner orientieren zu können. Dass Low grenzenlos komponieren, das stimmt so aber nicht, wie Sparhawk weiterführend erklärt.
Bleierne Schwere
„Ganz und gar nicht. Aber man muss sich die Grenzen bewusst setzen, um sie dann einreißen zu können. Alles ist möglich und nichts darf erzwungen werden. Das ist allgemein die wichtigste Prämisse, die man beim Musikmachen haben sollte. Egal, ob unser Sound getragen und langsam, oder eruptiv und nach vorne preschend ist - er muss sich ergeben und es darf nicht zwanghaft nachgestoßen werden. Dann würde man an Authentizität verlieren.“ Die Schwere des Sounds hat sich längst mit der Schwere des Lebens verbunden. Parker verriet in einem Podcast diesen Frühling, dass sie an Eierstockkrebs leide und in Behandlung sei. Mittlerweile klinge er glücklicherweise ab. Die beiden schöpfen als Mormonen aus dem Glauben der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Alkohol und Drogen sind tabu, am Sonntag werden möglichst keine Konzerte gespielt. Ihre Religion fließt zwar unbewusst in die Musik ein, bleibt für beide aber folgerichtig Privatsache.
Sehr grob umrissen könnte man Low aufgrund ihrer Identität in den erweiterten Dunstkreis der 90er-Jahre-Sub-Pop-Kultacts verorten, doch diese dient freilich nur zur groben Orientierung. Dass Sparhawk und Parker nicht einen großen Hit hatten, sehen sie heute als Geschenk. „Was soll denn darauf kommen? Alle anderen und auch du selbst messen dich ein Leben lang daran im Wissen, dass man den größten Hit ohnehin nicht mehr übertrumpfen kann. Zwei Alben später verliert deine Plattenfirma den Glauben an dich und lässt dich fallen. Ich bin unglaublich froh, dass wir das nie erleben mussten.“ Die beiden sind große Fans von bedächtiger Ruhe und Geduld. „Stell dir einfach einmal vor, jeder Künstler kriegt 25 Jahre Zeit, um sich und seinen Sound zu finden. Ihm wird ein Trial-and-Error-Prozess gestattet, damit er experimentieren und probieren kann. Da würden richtiggehende Genies daraus erwachsen, aber die Realität und der Markt lassen das nicht zu.“
Live im Wiener WUK
Als Underground-Band haben es Low wesentlich leichter, ungestört an ihrem Sound und ihren Visionen zu feilen. Niemand erwartet flotte Rhythmen oder sogenannte „Crowdpleaser“ - eine durchaus komfortable Situation, wenn man eben nicht allzu groß denkt. Doch auch die Großen interessieren sich für Low. Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant coverte einst den Low-Track „Everybody’s Song“. „Das war natürlich eine riesengroße Überraschung. Wir haben ihn einmal getroffen, er ist ein wirklich netter Typ. Wenn so eine Legende deine Musik schätzt und dann auch noch ein Lied covert, dann ist das ein gewaltiges Kompliment.“ Auf der aktuellen Tour hat man Liz Draper am Bass, die Schwere und melancholische Getragenheit werden auch in Wien mit größtmöglicher Authentizität weitergetragen werden. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für Lows Auftritt am 11. Mai im Wiener WUK. Man sollte lieber schnell sein.
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