Amphibien-Alarm

Die Artenvielfalt im Ländle ist akut bedroht

Vorarlberg
01.05.2022 16:00

Zahlreiche heimischen Amphibien- und Reptilienarten verschwinden zusehends. Sie sind auch Indikatoren dafür, wie es um die Naturräume in Vorarlberg bestellt ist.

Die Lebensbedingungen für Amphibien und Reptilien in Vorarlberg haben sich verschlechtert. Anfang März wurde die überarbeitete „Rote Liste“ für gefährdete Arten in der inatura Dornbirn präsentiert (die „Krone“ berichtete). Seit der erstmaligen Erstellung der Liste vor 14 Jahren hat es zwar einige Veränderungen gegeben, aber keine Verbesserungen. Es seien sogar neue Gefährdungsfaktoren für die heimische Reptilien- und Amphibienwelt dazugekommen, wie Markus Grabher vom Umweltbüro Grabher (UMG) berichtet: „Pilzkrankheiten bedrohen mittlerweile Salamander und Molche.

In manchen Regionen nimmt der Bestand von ursprünglich häufig vorkommende Arten wie Grasfrosch oder Erdkröte merklich ab. Anderswo sind ganze Zugstellen (Anm.: Wanderrouten zu den Laichgewässern) erloschen. Nicht immer ist die Ursache dafür bekannt", gibt der Biologe zu bedenken. Mancherorts verdrängen auch eingeschleppte Arten die heimischen.

Verbessert habe sich in den vergangenen Jahren lediglich die Datenlage, da mit neuen Nachweismethoden gearbeitet werde, erklärt der Experte. So wurde beispielsweise herausgefunden, dass der Teichmolch nicht ganz so selten ist, wie ursprünglich angenommen. „Er ist aber die einzige Art, die in Sachen Gefährdungsgrad etwas abgestuft werden konnte“, sagt Grabher. Ansonsten blicken viele Vertreter der heimischen Amphibien- und Reptilienarten in eine sehr ungewisse Zukunft. Neben Lebensraumverlust, Gefährdung durch den Straßenverkehr, Klimawandel und Umweltverschmutzung stellen Pilzkrankheiten eine große Gefahr dar - vor allem für Salamander.

Tödlicher Pilz aus dem asiatischen Raum
Der sogenannte Salamanderpilz (oder Salamanderfresser) stammt ursprünglich aus dem asiatischen Raum und kam wahrscheinlich durch den Import von Schwanzlurchen nach Europa. Die heimischen Tiere verfügen über keinerlei Resistenz gegenüber der Krankheit, welche die Haut befällt und für Stoffwechselstörungen sorgt, was schließlich zum Tode führt. Besonders betroffen ist der ohnehin schon seltene Feuersalamander. In manchen europäischen Ländern sind bereits ganze Salamanderpopulationen dem Pilz zum Opfer gefallen. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann ist auch der Alpensalamander potenziell gefährdet“, betont Grabher. Bislang sei der Pilz in Österreich noch nicht nachgewiesen worden, allerdings sind bereits Fälle im benachbarten Allgäu bekannt und eine weitere Ausbreitung muss befürchtet werden.

Die größte Gefahr für Reptilien und Amphibien gehe aber nach wie vor vom Lebensraumverlust aus: „Es fehlen Laichgewässer sowie strukturreiche, naturnahe Lebensräume.“ Diese verschwinden zusehends. Gerade das dicht besiedelte Rheintal verfüge potenziell über die größte Artenvielfalt von Amphibien und Reptilien, sagt Grabher. Allerdings wird den Tieren das Überleben durch Verbauung sowie intensive Landwirtschaft schwer gemacht.

Immer weniger Laubfrösche
Ein Beispiel für eine besonders betroffene Art ist der Laubfrosch. Das blattgrün gefärbte Tier zählt aufgrund seines charakteristischen Aussehens wohl zu den bekanntesten Amphibien-Arten, wird aber immer seltener und kommt mittlerweile nur noch an bestimmten Stellen am Bodenseeufer vor. Die Art bevorzugt temporäre, fischfreie Laichgewässer mit strukturreichen Hochstaudenfluren und Gehölzen in der Nähe. Doch im Ländle mangelt es gerade an solchen Plätzen. Hinzu kommen die extremen Witterungsverhältnisse in den vergangenen Jahren.

„Trockenzeiten im Frühjahr, wie wir sie momentan erleben, führen dazu, dass viele Tümpel und Kleingewässer austrocknen und somit nicht mehr für die Laichablage oder als Rückzugsort zur Verfügung stehen“, schildert Grabher. Durch vorangegangene, milde Winter erwachen manche Tiere auch früher aus ihrer Winterstarre, was sie zusätzlich schwächt und anfälliger für Krankheiten macht. In sehr seltenen Fällen haben Wetterkapriolen aber auch etwas Gutes: So profitierte etwa die stark gefährdete Gelbbauchunke vom Regensommer 2020, da sie sich in überschwemmten Wiesen besonders wohlfühlt.

Fatale Folgen für das gesamte Ökosystem
Aufgrund ihrer Lebensweisen gelten Amphibien und Reptilien als die am stärksten gefährdeten Gruppen im Tierreich. Das Aussterben einer Art wäre nicht nur ein großer Verlust für die Biodiversität, sondern hätte auch Folgen auf das Ökosystem, erläutert Grabher. „Da diese Tiere sensibel auf die Veränderung ihrer Habitate reagieren, sind sie gute Indikatoren dafür, wie es um eine Landschaft bestellt ist.“

Der Befund für Vorarlberg fällt ernüchternd aus. „Die Problematik ist bekannt und es werden von offizieller Hand Bemühungen unternommen, um die Lage zu verbessern. Aber wir werden uns noch deutlich mehr anstrengen müssen.“ Gleichzeitig hebt der Biologe hervor, dass im „Land der Gartenbesitzer“ so gut wie jeder etwas zur Verbesserung der Lebensumstände für Amphibien und Reptilien beitragen kann. So könne man eine „ungepflegte Ecke“ in der eigenen Grünoase einrichten, mit umgemähtem Altgras und Totholz. „Naturnahe Gärten haben ein enormes Potenzial für die heimische Fauna und Flora“, bringt es Grabher auf den Punkt. Also ruhig ein bisschen schlampig sein im Garten! 

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