Leben mit Autismus

Fabio (24): „Ich kann einfach alles reparieren“

Gesund NL Reportage
16.05.2022 23:13

Trotz seiner besonderen Begabung, höflichen Art und guten Ausbildung findet Fabio, 24, aus Wien keine Arbeit. Der gelernte Elektroniker hat das Asperger-Syndrom. Hier erzählt er seine Geschichte.

Das ist eigentlich mit ein Grund für seine fachliche Kompetenz. Denn diese Form des Autismus geht mit speziellen Fähigkeiten einher. „Am meisten interessiert mich die Reparatur von Elektrokleingeräten, wie Tablets, Handys, Spielekonsolen, Haushaltsgeräten, DVD-Player usw.“, erzählt Fabio im Interview. „Aber eigentlich kann er alles wieder herrichten. Ich kenne sonst niemanden, auch keinen Handwerker, der so genau und exakt arbeitet wie mein Sohn“, erzählt seine Mutter Dianne Loreen (45) beim Gespräch in der gemütlichen Wohnung in Wien-Leopoldstadt. Auch Mops „Herr Brodmann“ ist mit dabei.

Fabio und sein Mops sind ein gutes Team. (Bild: Krone KREATIV,Martin Jöchl)
Fabio und sein Mops sind ein gutes Team.

Oma Berta Wedan, 71, wünscht sich nichts mehr, als dass ihr Enkel eine Beschäftigung erhält, die seiner Befähigung entspricht. Bis jetzt schaffte es auch das AMS nicht, ihm eine Arbeitsstelle zu vermitteln. Unverständlich für mich, sitze ich doch einem sympathischen und mitteilsamen jungen Mann gegenüber. Worin liegt das Problem? „Aufgrund des Asperger-Syndroms findet mein Enkel den sozialen Zugang zu seinen Mitmenschen nicht, er kann dann nicht verbalisieren, worum es ihm geht. Das macht es oft schwer.“

Für Fabio erschließt sich nicht immer, was sein Gegenüber von ihm erwartet. Das ist ein Teil seiner autistischen Persönlichkeit, aber kein Grund dafür, kein Leben wie jeder andere zu führen.

Oma Berta hält viel von den Fähigkeiten ihres Enkels. (Bild: Martin Jöchl)
Oma Berta hält viel von den Fähigkeiten ihres Enkels.

Vom „auffälligen Kind“ zum Schulsprecher
Auffälligkeiten zeigten sich erstmals in der Volksschule, wo man der Mutter Erziehungsfehler vorwarf und mit dem Jugendamt drohte, weil Fabio etwa nicht wusste, was zu tun ist, wenn der Lehrer „Schlagt das Heft auf“ sagte. Dann saß er da und machte eben gar nichts. Die Konfliktspirale drehte sich immer schneller. Die Schule war überfordert. „Einmal bekam ich vom Lehrer ein Handyfoto zugeschickt, auf dem mein Sohn am Boden lag und weinte. Das wäre ein Beweis für sein schlechtes Benehmen, hieß es“, erinnert sich Frau Loreen mit Schaudern an diese Zeit.

Der Bub fühlte sich ausgeschlossen und missverstanden. Zahlreiche Schulwechsel folgten, bis Fabio endlich mit der Diagnose „autistische Entwicklungsstörung“ therapeutische Unterstützung bekam und eine Schule besuchen konnte, wo auf seine Besonderheit Rücksicht genommen wurde. Dann stellte sich auch der Lernerfolg ein, er wurde sogar zweimal Schulsprecher! Auf den Taschenrechner verzichtete er und rechnete lieber alles im Kopf.

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Ich wollte in der Schule keinen Taschenrechner verwenden und rechnete alles im Kopf. Das hat zwar etwas länger gedauert, aber oft auch gestimmt.

Fabio

Für den jungen Mann war und ist es aufwendig zu lernen und zu verstehen, was andere von ihm erwarten, er übt das aber unablässig. Mit so großem Erfolg, dass ich beim persönlichen Gespräch kein Defizit feststellen kann. Im Gegenteil. Es ist angenehm und interessant, ihm zuzuhören.

Ein Beispiel aus dem Berufsalltag, das zeigt, wo es sich manchmal „spießt“: So hat Fabio zum Beispiel Angst vor dem Telefonieren und zieht sich zurück, wenn ihm Aggression entgegengebracht wird. An einer Arbeitsstelle musste er an der Kassa aushelfen, was auch gar kein Problem für ihn war. Sein Vorgesetzter wusste, dass der junge Mann das Telefon nicht bedienen kann, beschwerte sich dann aber lautstark, warum er nicht abnahm. In stressigen Arbeitssituationen kann es also zu Kommunikationsproblemen kommen, dafür stellt das AMS aber jemanden als Vermittler bereit. Nach seiner abgeschlossenen Lehre als Elektroniker in einer großen Firma konnte er dort leider nicht bleiben. Einige Praktika folgten. Dann kam die Corona-Krise.

Autismus: Hohe Intelligenz und Sprachniveau

Schätzungen zufolge ist ein Prozent der Bevölkerung von sogenannten Autismus-Spektrum-Störungen betroffen, in Österreich etwa 87.000 Menschen. Die Ursachen sind noch nicht geklärt, Erziehungsstil oder Impfungen zeichnen aber nicht dafür verantwortlich. Eine Ausprägung der Entwicklungsstörung zeigt sich als Asperger-Syndrom. Es kommt zu keiner sprachlichen Verzögerung, die Kinder sind oft überdurchschnittlich intelligent. Schwierigkeiten bestehen in der sozialen Interaktion. Die Zeichen und Erwartungen des Gegenübers können nicht richtig gedeutet und verstanden werden. Damit erfüllen sie die „gesellschaftlichen Regeln“ nicht, werden missverstanden und kapseln sich ab. Weitere Infos finden Sie hier.

Fabio hat zwar eine 50-Prozent-Behinderung zugesprochen bekommen, aber „für Firmen ginge es nicht um einen sozialen Akt, ihn zu beschäftigen. Mit seinen Fähigkeiten wäre er eigentlich eine Bereicherung für jedes Unternehmen. Er ist sehr verlässlich, genau und verantwortungsbewusst“, meint Dianne Loreen. In Deutschland und Großbritannien etwa werden Asperger-Betroffene sogar gezielt für Nischenbereiche gesucht!

Dorthin zieht es auch Fabio, aber im Reparaturbereich sind oft nur ehrenamtliche Tätigkeiten möglich. Er möchte aber selbst für sich sorgen können. Sport gehört zu seinen Hobbys: „Radfahren, Tischtennis, Basketball, Billard mache ich gerne.“ Gar nicht so ungewöhnlich. Auch für so jemanden Außergewöhnlichen wie ihn.

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