Die beliebte ATV-Trash-Sendung „Das Geschäft mit der Liebe“ wurde nach Protesten abgesetzt. Nach einer Prüfung versucht man den Neustart und hat sich einer Änderungsschleife unterzogen. ATV sendet ab 23. Juli immer mittwochs um 20.15 Uhr Doppelfolgen. Unterhaltungschef Oliver Svec nahm Stellung zu den Vorwürfen, den Veränderungen und der Zukunft der Sendung.
Im ersten Moment wirkt es so, als hätte sich nichts verändert. Liebessuchende Österreicher mit fragwürdigem Niveauverständnis klopfen sexistische Sprüche und balzen mit dem groben Hammer. Die Fronten sind klar abgesteckt, wie etwa der Autowaschanlagen-Besitzer Max Macho vor seiner Reise nach Kasachstan zeigt: „Eine Frau soll nicht unterwürfig sein, aber der Mann bin schon ich.“
Derartige Aussagen, der Verdacht auf Menschenhandel und grober Sexismus wurden ATVs langlebiger Reality-Trash-Show „Das Geschäft mit der Liebe“ von journalistischer und danach auch politischer Seite im März vorgeworfen. Der Gegenwind war so stark, dass man die Sendung aus dem Programm nahm, die aktuelle Staffel von den digitalen Plattformen löschte und in Evaluierung ging.
Nachschärfung auf mehreren Ebenen
Gut vier Monate später sendet ATV „Das Geschäft mit der Liebe“ ab sofort wieder immer mittwochs (20.15 Uhr) in Doppelfolgen. Journalisten wurden vom Sender zu einem Vorabschauen eingeladen und auf Veränderungen aufmerksam gemacht. So wurden die Off-Texte komplett überarbeitet. Mit Ex-Darsteller Robert Nissel, der die Ausrichtung der letzten Jahre schwer kritisierte und jetzt mit thailändischen Frauen fortlaufend die neuen Folgen kommentiert, wurde eine neue Metaebene eingezogen.
Dazu wird ein Vorspann vorangestellt: „Die folgende Sendung zeigt schockierende Verhaltensweisen – und wie man damit unweigerlich scheitert. Jegliche Nachahmung ist zu vermeiden und verlängert Ihre Partnersuche unnötig.“
„Für die meisten Menschen war ohnehin klar, dass das Verhalten der Männer in dieser Sendung nicht nachahmenswert ist“, erklärt ATV-Unterhaltungschef Oliver Svec im Interview, „das haben wir jetzt aber noch klarer hervorgekehrt.“
Monatelang habe man das Material gesichtet, auf Unstimmigkeiten geprüft und dabei einen „Code Of Content“ entwickelt, der unter anderem besagt, dass die Darsteller genau über das Format und den Kontext ihres Auftritts aufgeklärt werden müssen und Szenen in angetrunkenem Zustand im Nachhinein herausreklamiert werden können – das gelte freilich auch für alle teilnehmenden Frauen.
Die Sendung ganz abzusetzen haben man nie überlegt, so Svec, das wäre für einen privatwirtschaftlichen Sender angesichts der Quoten zu riskant, sehr wohl wackelte aber der vielkritisierte Thailand-Strang. „Er war wirklich nicht optimal, weil die Gegenstimme fehlte, um den Kontext zu verstehen. In Kasachstan gibt es die Partnervermittlerin Ksenia, die vom Verhalten der Österreicher schockiert ist und klar zeigt, dass es so nicht geht. Das hat in Thailand gefehlt.“
Der Zuseher entscheidet
Eingeholt wurde mein bei ATV auch von der Realität. „Auf den diversen Social-Media-Plattformen tummeln sich heute Persönlichkeiten wie Andrew Tate, die Frauenfeindlichkeit als etwas Gutes ansehen. Da können wir dann nicht starr bleiben und nichts am Programm adaptieren.“ Svec verweist zudem darauf, dass das Format bislang vorwiegend von akademisch gebildeten Frauen gesehen wurde. Stichwort: Sozialporno bzw. das Laben am Elend der anderen. Der vor einiger Zeit auch schwer in die Kritik geratene Produzent Andreas Mannsberger meinte in einem Interview mit dem „Standard“ einst, dass die Zeit für derartige Formate möglicherweise abgelaufen sei.
Obwohl man weiter zusammenarbeiten werde, will der Unterhaltungschef diese Aussage natürlich so nicht hinnehmen. „Aus unserer Sicht entscheidet das am Ende immer noch der Zuschauer. Die Sendung wurde vor allem von Menschen kritisiert, die sie gar nicht ansehen würden.“ Solange Bedarf da ist, herrsche auch die nötige Legitimation.
Bleibt die Frage, ob ATV im Zuge des „Code Of Content“ auch andere Eigenproduktionen wie „Tutto Gas“, „Amore unter Palmen“ oder „Tinderreisen“ überprüft und gesichtet habe? „Wir haben grundsätzliche Richtlinien gestellt, die ohnehin für alle unsere Produkte gelten. Wir haben schon über alle Formate geredet, müssen aber zugeben, dass es immer ,Das Geschäft mit der Liebe‘ war, das am umstrittensten oder grenzwertigsten wahrgenommen wurde.“ Die Überarbeitung der kompletten Staffel ist mit Kosten verbunden, die Svec nicht näher definieren möchte. „Wir sind derzeit auch erst bei Folge 10 von 14 und arbeiten hart daran. Normalerweise würden wir eine Staffel auch nicht mitten im Juli starten, aber das war in diesem Fall gar nicht mehr anders möglich.“
Die derben Sprüche bleiben
Mit der Neuausrichtung und dem Re-Start der Sendung ist man im ATV-Camp zufrieden. „Wir haben alles ganz genau geprüft und es ist nirgends spürbar, dass irgendetwas gegen den Willen der Frauen geschieht. Grundsätzlich darf Reality-TV auch ganz klar nicht vorbildhaftes Verhalten zeigen. Die Kernfrage ist: ,Wo kann man dem Zuschauer zumuten, dass er diese Schlussfolgerung selbstständig zieht? Und wo muss man es durch eine Einordnung unterstützen?‘“
Sprüche wie „Ich brauch kane mit am Schwaf“ oder „Heute knall ich sicher noch eine“ bleiben der Sendung aber erhalten. Ethik und Moral sind dehnbare Begriffe – und der Druck, mit allen Mitteln um eine der erfolgreichsten Sendungen des Senders zu kämpfen, ist gewiss nicht gering. Es bleibt abzuwarten, ob man sich mit der neuen Kontextualisierung aus dem Feld der Kritiker nehmen kann und gleichzeitig die Fans der alten Staffeln zufriedenstellen wird …
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