Filzmaier-Analyse

Die Kommunikation und der Tag der Kirche

Politik
17.04.2022 06:00

Es ist Ostern. Gläubige Christen feiern da die Auferstehung Jesu. Weit entfernt von einem institutionellen Auferstehen ist allerdings die katholische Kirche. Sowohl ihre gesellschaftliche Bedeutung als auch ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit schwinden. Liegt es an mangelhafter Kommunikation? Nicht nur, aber auch. Man schwankt zwischen altvaterischer Vorzeit und Modernität.

1. Der Papst ist im Internet. Er zwitschert sogar regelmäßig auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Ja, das nennt man wirklich so. Sogar beim Heiligen Vater. Obwohl dieses Gezwitscher mit Vögeln nichts zu tun hat. In der englischen Version seiner Tweets hat Franziskus rund 19 Millionen Gefolgsleute. Auf Deutsch sind es nur knapp 700.000. Genauso gibt es päpstliche Internetauftritte für Freunde auf Facebook und Instagram.

2. Österreichs Kardinal Christoph Schönborn hat übrigens über 20.000 Twitterfans. Das ist nicht bloß moderner Schnickschnack, sondern ein wichtiger Ausgleich zur sonst immer weniger erfolgreichen Medienkommunikation der Kirche. „Kirchenzeitung“, „Sonntag“, „Sonntags-“ und „Rupertusblatt“ – so die Titel von kirchlichen Druckmedien in Österreich – hatten 2021 bis zu ein Drittel weniger Auflage als noch 2011. Man verliert also traditionelle Schäfchen.

3. Dieser Rückgang in den letzten zehn Jahren lässt dementsprechend weniger an der katholischen Kirche interessierte Leser vermuten. Der Medienberater Peter Plaikner meint dazu: „Eine Ursache dürfte die späte Digitalisierung der Angebote sein. Das ist zwar aufgrund des hohen Alters der Hauptzielgruppen verständlich, doch der Anteil elektronischer Ausgaben ist im Vergleich zu Tageszeitungen sehr gering.“

4. Weniger höflich dazu: 2050 wird voraussichtlich eine Minderheit der in Österreich lebenden Menschen christlichen Glaubens sein. Das liegt keineswegs allein an der Zuwanderung, sondern mehrheitlich sind Kirchenanhänger so alt, dass sie 2050 nicht mehr leben werden. Zudem treten immer mehr Menschen aus der römisch-katholischen Kirche aus. Weiters gibt es eine Menge Leute, welche das zwar nicht tun, jedoch ihr Leben ohne jedweden Bezug zu Kirche und Religion leben.

5. Einen Kommunikationsweg zur Umkehr oder wenigstens Verzögerung dieses Trends haben Kirchenobere bisher nicht gefunden. Die Kirche greift eher zu kommunikationsstrategischen Tricks. Einerseits hilft ihr das Gesetz. Weil nämlich seit über 20 Jahren in Österreich niemand offiziell wissen kann, um wie viel weniger Christen und Kirchenmitglieder als früher es gibt. Das rührt daher, dass seit 2001 in Volkszählungen nicht mehr nach dem Glaubensbekenntnis gefragt wird. Nicht zu Unrecht ist man der Meinung, dass die Religion den Staat nichts angeht.

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Will man es wirklich bis zum Punkt „Stell dir vor, es ist Kirche und keiner geht hin!“ kommen lassen?

Peter Filzmaier

6. Andererseits freut sich die Kirche kommunikationsstrategisch geschickt über Zuspruch in anderen Erdteilen. Ja eh. Nur wieso ignoriert man den stark rückläufigen Trend in Europa? Will man es wirklich bis zum Punkt „Stell dir vor, es ist Kirche und keiner geht hin!“ kommen lassen?

7. Die Kirche weiß zudem nicht einmal, was Taufscheinchristen wollen. Das liegt einerseits daran, dass innerkirchliche Demokratie als Mitspracherecht der Gläubigen ein sehr zartes Pflänzchen ist. So zart, dass man oft gar nichts davon mitbekommt. Andererseits wissen Kirchenobere nur zu einem sehr geringen Teil, was ihre Schäfchen überhaupt denken.

8. Vor Kurzem wurden wiederum die Pfarrgemeinderäte gewählt. Dort haben auch Laien Mitsprache in Kirchenangelegenheiten. Die Wahlbeteiligung allerdings betrug im gesamtösterreichischen Durchschnitt nur 14 Prozent. In Wien waren es weniger als vier Prozent, in einzelnen Pfarrgemeinden gar nur 0,5 Prozent! Im Umkehrschluss hat man stark mehrheitlich keine Ahnung, ob und was Kirchenmitglieder meinen und wollen. Denn eine Nichtwählerbefragung gibt es nicht.

9. Warum das Kommunikationsdefizit der Kirche so traurig ist? Dazu ein Positivbeispiel des kirchlichen Bemühens um mehr Dialog: Die Kirche und ihre obersten Vertreter wollen sich bestmöglich an der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beteiligen. Sogar im Wiener Stephansdom wurde geimpft. An die Adresse der Coronaleugner richtete der Kardinal vor einer Woche in der „Pressestunde“ ein kleines Stoßgebet: „Gott, lass es bitte Hirn regnen!“

10. Der Haken dabei ist, dass man bestenfalls die sehr kleine Gruppe regelmäßiger Kirchgänger erreichen und überzeugen kann, sich und andere vor dem Virus zu schützen. Um wirklich erfolgreich zu sein, müsste man vom Kardinal abwärts freilich auch mit der Mehrheit jener kommunizieren, die mit Kirchenvertretern nichts am Hut haben.

Das gilt für die Pandemie und für alle gesellschaftlichen Themen von Gewaltlosigkeit bis Respekt, wo eine verantwortungsvolle Haltung etwas bewirken könnte. Doch zu jenen außerhalb der kleiner werdenden Kirchenwelt hat man nicht einmal einen Kommunikationskanal, geschweige denn tiefer gehende Kontakte.

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