„Krone“-Interview

Schlepper und Flüchtling stehen Rede und Antwort

Schlepper, Flüchtlinge, Aufgriffe - kaum ein Tag vergeht, an dem diese Begriffe nicht durch die Medien geistern. Doch wer sind die Menschen dahinter? „Krone“-Redakteur Klaus Loibnegger blickte hinter die Gefängnismauern der Wiener Justizanstalt Josefstadt und suchte nach Antworten.

Seine Familie bezahlte ein Vermögen an eine Schlepperbande, damit er bei uns Geld verdient. Nun steht der Syrer (32) vor dem Nichts:

„Krone“: Wieso sind Sie aus Ihrem Land geflüchtet?
Flüchtling: Ich wollte in Österreich ein sicheres Leben leben und von hier aus Geld nach Hause für meine Familie schicken.

War Ihnen bewusst, dass Sie illegal reisen?
Ja, mir war bewusst, dass ich illegal einreise. Aber ich habe mir ein legales, gutes, friedliches Leben erhofft.

Sind Sie ganz alleine aufgebrochen?
Ja, von meiner großen Familie zu Hause habe ich als Einziger die Reise alleine angetreten - wurde dann aber gemeinsam mit anderen Personen geschleppt.

Wie sind Sie in Kontakt mit den Schleppern getreten?
Den ersten Kontakt zu der Schlepper-Organisation hat mein Onkel arrangiert.

Wie viel mussten Sie bezahlen? Und woher hatten Sie das Geld?
Insgesamt mussten wir 6000 Euro bezahlen - die Summe hat mein Onkel an die Organisation übergeben. Aber dafür hat die ganze Familie zusammengelegt.

Wussten Sie, dass es sehr viele Flüchtlinge nicht lebend bis nach Europa schaffen?
Nein, es war mir nicht bewusst, dass auf diesen Reisen viele Flüchtlinge sterben. Das habe ich nicht mitbekommen. Ich wurde in Autos transportiert, die auf der Strecke mehrmals gewechselt worden sind.

Waren Sie auf der Reise gefährlichen Situationen ausgeliefert?
Nein, mein Transport verlief eigentlich völlig komplikationslos - bis wir schlussendlich von der Polizei in einer Wohnung in Wien verhaftet wurden.

War Ihnen bewusst, dass Sie kaum eine Chance auf Asylgewährleistung in Österreich haben werden?
Nein, das war mir nicht bewusst. Ich habe gehofft, die Sprache zu erlernen, legal in Österreich zu arbeiten und Geld nach Hause schicken zu können.

Was erwartet Sie in Ihrer Heimat, falls Sie wieder zurückgeschickt werden?
In erster Linie massive Schulden - und kaum eine Chance auf Arbeit.

Glauben Sie, dass Europa neue Flüchtlingswellen und einhergehende Dramen künftig verhindern kann?
Nein - diese Wellen sind von den europäischen Ländern mit Sicherheit nicht aufzuhalten. Solange Menschen wie ich in ihren Heimatländern nicht mehr leben bzw. überleben können, wird es immer Flüchtlingsbewegungen geben.

Schlepper aus Libanon
Um die Familie zu ernähren, sah ein inhaftierter und geständiger Schlepper aus dem Libanon (39) keine andere Möglichkeit, als zu schleusen:

„Krone“: Wieso haben Sie sich dazu entschlossen, als Schlepper Ihr Geld zu „verdienen“?
Schlepper: Weil ich in meiner Heimat keine andere Möglichkeit mehr gesehen habe, meine Familie zu ernähren.

Haben Sie in die eigene Tasche „gearbeitet“, oder standen Sie im Dienst einer organisierten Bande?
Ich war für eine Organisation tätig. Ich wurde erst in meinem Heimatland angesprochen und schließlich selbst nach Europa geschleust. Die Verantwortlichen haben mir für Transportdienste in Folge einen Verdienst von 300 Euro pro geschleppter Person versprochen.

War Ihnen denn bewusst, dass Sie ins Gefängnis wandern könnten - und so Ihre Familie für längere Zeit gar nicht mehr sehen können?
Ja, über das Risiko war ich voll im Bilde. Aber wie gesagt - ich sah keine andere Möglichkeit, meine Familie zu ernähren.

Wie haben Sie die Migranten, Ihre illegalen Passagiere, transportiert?
Über die grünen Grenzen zu Fuß, die restlichen Strecken per Auto.

Wussten Sie von all den Todesdramen, die sich auf Schlepperfahrten in Europa zugetragen haben?
Dass viele Flüchtlinge auf den Reisen sterben, war mir bewusst. Aber ich habe immer darauf geachtet, dass die Migranten durch mich richtig versorgt werden.

War Ihnen bewusst, dass es für die meisten Flüchtlinge kaum Hoffnung gibt, hier in Österreich bleiben zu dürfen?
Nein, das war mir wirklich nicht bewusst. Das wird von den Schlepper-Organisationen aber auch grundsätzlich gar nicht bzw. ganz anders kommuniziert.

Wie und wo wurden Sie schlussendlich verhaftet?
Ich wurde gemeinsam mit den Migranten in Österreich in einem Waldstück im Burgenland verhaftet. Von hier aus sollten die Flüchtlinge dann per Auto weiter nach Wien und schlussendlich nach Deutschland gebracht werden.

Glauben Sie, dass es möglich ist, den organisierten Menschenhandel in Europa erfolgreich zu bekämpfen?
Nein, das ist meiner Meinung nach unmöglich. Die Situation in vielen Krisenländern auf der Welt ist so, dass die Menschen dort nicht leben können und wollen. Und solange sich die Situation vor Ort nicht ändert, wird es immer Flüchtlingsbewegungen und Schlepperbanden geben.

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