Das unabhängige US-Spielestudio Ward B, das an einem Multiplayer-Shooter namens „Oceanic“ arbeitet, erhebt schwere Vorwürfe gegen den russischen Waffenhersteller Kalaschnikow. Dieser habe sich unerlaubterweise an den Waffen-Designs des Spielestudios bedient, auf deren Basis eine ganz reale Schrotflinte auf den Markt gebracht und diese dann zu allem Überfluss an einen anderen Spieleentwickler lizenziert. „Sie haben es komplett gestohlen“, wirft Ward B dem Rüstungskonzern vor.
Den Fall hat unter anderem das Spielemagazin „IGN“ aufgegriffen: Ward B hatte laut dem Bericht seit 2019 die Werbetrommel für seinen kommenden Mehrspieler-Shooter gerührt und auf der Website zum Spiel immer wieder futuristische Waffen-Designs veröffentlicht, die in dem Spiel auftauchen.
Angeblicher Kalaschnikow-Mann bot Kooperation an
Anfang 2020 habe sich dann ein Herr aus Russland bei dem Studio gemeldet, berichtet Studio-Chef Marcellino Sauceda. Dieser habe behauptet, ein Partner des Kalaschnikow-Konzerns zu sein und das Design einer Schrotflinte aus „Oceanic“ lizenzieren zu wollen. Er stellte eine Kooperation in Aussicht: Das Studiologo sollte auf der Schrotflinte auftauchen, es sollte Softair- und Spielzeugvarianten der Waffe geben und das Studio sollte drei Stück der Schrotflinte als Geschenk erhalten.
Haben sie unsere Schrotflinte jetzt doch gebaut?
Erstaunter Designer nach Enthüllung der MP-155 Ultima
Bei Ward B witterte man eine Chance: Das unabhängige Studio konnte Werbung für seinen Shooter gut gebrauchen, außerdem wäre es wohl eine der ersten Kooperationen dieser Art gewesen. Doch dann riss der Kontakt zu dem Russen ab. Einige Monate später, erinnert sich der Studio-Chef, tauchte einer seiner Designer bei ihm auf und fragte: „Hey, haben sie unsere Schrotflinte jetzt doch gebaut?“
Er zeigte Sauceda eine Produktankündigung des Kalaschnikow-Konzerns. Es handelte sich - siehe Video oben - um eine „smarte“ Schrotflinte namens MP-155 Ultima, deren Design frappierend an die EPM28 Mastodon aus ihrem Computerspiel erinnerte. Die Spieleentwickler fielen aus allen Wolken.
Kalaschnikow verwies auf russischen Designer
Sie suchten neuerlich den Kontakt zu dem Mann aus Russland sowie zu Juristen des Kalaschnikow-Konzerns. Sogar Copyright-Unterlassungsklagen wurden in die Wege geleitet. Doch beim Gegenüber beteuerte man, man habe das Design nicht gestohlen. Vielmehr habe man sich mit einem russischen Designer zusammengetan, der die smarte Schrotflinte mit Bordcomputer von Grund auf neu gestaltet habe. Sogar ein Patent wurde vorgelegt.
Sie haben es komplett gestohlen.
Marcellino Sauceda, Ward B
„Ich hatte da schon die Befürchtung, dass da nichts mehr zurückkommt. Sie haben es komplett gestohlen“, klagt der Spieleentwickler an. Und berichtet weiter, dass nach den juristischen Schritten anonyme E-Mails - er vermutet, vom ursprünglichen Kontakt in Russland - bei Designern des Studios eingingen, in denen doch noch nach einer Einigung gesucht wurde.
Echte Schrotflinte tauchte in anderem Spiel auf
Vergeblich. Und als wäre das nicht genug, tauchte die echte Kalaschnikow-Schrotflinte, die der Waffenhersteller um umgerechnet rund 1500 Euro verkauft, einige Monate später auch noch in einem anderen Computerspiel auf: dem in Russland entwickelten Multiplayer-Shooter „Escape from Tarkov“, der einen Lizenz-Deal mit Kalaschnikow eingegangen war.
Laut einem Video am Kalaschnikow-Kanal auf YouTube waren die „Escape from Tarkov“-Entwickler dafür sogar beim Waffenhersteller am Schießstand. Für das US-Studio Ward B ein Schlag ins Gesicht: Aus Sicht des Studios wurde zuerst sein geistiges Eigentum gestohlen, der Diebstahl anschließend abgestritten und das Diebesgut schließlich an einen russischen Konkurrenten lizenziert. Die Gegenseite bestreitet dies freilich.
Anwältin glaubt nicht mehr an Einigung
Im Gespräch mit „IGN“ zeigt sich die von Ward B beauftragte Anwältin resigniert: Sie glaube nicht, dass es in dem grenzüberschreitenden Fall zu einer Einigung mit dem Waffenproduzenten komme, erklärt Juristin Micaela Mantegna. Gerade kleine unabhängige Entwickler wie Ward B würden immer wieder Opfer solcher Aktionen und hätten nicht die Möglichkeiten, sich juristisch dagegen zu wehren, wie sie große Konzerne haben.
Sie hofft auf das Unrechtsbewusstsein der Gaming-Community: Diese solle die smarte Schrotflinte von Kalaschnikow zumindest nicht kaufen. Eines ist nach dem Rechtsstreit aber jedenfalls gewiss: Das Indie-Projekt „Oceanic“ ist nun deutlich bekannter als zuvor ...
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