Im Alter von 96 Jahren

Schriftstellerin Friederike Mayröcker gestorben

Österreich
04.06.2021 12:16

Die österreichische Autorin Friederike Mayröcker ist am Freitag im Alter von 96 Jahren in Wien gestorben. Mayröcker zählte zu den am höchsten dekorierten heimischen Schriftstellern, ihr umfangreiches wie eigenwilliges Werk wuchs bis zuletzt. Die Schriftstellerin - mit ihrer schwarz verhüllten Gestalt und ihrer mit Zetteln übersäten Wohnung zur Legende geworden - war erst kürzlich für ihr letztes Buch „da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete“ für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert gewesen.

Als „bekannt, aber nicht gekannt“ bezeichnete ein Literaturwissenschaftler einmal die unter anderem mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen mit Stern (2014), dem Großen Österreichischen Staatspreis (1982) und dem Georg-Büchner-Preis (2001) ausgezeichnete Dichterin, die vielfach bewundert, aber nur von wenigen wirklich gelesen wurde. Ihre Arbeit erscheint im Suhrkamp-Verlag, der am Freitagvormittag auch ihren Tod bekannt gab.

Van der Bellen würdigte „wohl wichtigste österreichische Autorin“
„Die Grande Dame der österreichischen Literatur ist nicht mehr. Heute hat Friederike Mayröcker ihren Stift für immer niedergelegt“, reagierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf die Todesmeldung der „wohl wichtigsten österreichischen Autorin“. „Die unaufdringliche Eleganz ihrer Texte hat uns reich beschenkt“, so das Staatsoberhaupt. Bis ins hohe Alter sei es ihr gelungen, die Welt so zu beschreiben, als sähe sie sie zum ersten Mal. „Wer diese feine, leise Autorin kannte, weiß um die Ausnahmeerscheinung, die Friederike Mayröcker zweifelsohne darstellte.“

„In ihrer bescheidenen Wohnung in Wien-Margareten hat sie inmitten von Büchern, Zetteln und Körben voller Notizen auf einer Hermes Baby poetische Welten entworfen, die zwar mit den 26 Buchstaben unseres Alphabets auskommen, aber nie zuvor auf diese Weise geschrieben worden sind und zu lesen waren“, würdigte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer Mayröcker in einer Aussendung. Die Autorin werde „bleiben, was sie mehr als ein halbes Jahrhundert lang war: ein hell leuchtender Fixstern am Himmel der österreichischen Gegenwartsliteratur“.

Mayröckers Verlagskollege bei Suhrkamp, der Grazer Autor Clemens Setz, schrieb der APA: „Friederike Mayröcker war die größte Dichterin unserer Sprache. Jeder Mensch findet in ihrem Werk seinen geborgenen Winkel, seinen Platz zum Ausruhen, seinen Lobpreis. Meine Trauer ist sehr groß. Zumindest habe ich mich ein Mal im Leben nützlich gemacht und für Friederike Mayröcker einen Snoopy gezeichnet, denn sie liebte diesen Hund mit der Schreibmaschine.“ Auf Twitter veröffentlichte er ein Gedicht.

Mayröcker wurde 1924 in Wien geboren und publizierte erstmals im Jahr 1956. Die Tochter eines Lehrers und einer Modistin wurde als Kind wegen ihrer zarten Gesundheit stark von der Außenwelt abgeschirmt. Bereits als 15-Jährige begann sie kurze emotionale Prosatexte zu schreiben. In der Literaturzeitschrift „Plan“ veröffentlichte sie 1946 erste Gedichte. Im selben Jahr begann sie als Englischlehrerin an Wiener Hauptschulen zu unterrichten.

„Ich war eine schlechte Pädagogin“
„Ich war eine schlechte Pädagogin. Ich wollte nie diesen Lehrberuf ausüben, aber meine Eltern haben gemeint, dass das ein für mich geeigneter Brotberuf wäre“, erinnerte sich Mayröcker einmal. Ein 1950 begonnenes Germanistik-Studium musste sie abbrechen, weil ihre Lehrerinnentätigkeit die wirtschaftliche Basis der Familie sicherte. Nach einigen vorübergehenden Beurlaubungen konnte sie erst 1969 aus dem Schuldienst ausscheiden und sich ganz dem Schreiben widmen.

„Ich lebe nur in Sprache“, bekannte Mayröcker immer wieder: „Ich kann alles durch meine Augen in mich aufnehmen und aus mir herausschreiben.“ Sieben Jahrzehnte lang entstanden so in dichter Folge Prosa- und Lyrikbände. „Das Gedichteschreiben ist so eine Art Aquarellieren, das Prosaschreiben ist eine harte Kunst wie eine Skulptur anzufertigen“, schilderte Mayröcker, deren zweite Liebe der Bildenden Kunst gehört, einmal in einem APA-Interview. „Es sind zwei wirklich ganz verschiedene Zugehensweisen, und ich fühle das auch im Körper ganz anders.“

2020 trat sie noch beim Lesefest im Museumsquartier auf
Der letzte als Lyrik ausgewiesene Band erschien 2012 mit „Von den Umarmungen“, die zuletzt erschienenen Werke betitelte der Suhrkamp-Verlag, bei dem Mayröckers Werk seit 1979 erschien, selbst als „prosaische Gedichte und lyrische Prosastücke“. So erschien in den vergangenen Jahren die Trilogie „études“ (2013), „Cahier“ (2014) und „fleurs“ (2016). Mit dem Prosaband „Pathos und Schwalbe“ spielte die damals 93-jährige Dichterin sehnsüchtig, selbstironisch und beziehungsreich mit Form und Chronologie, mit Innen- und Außenbeobachtung.

Im Sommer 2020 veröffentlichte sie das „Proem“ „da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete“ und trat auch beim Lesefest „O-Töne“ im Museumsquartier auf. Bereits damals gab sie bekannt, dass dies ihr letztes Buch gewesen sei.

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