Pathologe im Interview

„Ich bin mittlerweile erschöpft und Corona-müde“

Vorarlberg
17.03.2021 11:55

Wie kommt es zu Mutationen? Wie werden diese nachgewiesen? Und ist Astra Zeneca wirklich gefährlich? Antworten auf diese Fragen hat Felix Offner, Leiter der Pathologie am Landeskrankenhaus in Feldkirch.

Herr Offner, Sie beschäftigen sich seit über einem Jahr mit dem SARS-CoV-2-Virus. Wie geht es Ihnen damit?

Ganz ehrlich: Ich bin mittlerweile erschöpft und „Corona-müde“. Seit einem Jahr Dauerstress - und dann die Mutationen. Wir hatten eigentlich gedacht, das Problem unter Kontrolle zu haben, aber dann kamen diese Varianten. Für mich und meine Kollegen hieß es dann: Wieder hinterherhecheln und alles so aufbauen, dass auch Mutationen nachgewiesen werden können.

Wie funktioniert so etwas?

Hier in Feldkirch verwenden wir die Methode der sogenannten mutationsspezifischen PCR. Grundsätzlich gibt es zwei Technologien der Gensequenzierung. Das eine ist eine vollständige Genomsequenzierung („whole genome sequencing“). Das andere ein „targeted sequencing“. Jene Gene, die besonders relevant sind, werden dabei zielgerichtet angeschaut. Diese Technologie ist fokussiert auf die Gene, die das Spike-Protein kodieren.

Das ist das Protein, das dem SARS-CoV-2-Virus erlaubt, sich beispielsweise an den Zelloberflächen des Lungengewebes anzuheften?

Ja. Vereinfacht gesagt ist das Gen ja nichts anderes als eine Matrix, von der aus ein Protein gebaut wird. Wenn eine Mutation in den Spike-Genen auftritt, verändert sich das Spike-Protein. Es kann sein, dass Mutationen auftreten und es passiert gar nichts. Aber es gibt gewisse Mutationen, die dieses Spikeprotein in ihrer Funktion verändern. Und so wie wir es gerade erleben, besser an Zellen andocken können.

Wie laufen die Nachweise bei Ihnen ab?

Derzeit werden alle Proben, die wir bekommen, mit unserer Standard-PCR untersucht. Danach folgt eine zweite mutationsspezifische PCR, die die sogenannte N501Y-Mutation nachweist. Die kommt interessanterweise in allen drei Varianten - der britischen, südafrikanischen und brasilianischen - vor. Liegt bei einer weiteren PCR die P681H-Mutation vor, handelt es sich um die britische Variante.

Wie kommt es überhaupt zu diesen Veränderungen?

Bei der Vermehrung der Virus-RNA passieren immer Lesefehler. Das ist wie in unseren Körperzellen. Wenn eine neue Zelle entsteht, passieren bei der DNA-Vermehrung oder -verdopplung Lesefehler. Unser Körper hat - im Gegensatz zum Virus - sehr effiziente Reparaturmechanismen, um Lesefehler, die zu Mutationen führen, zu vermeiden. Die Mutationshäufigkeit bei den SARS-Coronaviren ist nicht unheimlich hoch. Aber je mehr Menschen dieses Virus in sich tragen, umso so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen Virus entwickelt, der eine Mutation aufweist. Zudem gibt es noch die Hypothese, dass bei Patienten, die immunsupprimiert sind und das Virus länger im Körper haben, das Risiko für Mutationen ansteigt.

Steigt das Risiko auch, wenn eine Teilimmunität vorliegt?

Bewiesen ist das nicht, aber man könnte spekulieren, dass das möglich ist. Wobei die Daten, die nach den Erstimpfungen vorliegen, schon sehr beeindruckend sind. Da ist offenbar ein ziemlich hoher Schutz gegeben. Deswegen haben die Briten in ihrer Not ja auch den Weg gewählt, die Zweitimpfung nach hinten zu verlegen, um möglichst vielen Menschen die Erstimpfung zukommen zu lassen.

Ist das ein vertretbarer Weg, den auch andere Länder gehen sollten?

Es gibt keine Studien oder Experten, die sagen, dass dies Nachteile hätte. Aber es gibt eine gesetzliche Zulassung für die Impfstoffe, die auf wissenschaftlichen Studien basiert und die Impfintervalle regelt. Ich fand es spannend zu sehen, wie schnell und flexibel die Briten reagiert haben. Zu Beginn der Pandemie wurden dort schwere Fehler gemacht, inzwischen agieren sie wesentlich besser: Die Impfstoffe wurden sehr schnell ins Land geholt, von Beginn der Impfkampagne an wurde dort auch bei Menschen über 65 Jahren Astra Zeneca verimpft.

Zitat Icon

Meine Frau und meine Tochter wurden beide mit Astra Zeneca geimpft. Sie waren ein, zwei Tage krank, sind jetzt aber völlig gesund und im Berufsleben.

Primar Felix Offner

In einigen Ländern wurde das Impfen mit Astra Zeneca ausgesetzt. Wie gefährlich ist der Impfstoff?

Die Briten, die die größte Erfahrung mit Astra Zeneca haben, lassen diesen weiterverimpfen. Grundsätzlich ist kaum eine Intervention ohne jedes Risiko. Impfzwischenfälle gibt es aber auch bei lange und gut etablierten Vakzinen. Nach Ansicht der WHO überwiegt der Nutzen der Astra Zeneca-Impfung aber die Risiken aus heutiger Sicht deutlich. Es wäre sehr schade, dieses Vakzin aufgeben zu müssen.

Wie wirken die verschiedenen Impfstoffe in Hinblick auf Mutationen?

Es gibt Hinweise darauf, dass die südafrikanische Variante durch die Impfungen nicht gleich gut bekämpft werden kann. Spannend sind in diesem Zusammenhang übrigens Überlegungen zu überkreuzenden Impfungen, sprich, die Erstimpfung erfolgt mit einem Vakzin, die Zweitimpfung mit einem ganz anderen. Vielleicht lässt sich dadurch das Problem von COVD-19-Varianten, die gegen Impfstoffe weniger empfindlich sind, besser in den Griff bringen.

Zuerst der Vektorimpfstoff von Astra Zeneca und dann der RNA-Impfstoff von Biontech?

Das wäre denkbar. Es klingt biologisch nicht unvernünftig, das potenzielle Spektrum der Antikörperbildung zu erweitern. Im Moment ist es ja so, dass ich mit der zweiten Impfung auf den Boostereffekt setze, also die vermehrte Bildung von Antikörpern nach erneuter Einwirkung des gleichen Antigens. Mit einem zweiten Impfstoff gibt es vielleicht einen Boostereffekt mit einem breiteren Spektrum an Antikörpern? Zudem arbeitet die Industrie bereits jetzt an neuen Generationen von Impfstoffen, um auf potentiell gefährliche Virus-Varianten besser zu reagieren.

Müssen wir ab sofort jedes Jahr zur Covid-19-Impfung?

Das weiß ich nicht. Aber es könnte sein, dass wir es zumindest eine Zeitlang müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Virus weiter mutiert, sich zwar schneller übertragen lässt, dabei aber biologisch weniger aggressiv ist. Das Virus hat nicht in erster Linie das Interesse, die Menschen zu schädigen, sondern benützt sie nur, um sich zu vermehren.

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