SPÖ/NEOS zogen Bilanz

Ibiza-Ausschuss: Fokus auf „System Kurz“

Politik
15.12.2020 06:00

Blau mutierte zu Türkis. So lautet ein Tenor der Bilanz zu Teil eins des Ibiza-Ausschusses, die am Montag SPÖ und NEOS in der Hofburg zogen. Der Fokus liegt auf dem „System Kurz“, sagten SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer und sein NEOS-Pendant Stephanie Krisper.

Im Juni begann die Aufarbeitung der politischen Verantwortung zu Ibiza, unter dem Titel „Mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ (kurz Ibiza-Untersuchungsausschuss). „Es hat sich im Laufe des Ausschusses herausgestellt, dass es sich um eine türkise Angelegenheit gehandelt hat, weniger um eine blaue“, meinten Krainer und Krisper. „Und es stellte sich heraus, dass die ÖVP auf Du und Du mit Novomatic war. Und dass es Deals im Hintergrund gab.“ Es ging um Lizenzen für den Glücksspielkonzern, im Gegenzug, so Krainer, habe es Zuwendungen an ÖVP-nahe Vereine gegeben.

Großspenden für Polit-Kämpfe
Generell habe die Partei von Bundeskanzler Sebastian Kurz schon 2016 damit begonnen, Großspenden für die Partei zu sammeln und dafür Gefälligkeiten wie Aufsichtsratsposten in Aussicht gestellt, sollte man in der Regierung sein. Die ÖVP freilich sieht das alles anders: Im Ausschuss zeigte sich Fraktionsführer Wolfgang Gerstl als wackerer Verteidiger im türkisen Trikot und blickte gegenüber der „Krone“ recht zornig und vor allem kämpferisch zurück und nach vorne. „Das war teilweise ein Polit-Tribunal. Es hieß: Alle gegen Kurz. Unerträglich, wie sich manche Abgeordnete gegenüber Auskunftspersonen verhalten haben.“ Tatsächlich war die ÖVP quasi allein auf weiter Hofburg-Flur. Selbst der grüne Koalitionspartner agierte höchst angriffslustig, wenn es um Befragungen von ÖVP-nahen Personen ging.

Diskussionen um Blockaden und Befangenheit
Anerkennend nehmen das SPÖ und NEOS zur Kenntnis. „Auch die FPÖ war kooperativ, und es war einzig die ÖVP, die blockierte, wo es nur ging“, sagte Krisper. Sei es bei Erstellung von Ladungslisten oder durch permanente Einmischungen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der den Vorsitz über den Ausschuss führt und dem Befangenheit vorgeworfen wird, da er Kontakte zu Novomatic-nahen Personen habe. Und dann gibt es konstant Aufregung um das Alois-Mock-Institut, dem Sobotka vorsteht und das von Novomatic gesponsert wurde. Für Inserate oder Übernahme von Kosten gab es immer Gegenleistungen, also war alles in Ordnung, rechtfertigte sich der Vorsitzende auch im Ausschuss. Von Befangenheit will er nichts wissen, er denkt auch nicht daran, den Vorsitz abzugeben - was er könnte.

Zwingen kann ihn jedoch niemand dazu. Das kann nur der Vorsitzende selbst. Doch wird  der Nationalratspräsident, geht es nach SPÖ und NEOS, die ihn beide wegen Befangenheit als völlig ungeeignet erachten, sich noch einmal vom Vorsitzenden zur Auskunftsperson verwandeln. SPÖ-Politiker Krainer meinte dazu: „Sobotka ist der Prototyp für die Verfilzung in diesem Land.“

Fortsetzung und Forderungen
SPÖ und NEOS bezeichneten die bisherige Arbeit des Ibiza-U-Ausschusses jedenfalls als sehr erfolgreich. Man habe nicht nur die Verflechtung zwischen dem Glücksspiel und der Politik aufgezeigt, sondern auch dem „System Kurz“ nachgehen können. Krainer und Krisper jedoch beklagten auch abermals die Torpedierung der Arbeit des U-Ausschusses sowie jene der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) - vor allem - durch die ÖVP. Fazit: „Es wurde noch nie ein U-Ausschuss so heftig bekämpft wie dieser.“

Krisper ist überdies verärgert, dass die grüne Justizministerin Alma Zadic nicht durchgreife. Überdies habe Zadic bis jetzt nicht die Lieferung des Einvernahmeprotokolls von Bundeskanzler Sebastian Kurz durch die WKStA geliefert. Und es fehlen noch die Chats von Kurz mit seinem ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Möglicherweise wird man wieder - wie beim Ibiza-Video, das noch vor Weihnachten in voller Pracht beim Ausschuss landen soll - den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) antreten müssen.

Fest steht: Der Ausschuss geht im Jänner 2021 weiter. Puncto Ladungslisten ist man noch nicht sehr weit gekommen. Der Jänner und die erste Februarwoche sind fixiert - vor allem mit Personen, die schon 2020 vorgesehen waren. Für SPÖ und NEOS aber ist klar: Der Bundeskanzler und ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel werden erneut vorgeladen. Und auch der neulich in Deutschland festgenommene mutmaßliche Drahtzieher des Videos, Julian H., soll  in den U-Ausschuss kommen und zu Motiven und Hintermännern aussagen. Krainer süffisant: „Bisher hatten wir ja keine Adresse, um ihn zu laden. Jetzt aber wissen wir, wo er ist. Und in einigen Wochen wird er dann nach Österreich überstellt.“

Erich Vogl, Kronen Zeitung/krone.at

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