Studie aus Innsbruck

Lungenkranke wandten sich im Lockdown an Google

Digital
07.10.2020 09:13

Eine Vorerkrankung der Lunge gilt nach bisheriger klinischer Erfahrung als Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Infektionsverlauf. Trotzdem fanden sich während des Lockdowns kaum Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen unter den hospitalisierten Patienten an der Uniklinik Innsbruck. Ein Team von Lungenspezialisten der Medizinischen Universität Innsbruck hat dieses Phänomen genauer analysiert und dabei via Internet recherchiert.

Zeitgleich mit dem Ausbruch von Covid-19 in Österreich und seinem ersten großen Hotspot in Tirol und dem damit verbundenen Lockdown von 18. März bis 7. April verzeichneten die Ärzte an der Uni-Klinik für Innere Medizin II der Medizinischen Universität Innsbruck einen drastischen Rückgang von Krankenhausaufenthalten aufgrund von COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und Asthma.

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In erster Linie beobachteten wir im Vergleich zu Vorjahren einen markanten Rückgang der Krankenhausaufenthalte aufgrund von klassischen Lungenentzündungen, während die Rate an Covid-19-assoziierten Krankenhausaufenthalten dramatisch angestiegen ist.

Lungenspezialisten Alex Pizzini & Ivan Tancevski

„In erster Linie beobachteten wir im Vergleich zu Vorjahren einen markanten Rückgang der Krankenhausaufenthalte aufgrund von klassischen Lungenentzündungen, während die Rate an Covid-19-assoziierten Krankenhausaufenthalten dramatisch angestiegen ist. Auch die stationären Aufenthalte aufgrund von Influenza waren in diesem Zeitraum stark minimiert“, berichten die Lungenspezialisten Alex Pizzini und Ivan Tancevski.

Viele Patienten suchten Rat im Internet
Gemeinsam mit Sabina Sahanic, Anna Böhm und weiteren Kollegen an der Universitätsklinik Innsbruck stellten Pizzini und Tancevski die Hypothese auf, dass Patienten mit Lungenerkrankungen das Krankenhaus bzw. Arztpraxen während des Lockdowns bewusst mieden und für Informationen zu Risiken, Therapien und akuten Problemen das Internet zu Rate zogen. Um das gesundheitsbezogene Verhalten dieser Personen zu recherchieren, untersuchte das Team mithilfe der Analyse-Applikation Google Trends die Frequenz der globalen Suchanfragen nach Covid-19-Risikofaktoren wie Asthma, COPD, Bluthochdruck oder Diabetes. Die Ergebnisse der Datenanalyse wurden soeben im renommierten „European Respiratory Journal“ veröffentlicht.

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Bei der Abfrage nach den Themen „COPD“ und „Asthma“ beobachteten wir einen signifikanten Anstieg der Abfragen von Ende Februar bis Anfang April 2020 im Vergleich zu den Vorjahren.

Studienautorinnen Sabina Sahanic & Anna Böhm

Um die Analyse nicht zu verzerren, beschränkten sich die Forscher in ihrer Internetsuche hauptsächlich auf Industrienationen, in denen rund 80 Prozent der Bevölkerung das Internet nutzen, sowie auf Länder, in welchen ähnliche Lockdown-Maßnahmen wie in Österreich umgesetzt wurden. „Bei der Abfrage nach den Themen ,COPD‘ und ,Asthma‘ beobachteten wir einen signifikanten Anstieg der Abfragen von Ende Februar bis Anfang April 2020 im Vergleich zu den Vorjahren“, beschreiben Sahanic und Böhm eine zentrale Erkenntnis.

Zwar wurden die Themen „ACE-Hemmer“ und „Bluthochdruck“ bzw. deren Zusammenhang mit schweren Covid-19-Verläufen in den Medien viel häufiger diskutiert als der Risikogehalt von Atemwegserkrankungen, trotzdem ergab die Analyse der Innsbrucker Ärzte für die Begriffe „Asthma“ und Asthma-assoziierte Medikamente das höchste Suchvolumen im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus. „Daraus schließen wir, dass die sozialen Distanzierungs- und Schutzmaßnahmen zusammen mit Selbstmanagement-Empfehlungen im Internet möglicherweise die Krankenhauseintrittsrate bei Patienten und Patienten mit Lungenerkrankungen gesenkt haben“, resümiert das Team um Tancevski.

Pandemie zeigt Stellenwert digitaler Gesundheitsberatung
Von COPD sind weltweit rund 294 Millionen Menschen betroffen, über drei Millionen sterben pro Jahr daran. Etwa 268 Millionen Menschen leiden weltweit an Asthma, was zu einer enormen Belastung des Gesundheitssystems führt. Mit dem Ausbruch der Pandemie hat die Globale Initiative für chronisch obstruktive Lungenerkrankung (GOLD) ihr Hauptaugenmerk auf Empfehlungen zur regelmäßigen Anwendung der „Bronchodilatatoren-Erhaltungstherapie“ (dabei wird der Tonus der Bronchialmuskulatur gesenkt und eine Weitung der Bronchien bewirkt) gerichtet; auch die Richtlinien der Globalen Initiative für Asthma (GINA) weisen 2020 ausdrücklich darauf hin, dass die Inhalationstherapie, insbesondere die Erhaltungstherapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) während der Pandemie nicht unterbrochen werden soll.

„Auch wenn die persönliche Versorgung und Behandlung nicht ersetzt werden können, sollte eine weitere Verbesserung der digitalen Gesundheitsberatung für Patienten mit Asthma und COPD unbedingt forciert werden“, so die Forderung der Innsbrucker Ärzte.

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