„Wien kauft alles“

Versorgungsengpass wegen Ansturm auf Grippeimpfung

Wien
01.10.2020 06:01

Das Coronavirus in Kombination mit Influenza kann schwere Folgen haben. Experten raten daher zur „Spritze gegen Grippe“. Das könnte zu Problemen mit der Versorgung führen. In den Bundesländern brodelt es bereits.

Österreicher sind normalerweise eher Impfmuffel, nur rund acht Prozent lassen sich gegen Influenza impfen. Im vergangenen Jahr wurden etwa 775.000 Impfdosen bestellt und 50.000 davon weggeworfen. „Heuer stehen uns etwa 1,3 Millionen Dosen zur Verfügung“, betont Dr. Gerhard Kobinger von der Österreichischen Apothekerkammer. „Da die Impfstoffe schon im April geordert werden mussten, kann es jetzt vorkommen, dass in manchen Apotheken nicht mehr genügend vorhanden sind. Es wird aber versucht, an weitere Impfungen auf dem Weltmarkt zu kommen.“

(Bild: APA/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul)

Impfung wird allen empfohlen
Prof. Dr. Ursula Kunze, Institut für Public Health, MedUni Wien: „Empfohlen wird die Influenza-Impfung prinzipiell allen, vorrangig jedoch Risikopersonen ab 60 Jahren und Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Herz- und Lungenleiden, aber auch Rauchern. Schwangere sollten sich schützen, da sie oft besonders schwere Verläufe haben, genau wie Kinder. Diese weisen eine sehr hohe Virenlast auf und gelten als Motoren für die Verteilung der Erreger.“

Vorteile durch Nasenspray
Österreichweit gibt es deshalb erstmals eine Gratis-Impfaktion für Kinder von zwei bis 15 Jahren mittels Nasenspray (Jüngere mit gängigem Totimpfstoff). Bei der Sprayimpfung werden die Antigene über die Schleimhaut der Nase aufgenommen.

(Bild: ©Наталья Маяк - stock.adobe.com)

Ohne Nadel-Angst der Kleinen ist auch die Hemmschwelle für Eltern geringer, den Nachwuchs impfen zu lassen. „Weiterer Vorteil: Auf den nasalen Lebendimpfstoff springt die Abwehr besser an und ruft hohe Immunität hervor“, erläutert Apothekerin Dr. Christiane Körner, Präsidentin des Vereins zur Förderung der Impfaufklärung.

Gratis geschützt werden sollen weiters Pflegeheimbewohner über 65. Sie erhalten einen speziellen Impfstoff mit vierfacher Antikörper-Dosis. Für Erwachsene, die nicht in Wien wohnen und an der Impfaktion teilnehmen, wird der Impfstoff etwas kosten. Je nach Bundesland und Krankenkasse gibt es Vergünstigungen.

„Wien kauft alles weg“
In den Bundesländern brodelt es allerdings: Denn die Stadt Wien verursache mit mehr als 400.000 bestellten Grippe-Impfdosen Lieferengpässe. Wie es oft so ist, sagt kaum einer offiziell etwas, doch es reicht die breite Wahrnehmung der Hausärzte und Apotheker und vor allem der Kunden, die sich an Ärzte- und Apothekerkammer wenden.

Bürgermeister Michael Ludwig ruft die Hauptstädter zur Gratisimpfung auf. (Bild: HANS PUNZ/APA/picturedesk.com)
Bürgermeister Michael Ludwig ruft die Hauptstädter zur Gratisimpfung auf.

Impfstoff ist derzeit Mangelware in Bundesländern wie der Steiermark, Niederösterreich, Kärnten, Salzburg, Oberösterreich, Burgenland und Tirol. Offiziell heißt es, es seien genug Dosen bestellt worden, angekommen sind sie aber vielerorts noch nicht.

Das hänge vor allem mit der Wiener Großbestellung von 400.000 Impfdosen zusammen, die gratis ausgegeben werden und Ängste schüren: „Wenn es beim Grippe-Impfstoff so läuft, heißt es dann auch bei einer möglichen Corona-Impfung: ,Wien first?‘“, fragt ein Leser, der vergeblich in Linz Impfstoff kaufen wollte.

Politik beschwichtigt
Kammern und Politik geben sich beschwichtigend bis abwartend: „Die Pharmafirmen kommen mit der Produktion nicht nach. Die Nachfrage ist heuer extrem gestiegen. Die Produktion dauert aber Monate und kann nicht so rasch erweitert werden. Nicht nur wir in Tirol warten, sondern alle Länder“, sagt etwa der Tiroler Apothekerkammer-Präsident Matthias König.

Die offizielle Schätzung: Bis Dezember wird es noch dauern, um die Lieferengpässe zu beheben, wobei die Zeit den Behörden in die Hände spielt: Der Grippe-Höhepunkt ist meist im Jänner und Februar.

K. Rohrer & E. Greil, Kronen Zeitung

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