Angst vor Ansteckung

Verzweifelte Hilferufe aus Tiroler Flüchtlingsheim

Tirol
19.08.2020 12:04

Aufschrei von Bewohnern der Unterkunft Grassmayr in Innsbruck! Es soll keine klare Trennung zwischen infizierten und gesunden Menschen geben. Daher herrscht Angst und Panik, sich mit dem Coronavirus zu infizieren.

Die Schotten im Heim in der Innsbrucker Grassmayrstraße sind - wie berichtet - wegen eines Covid-19-Ausbruchs derzeit dicht. Die rund 160 Bewohner dürfen das Gelände seit Tagen nicht verlassen. „Eine Weiterverbreitung der Pandemie soll dadurch bestmöglich unterbunden werden“, betonte dazu Elmar Rizzoli, Sprecher des Corona-Einsatzstabes des Landes Tirol.

„Sie mussten in denselben Zimmern übernachten“
Doch nun erreichten Hilferufe von Bewohnern dieses Heimes die „Tiroler Krone“ und die Liste Fritz. Diese lassen am sorgfältigen Umgang innerhalb des Hauses zweifeln. „Infizierte und gesunde Bewohner wurden zumindest in den ersten Tagen nach dem Ausbruch nicht voneinander getrennt. Sie mussten in denselben Zimmern übernachten“, berichtet die Lebensgefährtin eines Bewohners, der der Vater des gemeinsamen, zehn Monate alten Sohnes ist.

„Das ist fahrlässig und menschenunwürdig“
Seit Kurzem habe man zwar das Übernachten in gemeinsamen Zimmern unterbunden und alle Bewohner seien auf das Virus getestet worden, doch an der Lage habe sich nichts geändert. „Die Menschen leben nach wie vor alle unter einem Dach und benützen etwa dieselben Sanitäranlagen sowie Gemeinschaftsküchen. All jene, die am Virus erkrankt sind, mischen sich unter die anderen Bewohner. Viele haben Angst, sich anzustecken“, sagt die Frau.

Aus den 22 Infizierten - Stand Freitag - seien mittlerweile rund 60 Infizierte geworden. „Wie kann man gesunde Menschen dort weiterhin einquartieren? Warum erfolgt keine komplette räumliche Trennung zwischen den infizierten und gesunden Bewohnern? Sie befinden sich nicht in einem Gefängnis, jedes einzelne Leben ist lebenswert. Das alles ist grob fahrlässig und menschenunwürdig“, schildert die Lebensgefährtin.

„Die Versorgung ist mangelhaft“
Aber dem noch nicht genug: Auch die Lebensmittelversorgung lasse zu wünschen übrig. „Da keiner das Haus verlassen darf, kann auch keiner Einkäufe tätigen. Daher sind die Bewohner auf die Heimleitung angewiesen. Doch die Versorgung ist mangelhaft, am Wochenende gab es etwa nur einen Laib Brot für drei Bewohner“, sagt die Frau.

Bewohner schreibt: „Wir bitten Sie, uns zu helfen“
Zudem fehle es an Aufklärung durch die Verantwortlichen. „Keiner wird über den aktuellen Stand aufgeklärt. Es werden keine klaren Anweisungen kommuniziert. Keiner der Bewohner wird informiert, jeder wird einfach nur im Ungewissen gelassen“, sagt die Frau.

Jede Schilderung wird von einem weiteren Bewohner bestätigt. „Ich lebe in einem Raum mit einem Patienten. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wir bitten Sie, uns zu helfen“, schreibt der Mann.

„Rasche Isolierung wurde in die Wege geleitet!“
Bislang sind es 26 positive Fälle im Heim Grassmayr. „Weitere Personen gelten als enge Kontaktpersonen und werden ebenfalls isoliert", sagt TSD-Geschäftsführer Johann Aigner. Dass anfänglich keine Trennung zwischen infizierten und gesunden Bewohnern erfolgt sei, sei laut Aigner nicht wahr: „Nach dem Vorliegen der Ergebnisse wurde eine sofortige Isolierung umgesetzt. Gelten asymptomatische Personen als enge Kontaktpersonen, werden auch diese isoliert. Sie können den gesunden Bewohnern nicht über den Weg laufen.“ Der Isolierbereich verfüge über eigene Sanitäranlagen, eine separate Küche und Waschmaschinen.

Mit Mehrfachtestungen sollen mögliche Infektionen schnellstmöglich erkannt und weitere Erkrankungen verhindert werden. Damit möchte man den Heimbewohnern die bestmögliche Sicherheit geben. „Die Versorgung der Bewohner hat oberste Priorität und wurde stets gewährleistet. Grundnahrungsmittel wurden verteilt, alle Klienten werden laufend mit Lebensmitteln ausgestattet“, versichert Aigner.

„Alle sind sehr bemüht“
Auch die angeblich mangelhafte Kommunikation weist er zurück: „Seitens der Heimleitung und der Betreuer ist man bemüht, die Bewohner bestmöglich aufzuklären. Viele Bewohner fühlen sich gesund und gelten dennoch als enge Kontaktpersonen, weshalb sie das Gelände nicht verlassen dürfen. Das ist für viele unverständlich, Aufklärung spielt hier deshalb eine wesentliche Rolle.“

Die Maßnahmen werden zwischen den TSD, der Gesundheitsbehörde der Stadt Innsbruck und dem Corona-Einsatzstab abgestimmt. Alle Mitarbeiter seien mit Schutzausrüstung ausgestattet worden.

„Wir haben vor einem solchen Fall gewarnt“
„Ich bin negativ überrascht, wie sehr die Virusfälle die TSD auf dem falschen Fuß erwischen. Wir haben vor einem solchen Fall gewarnt. Wie immer haben die TSD und die Landesregierung erklärt, alles im Griff zu haben“, ärgert sich Landtagsabgeordneter Markus Sint (Liste Fritz).

Es sei unverständlich, warum innerhalb des Heimes nicht rasch eine Trennung von Kranken und Gesunden erfolgt sei. „Wenn mehrere Hundert Asylheimplätze in Tirol frei sind, ist doch eine sofortige Verlegung der gesunden Bewohner dorthin sinnvoll und vor allem auch machbar“, betont Sint. Das Schlimmste aber sei die mangelhafte Information gegenüber den Bewohnern: „So blühen Gerüchte, die für noch mehr Angst sorgen. Wir wollen Bewohner und Mitarbeiter schützen.“

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