Nach Weißrussland-Wahl

3000 Festnahmen, Dutzende Verletzte und ein Toter

Ausland
10.08.2020 12:41

Nach der Skandal-Wahl in Weißrussland gehen Polizei und Armee mit zunehmender Härte gegen die Bevölkerung vor. Rund 3000 Festnahmen gab es laut offiziellen Angaben, dazu rund 100 Verletzte auf beiden Seiten. Menschenrechtsaktivisten meldeten zudem den ersten Todesfall: Ein junger Mann sei von einem Polizeiauto angefahren worden und habe eine schwere Kopfverletzung erlitten, teilte die Menschenrechtsorganisation Viasna am Montag mit. Sanitäter hätten sein Leben nicht mehr retten können.

Das zuständige Ministerium leugnete am Montag den Todesfall und sprach von Falschmeldungen. In den sozialen Netzwerken kursierten allerdings Bilder von einem leblosen Körper eines jungen Mannes bei den Protesten in Minsk.

Proteste gegen „Europas letzten Diktator“
Die Proteste gegen Wahlfälschungen nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend waren die schwersten, die die frühere Sowjetrepublik je gesehen hat. Die Wahlleitung rief den seit mehr als 26 Jahren regierenden Alexander Lukaschenko inzwischen für eine sechste Amtszeit als Sieger aus. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja erkennt das Ergebnis nicht an. Die Opposition bekräftigte Pläne, weiter gegen „Europas letzten Diktator“ zu protestieren.

„Ich betrachte mich als Gewinnerin dieser Wahl“
Tichanowskaja rief den langjährigen Amtsinhaber Lukaschenko zum Rückzug auf und erklärte sich selbst zur Wahlsiegerin. Die Regierung müsse darüber nachdenken, „wie sie die Macht friedlich an uns übergeben kann“, sagte sie am Montag in Minsk. „Ich betrachte mich selbst als die Gewinnerin dieser Wahl.“

„Gestern haben die Wähler ihre Wahl getroffen, aber die Behörden haben uns nicht gehört“, sagte Tichanowskaja. „Sie haben mit dem Volk gebrochen.“ Die Frau des Bloggers Sergej Tichanowski, der selbst inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen worden war, kritisierte auch das harte Vorgehen gegen Demonstranten und sprach von „unverhältnismäßigen Maßnahmen“ der Polizei.

„Wir haben gesehen, dass die Behörden versuchen, mit Gewalt an ihrer Position festzuhalten“, sagte die 37-Jährige. „So sehr wir die Behörden auch gebeten haben, sich nicht gegen das eigene Volk zu wenden - sie haben nicht auf uns gehört.“

International heftige Kritik
International hagelte es bereits heftige Kritik an Lukaschenkos Machtrausch und der ausufernden Gewalt. Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins bezweifelte offen das bekannt gegebenen Ergebnis der Präsidentenwahl im benachbarten Weißrussland. Die aktuellen Ereignisse zeugten davon, dass sich darin nicht die öffentliche Meinung widerspiegele, schrieb der Ministerpräsident des baltischen EU-Landes am Montag auf Twitter.

„Die zahlreichen Berichte über systematische Unregelmäßigkeiten und Wahlrechtsverletzungen sind glaubhaft“, sagte Steffen Seibert, Sprecher der deutschen Bundesregierung, am Montag in Berlin. Die Wahlen hätten nicht den demokratischen Mindeststandards entsprochen.

Kritik aus Österreich
Österreichs Grüne kritisieren die „Staatsgewalt“ nach der Präsidentschaftswahl in Weißrussland. „Ich verurteile die brutale Gewalt gegen friedliche Menschen, die für ihre politischen und bürgerlichen Rechte eintreten, auf das Allerschärfste“, betonte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, am Montag.

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Bei seinem letzten Besuch in Wien rühmte sich der weißrussische Präsident noch der "demokratischen" Zustände seines Landes. Das ist mehr als unglaubwürdig, verweigert er sich einem ehrlichen Votum der Bevölkerung und lässt diejenigen niederknüppeln, die dagegen protestieren.

Ewa Ernst-Dziedzic, Vizeklubchefin der Wiener Grünen

Gratulationen gab es übrigens auch an Lukaschenko - allerdings von Staatschefs, die es mit Menschenrechten ebenfalls nicht so genau nehmen: Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping.

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