Student hatte Covid-19

Emre (24): „Mir fehlte die Luft zum Atmen“

Coronavirus
02.08.2020 06:00

Auch bei jungen Menschen kann eine Infektion mit Covid-19 schlimme Folgen haben. Wie bei Emre, einem 24-jährigen Studenten aus Wien. „Wochenlang“, erzählt er, „war ich schwer krank.“ Und er appelliert an Gleichaltrige: „Nehmt das Virus ernst.“ 

Der junge Mann, der jetzt in einem Kaffeehaus in Wien-Leopoldstadt sitzt und Mineralwasser trinkt, wirkt sympathisch - und sehr ernst. „Aber es ist ja auch ein ernstes Thema, über das wir uns unterhalten“, sagt er. Er - Emre. 24 Jahre alt, Publizistik-Student, „nebenbei arbeite ich für ein Restaurant als Social-Media-Manager. Und nein“, betont er gleich, „ich bin kein Party-Typ.“

„Ich habe Angst, mich noch mal anzustecken“
In seiner Freizeit beschäftige er sich viel mit Musik und darstellender Kunst, „ich gehe oft in Ausstellungen“, doch freilich, „ich treffe mich auch gerne mit Freunden in Lokalen, um mit ihnen Bier zu trinken und zu plaudern.“

Zuerst Angina, dann Schüttelfrost und Atemnot
In geschlossenen Räumen tue er das mittlerweile nicht mehr: „Weil ich einfach Angst davor habe, mich noch mal anzustecken, mit Corona.“ Emre, er war ein Covid-19-Patient, „am Beginn der Pandemie, als über die Krankheit erst wenig bekannt gewesen ist.“ Seine Geschichte dazu? „Mitte März hatte ich eine starke Angina, ich musste also zu meinem Hausarzt, der mir Antibiotika verschrieb.“ Die Symptome der Halsentzündung besserten sich daraufhin schnell, „und als ich schon dachte, ich würde bald wieder ganz gesund sein, bekam ich plötzlich einen argen Schüttelfrost - und in der Folge begann ich an schrecklicher Atemnot zu leiden.“ 

„Es war, als würde mein Brustkorb zugedrückt“
Der Wiener rief deshalb bei der Corona-Hotline an, „relativ rasch“ - am 20. März - „kamen dann zwei Mitarbeiter des Roten Kreuzes zu mir und nahmen mir einen Nasen-Abstrich ab.“ Vier Tage später erfuhr er - telefonisch - das Ergebnis des Tests: „Ich war positiv.“ Zudem wurde ihm mitgeteilt, er habe zwei Wochen in Heimquarantäne zu bleiben. „Ich lebe mit meiner Mutter zusammen, ich ersuchte darum, bei ihr ebenfalls einen Covid-19-Check zu machen. Doch das wurde abgelehnt. Wir beide sollten darauf achten, uns nicht zu nahe zu kommen, hieß es bloß, und dass meine Mama - genauso wie ich - vorerst unser Zuhause nicht verlassen dürfe.“ „Es war, als würde mein Brustkorb zugedrückt“ Mutter und Sohn hielten sich an die Vorgaben.

Die Frau arbeitete im Home-Office, im Wohnzimmer. „Ich blieb in meinem Raum und wenn ich zur Toilette oder ins Bad oder in die Küche ging, um Essen zu holen, achteten wir beide penibelst darauf, uns nicht zu begegnen.“ Emre, wie verlief die Krankheit bei Ihnen weiter? „Das Gefühl, kaum Luft zu bekommen, war dauernd da. Ich hatte ununterbrochen den Drang, zu gähnen. Besonders schlimm ist alles in der Nacht gewesen, wenn ich in meinem Bett lag - da glaubte ich, irgendwer würde auf meinem Brustkorb sitzen und ich müsste gleich ersticken.“ Als sich nach zwei Wochen der Zustand des Studenten nicht gebessert hatte, rief er abermals bei der Corona-Hotline an: „Weitere zwei Wochen Quarantäne wurden über meine Mutter und mich verhängt.“

Insgesamt fünf Wochen in Quarantäne
Und sonst? „Ich bekam den Hinweis, ausreichend Vitamine zu mir zu nehmen und viel Wasser zu trinken.“ Die Verordnungen halfen wenig: „Ich tat mich trotzdem schwer, feste Nahrung zu mir zu nehmen, ich blieb kraftlos - und röchelte nach Sauerstoff.“ In Woche 5 die dringende Bitte um einen zweiten Test: „Denn ohne negativem Befund wollte mich kein Arzt zu sich lassen und untersuchen.“ Schließlich ein zweiter Abstrich: „Am 6. Mai - an meinem 24. Geburtstag - erfuhr ich das Resultat: Das Virus war nicht mehr in meinem Körper.“ Dennoch, die Atemprobleme vergingen nur langsam: „Ich ließ ein Röntgen machen, ein Pulmologe sah es sich an; er meinte, meine Lunge wäre okay. Ich hoffe, dass das so bleibt.Sicher darf ich mir dessen nicht sein. Während ich krank gewesen bin, habe ich im Internet nämlich viel über das Virus gelesen, und ich weiß daher, dass es arge Spätfolgen haben kann, auch bei jungen Menschen.“

Vermutlich in Arztpraxis infiziert
Anfang Herbst will sich Emre deshalb umfangreichen internistischen und neurologischen Durchchecks unterziehen, „obwohl es mir mittlerweilewieder gut geht“. Wo, bei wem, hat er sich im vergangenen März mit Covid-19 infiziert? „In der Woche vor meiner Diagnose bin ich an einem Abend mit vier Freunden unterwegs gewesen, natürlich hatte ich sie, nachdem ich positiv getestet worden war, sofort informiert. Aber sie alle bekamen - zum Glück - nie irgendwelche Symptome.“ Emres Vermutung: „Ich dürfte mich in der Praxis des Arztes, der mich wegen meiner Angina behandelt hat, angesteckt haben. Ich teilte ihm diesen Verdacht natürlich gleich nach meiner Positiv-Testung mit. Wie er mit der Information umgegangen ist, weiß ich nicht.“ 

„Ich trage sehr oft einen Mund-Nasen-Schutz“
Wie lebt der Student jetzt? „Ich bin extrem vorsichtig geworden, trage oft - auch an Orten, wo es nicht vorgeschrieben ist - einen Mund-Nasen-Schutz. Ich verabrede mich mit meiner Clique ausschließlich in Wirtshäusern, die Gastgärten haben. Ich meide Menschenansammlungen. Und ich ärgere mich extrem über Leute, die - zum Beispiel in der U-Bahn oder im Supermarkt - Regeln missachten und ihre Masken schleißig tragen. Weil sie damit andere massiv gefährden.“

Appell an Gleichaltrige
Die Botschaft des 24-Jährigen an Gleichaltrige: „Nehmt Corona ernst. Damit ist nicht zu spaßen. Denn ich habe erfahren, wie entsetzlich es sein kann, mit dem Virus infiziert zu sein.“

Zahlreiche Studien aus dem In- und Ausland - und letztlich auch der Corona-Cluster am Wolfgangsee - belegen mittlerweile, dass sich laufend mehr junge Menschen mit dem Virus infizieren. Der Grund: Sie halten oft Abstandsregeln nicht ein, weil sie denken, die Krankheit könne bei ihnen keine argen Auswirkungen haben. Ein Irrtum, wie Ärzte wissen. Bereits im Juni sagte Christian Brenneis, medizinischer Leiter des Tiroler Reha-Zentrums Münster, in einem „Krone“-Interview: „Die Annahme, Corona treffe ,bloß‘ ältere Personen mit Vorleiden hart, ist falsch. Niemand darf sich davor sicher fühlen.“ Denn seine Erfahrungen mit einstigen Covid-19-Patienten zeigen: „Viele der Betroffenen sind jung und waren vor der Ansteckung nachweislich in bestem körperlichem Zustand.“ Trotzdem: Nicht wenige von ihnen mussten - teils über Wochen - in Spitälern behandelt werden. Und haben „durch den Feind, von dem wir erst so wenig wissen“, schlimme gesundheitliche Schäden davongetragen.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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