Zwei Teenager tot

Ein Highschool-Blutbad zum 16. Geburtstag

Ausland
15.11.2019 10:09

Er wurde von seinen Klassenkameraden und von Nachbarn als ruhig und scheu bezeichnet. Niemand ahnte, was Nathaniel Berhow zu seinem 16. Geburtstag Bösartiges für seine Mitschüler geplant hatte: einen Amoklauf. Zwei seiner Mitschüler starben, er selbst befindet sich im kritischen Zustand im Krankenhaus. Er soll hirntot sein und nur noch künstlich am Leben gehalten werden.

Um 7.38 Uhr am Donnerstag war Berhow mit Jeans, schwarzem T-Shirt und schwarzem Basecap seelenruhig in den Pausenhof der Saugus High School in Santa Clarita im US-Bundesstaat Kalifornien marschiert. Die Überwachungskamera der Schule zeichnete auf, wie der Elftklässler dann einen Revolver aus seinem Rucksack zog und insgesamt sechs Mal schoss. Die Kugeln trafen eine 16-Jährige und einen 14-Jährigen tödlich. Zwei weitere Mitschülerinnen im Alter von 14 und 15 Jahren sowie ein 14-jähriger Mitschüler wurden verletzt.

Schützen zunächst für eines der Opfer gehalten
Die letzte Kugel hatte Berhow für sich aufgehoben. Er setzte sich den Lauf an die Schläfe und drückte ab. Die Polizei, die nur zwei Minuten später auf den Schulhof eintraf, glaubte zuerst, dass Berhow eines der Opfer sei. Er wurde schwer verletzt mit den anderen fünf Verletzten in die umliegenden Krankenhäuser gebracht.

Die Cops durchkämmten die Gegend, in dem Glauben, dass der Schütze noch frei herumlief. Gesucht wurde nach einem „asiatisch-stämmigen Teenager in dunkler Kleidung“. Die Nachbarschaft wurde im Umkreis von einem Kilometer von Spezialeinheiten der Polizei abgeriegelt. Die Bewohner wurden aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben und die Gegend zu meiden.

„Haben alles, was nicht niet- und nagelfest war, vor die Tür getürmt“
Ein Schüler namens Sean verriet dem Radiosender KNX1070, dass er sich mit ein paar Mitspielern seines Footballteams und einem Coach in einem kleinen Klassenzimmer verschanzt hatte: „Wir haben alles, was nicht niet- und nagelfest war, vor die Tür getürmt. Dann haben wir uns in einen Kreis gestellt, uns an den Händen gefasst und gebetet. Einige haben ihren Eltern eine SMS geschrieben, doch wir mussten ganz still sein.“ 

Elizabeth S. geriet in Panik, als sie auf dem Weg ins Büro einen Text von ihrer Tochter Sarah bekam: „Sie schrieb: ‚Mama, ich habe solche Angst. Ich liebe dich so sehr. Bitte komm, bitte komm!‘ Ihre Worte waren wie Stiche ins Herz.“ Fast zwei Stunden musste die verzweifelte Mutter auf das nächsten Lebenzeichen von Sarah warten.

„Wir wussten nicht, ob wir es lebendig nach Hause schaffen“
Shauna Orandi wartete auf den Unterrichtsbeginn ihrer Spanisch-Klasse, als sie die Schüsse hörte: „Ich wusste sofort, dass mein schlimmster Albtraum wahr geworden ist. Ich habe zu mir gesagt: ‚Das war’s. Ich werde sterben.‘“ Ihre anderen Mitschüler wollten sich ihrem Schicksal nicht kampflos hingeben. Megan Puettmann postete sogar ein Bild auf Twitter, das zeigt, wie sie und ihre Klassenkameraden Tische, Stühle und Kisten vor die Klassenzimmertür geschoben hatten: „Es war so schlimm, weil wir nicht wussten, ob wir es lebendig nach Hause schaffen.“

„In echt fühlt sich das noch ganz anders an“
Andrei Mojica (17) hatte sich mit 30 anderen Schülern und seinem Gemeinschaftskunde-Lehrer im Klassenzimmer verschanzt: „Wir haben so etwas schon in der Vergangenheit geübt. Doch in echt fühlt sich das noch ganz anders an. Wir wussten nicht, ob der Schütze bereits bei uns vor der Tür stand. Wir haben uns mucksmäuschenstill verhalten und hielten einen Feuerlöscher als Verteidigung bereit, falls er durch die Tür brechen sollte. Ein paar andere haben Scheren in den Händen gehabt.“

Die panischen Schüler mussten in den Klassenräumen fast eineinhalb Stunden ausharren, bis die Entwarnung der Polizei von Santa Clarita per Twitter kam: „Schütze in Gewahrsam.“ Denn erst nach Sichtung der Aufnahmen der Überwachungskamera realisierten die Behörden, dass eines der Opfer der Killer gewesen war.

„Sein Vater hat getrunken und Munition in der Garage hergestellt“
Ryan McCracken, ein Kindheitsfreund des Schützen, glaubt, dass der Tod des Vaters von Berhow vor knapp zwei Jahren seinen Sohn zu der Bluttat getrieben haben könnte. Dem TV-Sender KTLA verriet McCracken: „Nathaniel hat nie viel gesprochen oder wirklich Freunde gehabt. Sein Vater hat viel getrunken und hat eigene Munition in der Garage zu Hause hergestellt. Der Vater war aber ein sehr netter Mann, der immer hilfsbereit war.“ Ryan hatte keine Ahnung, was Berhow geplant hatte: „Wir haben schon seit Jahren nicht mehr miteinander geredet. Ich wünschte, ich hätte gewusst, was er durchgemacht hat.
Ich hätte mit ihm darüber reden können.“

„Er hatte eine Freundin und war bei den Pfadfindern aktiv“
Brooke Risley hatte den Schützen bereits seit der Grundschule gekannt und saß in der Technik-und-Maschinenbau-Klasse neben ihm: „Wir haben im letzten Schuljahr auch zusammen Projekte gemacht und er kam zu mir nach Hause. Es gab keine Anzeichen, dass er gewalttätig sein könnte - außer vielleicht, dass er eine Patronenhülse am Schüsselanhänger getragen hat.“ Die 16-Jährige beschrieb Berhow als introvertiert und klug: „Er war mit seinen engen Freunden sehr offen und niemand hat ihn gehänselt. Er hatte auch eine Freundin und war bei den Pfadfindern aktiv.“

„Tod seines Vaters hat ihn und seine Schwester aus der Bahn geworfen“
Nachbar Jared Axen in der „Los Angeles Times“: „Nate war ein ruhiger, netter Junge. Wir haben manchmal zusammen Schach gespielt und ich habe ihm in der Mittelschule beigebracht, mit der Luftpistole zu schießen.“ Axen hatte das letzte Mal vor zwei Wochen mit dem Teenager gesprochen: „Er hat mir von seinen College-Plänen erzählt. Seit dem Tod seines Vaters war er noch weniger gesprächig als vorher. Es hat ihn und seine ältere Schwester Samantha sehr aus der Bahn geworfen.“

Festnahme wegen des Verdachts auf häusliche Gewalt
Laut der Todesanzeige aus dem Dezember 2017 war Vater Mark Berhow im Alter von 55 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben. Er hatte 33 Jahre als Versicherungsvertreter für eine Krankenkasse gearbeitet und „war ein großer Anhänger der Elch-Jagd und des Angelns“.

Laut Online-Strafregister des Los Angeles County Sheriff’s Department war Berhow Senior im Juni 2015 wegen des Verdachts von häuslicher Gewalt gegen seine Frau verhaftet worden. Die Anklage wurde dann aber aus Mangel an Beweisen von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen. Im August 2016 hatte seine Ehefrau laut Gerichtsakten die Scheidung eingereicht und das alleinige Sorgerecht für ihre beiden Kinder beantragt.

„Das Magazin war leer, er hat alle Kugeln verschossen“
Laut einem Polizeiinsider hatte Mark Berhow mehrere Gewehre und andere Waffen besessen. Ob die Tatwaffe, eine halb automatische Pistole vom Kaliber .45, aus dem Nachlass des Vaters stammt, konnte Polizeichef Alex Villanueva am Donnerstagabend noch nicht beantworten: „Wir überprüfen die Herkunft noch. Wir wissen nur, dass das Magazin leer war, er hatte alle Kugeln verschossen.“ Zu seinem Motiv gebe es noch keine Anhaltspunkte. Die Polizei verhörte Berhows Mutter sowie seine Freundin bis spät in die Nacht.

Wirbel um „Habt Spaß morgen in der Schule“-Nachricht
Verwirrung gibt es auch um eine Instagram-Nachricht, die laut einem Behördensprecher am Vortag von Berhow verfasst worden sein soll. Sie lautete: „Saugus, habt Spaß morgen in der Schule.“ Doch ein Sprecher von Instagram erklärte der Internetseite BuzzFeed News, dass das Konto „nibba_leader" nicht dem Schützen gehört habe und inzwischen gelöscht worden sei.

Nathaniel befindet sich im kritischen Zustand im Krankenhaus. Laut dem TV-Sender NBC4 in Berufung auf Krankenhaus-Insider soll er hirntot sein und nur noch künstlich am Leben gehalten werden. 

Dierk Sindermann aus den USA/krone.at

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