Doch Leistungsschau

Das Bundesheer – zum Abschuss freigegeben

Österreich
29.06.2019 06:00

Am Freitag trafen sich der Finanz- und der Verteidigungsminister. Was an einem Gespräch zwischen zwei Regierungskollegen so besonders ist? Es ging darum, ob es eine Leistungsschau am Nationalfeiertag gibt. Oder ob das Bundesheer pleite ist. Stattfinden wird die Schau jedenfalls auch in diesem Jahr - darauf einigten sich Finanzminister Eduard Müller und Verteidigungsminister Thomas Starlinger noch vor dem Wochenende.

Natürlich handelt es sich um ein Symbolthema. Österreich ist nicht mehr oder weniger sicher, wenn am 26. Oktober auf dem Wiener Heldenplatz Panzer und Hubschrauber stehen oder die Garde als Publikumsshow exerziert. Auch finanziell sind die rund zwei Millionen Veranstaltungskosten im Vergleich zu 380 Millionen für besagte Hubschrauber mehr Show als das Hauptproblem im Geldbörserl der heimischen Armee.

Sicherheit ist eine Gefühlslage
Doch Sicherheit ist eine Gefühlslage. Ob man sich in einem Tunnel sicher fühlt oder ein bisschen mulmig, hat schließlich auch nur zu einem geringen Teil mit Verkehrstechnik zu tun. Das Herzeigen der Soldaten und ihrer Waffen soll das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erhöhen. Ob das bisher wirklich geklappt hat, lässt sich kaum beweisen. Die patscherte Debatte, wie finanziell am Ende unsere Landesverteidiger sind, bewirkt aber auf jeden Fall das Gegenteil.

„Die paar Millionen werden wir uns leisten können!“, das ist natürlich budgetpolitisch riskant. Sagt das die Regierung immer und bei jeder relativen Kleinigkeit, so lassen sich alle Geldausgaben rechtfertigen, und am Ende sind keine Euros übrig. Nur steht der Nationalfeiertag nicht bloß für das Herzeigen von Panzern & Co. An diesem Tag wurde das Bundesgesetz über die österreichische Neutralität beschlossen.

Bei älteren Menschen steht das für weit über ein halbes Jahrhundert Frieden in Österreich. Das Bundesheer gilt als jene Institution, die uns vor fremden Truppen und Neutralitätsverletzungen beschützt hat. Wobei man streiten kann, ob wir nach dem Ungarnaufstand 1956 oder beim Prager Frühling 1968 nicht einfach verdammtes Glück brauchten. Wäre hinter den damaligen Flüchtlingen die Sowjetarmee über die Grenzflüsse gekommen, hätte unsere Verteidigung sehr schwach bis aussichtslos dagestanden.

Doch bei der Neutralität fängt die Diskussion seitens der Politiker an, voller Doppelmoral zu sein und unehrlich zu werden. Um festzustellen, wie viel Geld das Bundesheer benötigt, müssen klarerweise seine Aufgaben klar sein. Das geht nicht ohne Klärung der Frage, ob wir heutzutage neutral sind und sein sollen. Die EU-Mitgliedschaft hat nämlich die österreichische Neutralität verändert.

Österreich zur Teilnahme an Friedensmissionen verpflichtet
Österreich hat als vertragliche Verpflichtung ohne Vorbehalt an Friedensmissionen aller Art - das sind die „Petersberg-Aufgaben“, wozu auch Kampfeinsätze nach Autorisierung des UN-Sicherheitsrats zählen - teilzunehmen. Was kostet. Umgekehrt haben wir eine Trittbrettfahrerfunktion. Andere EU-Staaten müssten Österreich bei einem Angriff militärischen Beistand leisten, wir ihnen nicht. Will man das ändern oder spricht über eine EU-Armee - welche uns ja vielleicht besser schützen kann -, braucht es noch mehr Geld.

Weil jedoch bis zu drei Viertel der Österreicher an eine Neutralität wie vor 50 Jahren glauben wollen, erklärt das außer den NEOS keine wahlkämpfende Partei, um Für und Wider in der Folge sachlich zu diskutieren. Vielmehr wird das Bundesheer indirekt ein Opfer der gegenseitigen Angriffe im Parteigezänk. Von Sachargumenten, ob und wie viel mehr Budget das Heer braucht, ist da fast keine Spur.

Stattdessen beschimpfen sich ÖVP, SPÖ und FPÖ reflexartig gegenseitig, dass der jeweils andere schuld daran sei, dass unseren Soldaten das Geld für eine anständige Ausrichtung und Gerät fehlt. Hallo, diese drei Parteien stellten allesamt einmal den zuständigen Minister. War dieser in den Budgetverhandlungen für das Heer stets eine ziemliche Pflaume?

Geringe Glaubwürdigkeit aller früheren Regierungsparteien
Was übrig bleiben wird, das ist bei diesem Thema eine geringe Glaubwürdigkeit aller drei früheren Regierungsparteien. Weil genauso der Verteidigungsminister einen komischen Zickzackkurs von öffentlichen Pleiteankündigungen und Interviewabsagen fährt, entsteht das Gesamtbild, wir hätten eine halbmarode Truppe. Na super. Das ist nicht als Wertung gemeint, ob es nun mehr Budget für Landesverteidigung geben soll oder nicht. Sondern als Appell für eine Versachlichung der Debatte.

Dazu gehört, was schon gar keine Partei sagt: Der Anteil des Heeresbudgets am Bruttoinlandsprodukts - der gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs - beträgt kaum noch über 0,5 Prozent. Vor Jahrzehnten waren es 1,2 Prozent, also ist eine Erhöhung gut argumentierbar.

Freilich wird es keine wunderbare Geldvermehrung im Staatsbudget geben. Wer nun „Hurra, das Geld für‘s Heer beschließen wir!“ schreit, müsste genauso sagen, wo sonst, von Bildung bis Gesundheit, er für Einsparungen ist. Was im Wahlkampf keiner macht.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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