Talk mit Katia Wagner

„Facebook verdient an Hasstätern eine Menge“

Österreich
20.03.2019 19:00

Zwei abscheuliche Anschläge haben in den vergangenen Tagen die Welt schockiert - und sie könnten kaum unterschiedlicher sein. In Neuseeland massakrierte ein Rechtsextremist Dutzende Muslime in zwei Moscheen, in den Niederlanden erschoss ein mutmaßlicher Islamist in einer Straßenbahn drei Menschen. Neben den politischen Konsequenzen ist einmal mehr die Rolle der Medien ins Gerede gekommen. Der Christchurch-Anschlag wurde beispielsweise live auf Facebook gestreamt - was tun mit derart verstörendem Material? Und wie viel Platz soll man der abartigen Gedankenwelt der Extremisten einräumen? Darüber diskutierte am Mittwoch eine hochkarätige Expertenrunde im „Krone“-Talk bei Katia Wagner. Alle Highlights sehen Sie oben im Video. Die komplette Sendung finden Sie hier!

„Medien haben den Fehler gemacht, sich selbst zum Instrument des Terrorismus zu machen“, meint Puls-4-Infochefin Corinna Milborn in Hinblick auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Organisation habe „perfekte Propaganda“ betrieben. „Medien berichten dann darüber und verwenden dann dieses Material“, gibt sie zu bedenken. In ihrem Medienhaus habe man daher einen genauen Katalog aufgestellt, was gezeigt werden dürfe und was nicht, um nicht Terrorarbeit zu verrichten.

Milborn: „Die spielen Pingpong miteinander“
Doch gerade Internetplattformen hätten keine so strengen Grundsätze. „Facebook verdient an Hasstätern eine Menge“, ist sie überzeugt. Das Bedenkliche sei, dass das Medium dies verhindern könne, so wie es auch Nacktbilder streng zensuriert. „Bei Extremisten machen sie das nicht“, ärgert sich die Infochefin. „So wird ein Nährboden für Terroristen geschaffen“, so Milborn, die fordert, dass sich Facebook und Google an das Medienrecht halten. Sie kann auch eine Teufelsspirale, die durch Links- und Rechtsextremismus entsteht, erkennen. „Die spielen Pingpong miteinander und machen sich damit größer.“

Da im Fall von Christchurch Verbindungen auch nach Österreich entdeckt wurden, sieht Jörg Leichtfried, stellvertretender SPÖ-Klubchef, den heimischen Innenminister gefordert: „Zu islamistischem Terror hört man eh genug, jetzt wird es Zeit, rechtsextremen Terror zu beleuchten.“ Politik habe einen großen Einfluss darauf, wie anfällig eine Gesellschaft für solche Phänomene sei. Der SPÖ-Politiker äußerte Bedenken, dass die Regierung die Menschen im Land zu spalten versuche: „In jene, denen es gut geht, und jene, denen es weniger gut geht.“ Aus dieser Spaltung könnten dann extreme Politikformen entstehen, was schließlich zu Radikalisierung und zu Terrorismus führen könne.

Leichtfried: „Internetgiganten sind im rechtsfreien Raum unterwegs“
Ein Problem sieht er ebenfalls bei Google und Co.: „Diese großen Internetgiganten sind im rechtsfreien Raum unterwegs“, so Leichtfried. Die Politik sei derzeit nicht in der Lage, hier Grenzen zu setzen. Das sei ein Thema, das auf EU-Ebene gelöst werden müsse. Er rief Politiker auf, auf mehr Sachlichkeit zu setzen. „Medien berichten nur das, was die Politik transportiert.“

Stockhammer: „Zwei Fälle in Österreich als Terror einstufen“
Für den Terrorexperten Nicolas Stockhammer ist Österreich nicht vor Anschlägen gefeit. „Es gibt eine Bedrohungslage, zwei aktuelle Fälle würde ich als Terror einstufen.“ Dazu zählten die Amokfahrt in Graz und der Doppelmord eines Gemüsehändlers an einem Ehepaar in Linz.

 „Man muss verhindern, dass ein Kult entsteht“
„Beim Terrorismus geht es nicht darum, so viele Menschen wie möglich zu töten, sondern darum, dass besonders viele dabei zusehen“, so Stockhammer - das habe man gut im Fall von Christchurch gesehen. Er sieht vor allem den Rechtsextremismus im Vormarsch. Das sehe man am Beispiel des NSU, des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, in Deutschland: „Hier ist aus einer kleinen Zelle eine große Bewegung entstanden.“ Medien sollten genau darauf achten, welche Inhalte sie verbreiten: „Man kann bewusst vermeiden, den Namen des Täters zu vermelden, man kann sein Bild verpixeln, das alles macht Sinn. Man muss verhindern, dass ein Kult entsteht.“

Nowak: „Breivik konnte sich viel zu stark inszenieren“
„Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak denkt, dass die Terrorgefahr in Österreich gesunken sei, weil sich beispielsweise die Zusammenarbeit der Behörden verbessert habe. „Ich denke schon, dass das unter Kontrolle und Beobachtung ist.“ Er gibt allerdings zu bedenken: „Wir haben schon Terror gehabt in Österreich und ich glaube, das könnte wieder passieren.“ Nachahmer seien ein großes Problem, spielt er auf den Anschlag von Anders Behring Breivik in Norwegen an. „Breivik konnte sich viel zu stark inszenieren“, reflektiert der Journalist kritisch über die Berichterstattung zu dieser Zeit.

Auch er sieht soziale Medien als Brandbeschleuniger von Terror, wie man am Video des Christchurch-Attentäters sehe: „Erst durch das Teilen ist es viral geworden.“ Dass Facebook lange brauchte, um dies zu unterbinden, zeige, „wie ineffektiv diese Plattformen sind“.

Diskutieren Sie mit!
„Brennpunkt“ - der Talk mit Katia Wagner, jeden Mittwoch ab 19 Uhr auf krone.at. Über #brennpunkt können Sie auf Twitter oder hier im Leserforum mitdiskutieren. Sämtliche Ausgaben unseres Talk-Formats zum Nachsehen sowie Highlight-Videos finden Sie unter krone.at/brennpunkt.

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