Kolumne Im Gespräch

Die Macht der Worte: Giftpfeil oder Balsam

Leben
05.08.2018 06:00

„Was man sagt, ist man selber“, schmettert eine Sechsjährige einer anderen entgegen. Im Vorübergehen schnappe ich das auf und muss schmunzeln. Ich habe diesen Satz als Kind auch oft verwendet, wenn ich von einem anderen Kind etwas geheißen wurde. Der Schimpfwort-Angriff wird abgewehrt, indem die Botschaft zurückgespielt wird an den Absender.

Worte sind machtvoll. „Wer unvorsichtig herausfährt mit Worten, sticht wie ein Schwert; aber die Zunge der Weisen bringt Heilung“, heißt es in der Bibel, im Buch Sprüche. Worte können trösten oder tief verletzen. Wenn uns ein verbaler Giftpfeil mitten ins Herz trifft, spüren wir den Schmerz mitunter tage- oder gar jahrelang. Ein lobendes oder liebevolles Wort ist Balsam auf unserer Seele. Immer wieder machen wir im Alltag die Erfahrung, dass uns Worte in unserem Innersten berühren. Dabei bekommen wir gar nicht immer mit, wie sehr.

Wortwahl beeinflusst die Deutung
Worte beeinflussen tagtäglich, was wir wahrnehmen, wie wir denken und handeln. Wenn auf einem Joghurtbecher „95 Prozent fettfrei“ steht, greift eine ernährungsbewusste Einkäuferin eher danach, als wenn „5 Prozent Fett“ ausgewiesen werden, und ein Strudel schmeckt uns besser, wenn er laut Speisekarte „nach Omas Rezept“ gebacken wurde. Das haben Tests ergeben. Wenn Volksschulkinder einen Polizisten oder einen Feuerwehrmann zeichnen sollen, zeichnen sie einen Mann - und sind bass erstaunt, wenn dann eine Polizistin und eine Feuerwehrfrau in die Klasse kommen, um von ihrer Arbeit zu erzählen.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sprach die US-amerikanische Regierung zunächst von „Opfern“, später von „Verlusten“. Prompt stieg die Zustimmung in der Bevölkerung zu einem Krieg im Irak. Denn mit dem Wortwechsel hatte sich die Deutung der Anschläge verändert: Sie wurden von einem Verbrechen, dem Menschen zum Opfer gefallen sind, zu einer Kriegshandlung, die Verluste brachte - und die nach einem Gegenschlag im „Krieg gegen den Terror“ verlangt.

„hate speech“ schadet allen
Sprachforscherinnen, Psychologen und Hirnforscher beschäftigen sich intensiv mit der Frage, wie Worte unser Denken und Handeln prägen. Sie haben auch herausgefunden, dass sich unsere eigenen Worte auf uns selber auswirken. Wenn wir zum Beispiel ein Tabuwort aussprechen, ruft das bei uns selbst körperlich messbare Stresssymptome hervor. Wenn in Zeiten von Hetze und „hate speech“ in sozialen Medien und am Stammtisch unsere Sprache verroht, verrohen wir selbst. Der Hass, den wir mit Worten in die Welt hinausschleudern, zerfrisst uns in unserem Inneren. Was man sagt, ist man selber. Die Bibel weiß: „Wo viele Worte sind, da geht’s ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen in Zaum hält, ist klug.“

Pfarrerin Maria Katharina Moser, Kronen Zeitung
maria.moser[@]glaubenskirche.at

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(Bild: kmm)



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