Machtkampf eskaliert

Merkel: „Europa zieht die Brücken NICHT hoch!“

Ausland
01.07.2018 20:05

Der Flüchtlingsstreit in Deutschland ist am Sonntag eskaliert. CSU-Chef Horst Seehofer bewertete vor Mitgliedern des Parteivorstands und der Landesgruppe im Bundestag in München die Ergebnisse des EU-Gipfels in Brüssel im scharfen Gegensatz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wie die Nachrichtenagentur AFP aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Die Kanzlerin hatte zuvor in  einem ZDF-Interview, dass es für sie auch wichtig sei, „dass keine unilateralen, unabgestimmten und keine Entscheidungen zulasten Dritter“ getroffen würden. Einheitliches Handeln in Europa sei wichtig. „Wir alle sind für Außengrenzenschutz, das ist richtig und wichtig“, stellte Merkel klar. „Aber“, fügte sie hinzu: „Wir ziehen nicht die Brücken hoch.“ Zerbricht nun nur 100 Tage nach ihrem Start die schwarz-rote Bundesregierung?

Sie wollte sich nicht darauf festlegen, ob der erbitterte Migrationsstreit mit der CSU demnächst gelöst werden könne, so die deutsche Kanzlerin in der Aufzeichnung eines ZDF-Interviews, das am Sonntagabend ausgestrahlt wurde. Sie werde aber „alles daran setzen“, dass es sowohl bei CDU als auch CSU Ergebnisse gebe, „bei denen wir Verantwortung für unser Land wahrnehmen können“, so Merkel in der Sendung „Berlin direkt“.

Vor den entscheidenden Sitzungen von CDU und CSU sagte sie, sie wolle Ergebnisse haben, damit die Union Verantwortung für das Land übernehmen könne. Mit den Ergebnissen der Beratungen auf europäischer Ebene sei sie „einigermaßen zufrieden“, auch wenn die Arbeit damit noch nicht zu Ende sei. „In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich“ mit der Forderung der CSU nach Zurückweisungen an der Grenze. Die CSU will solche Zurückweisungen auch im nationalen Alleingang durchsetzen, Merkel beharrt auf europäischen Lösungen.

„Wir ziehen keine Brücken hoch“
„Wir alle sind für Außengrenzenschutz, das ist richtig und wichtig“, betonte Merkel am Sonntag. „Aber“, fügte sie hinzu: „Wir ziehen nicht die Brücken hoch.“ Die Europäische Union wolle Schleppern und Schleusern das Handwerk legen, die das Leben vieler Menschen aus Profitgier aufs Spiel setzten. „Dem kann Europa nicht zusehen“, sagte Merkel. Es könne nicht sein, dass nur derjenige eine Chance auf ein Leben in Europa habe, der mit einem Schlepper komme. „Damit können wir uns nicht abfinden.“

Seehofer beharrt auf Zurückweisung
CSU-Parteichef Horst Seehofer - seines Zeichens ein Verfechter der geschlossenen Grenzen - sieht nach Angaben aus Parteikreisen in den EU-Beschlüssen zur Flüchtlingspolitik keinen wirkungsgleichen Ersatz für Zurückweisungen an der Grenze. Das habe Seehofer in einer gemeinsamen Sitzung von Parteivorstand und Landesgruppe gesagt, heißt es in Teilnehmerkreisen. „Hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit eines Vorsitzenden“, sagt Seehofer den Angaben zufolge in der Sitzung.

Seehofer lehnt demnach auch den Vorschlag Merkels ab, in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge in Deutschland in sogenannten Ankerzentren unterzubringen. Der CSU-Chef widersprach damit direkt der Kanzlerin. Zur Frage, ob die Forderungen der CSU erfüllt seien, hatte die CDU-Chefin zuvor bei der Aufzeichnung ihres ZDF-Sommerinterviews erklärt: „In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich. Das ist meine persönliche Auffassung. Die CSU muss das natürlich für sich entscheiden.“

CSU will „Masterplan Migration“, CDU hinter Merkel
Seehofer habe seinen „Masterplan Migration“ in der CSU-Führung verteilt, hieß es. Dieser sehe Zurückweisungen vor, auch die Unterbringung von in anderen EU-Ländern bereits registrierten Asylwerbern in Ankerzentren in Deutschland wird abgelehnt. Das Führungsgremium der Christlich-Sozialen tagte zur abschließenden Beratung über eine weitere Zusammenarbeit mit den Christdemokraten.

Deren Präsidium tagte am Abend in Berlin und unterstützte Merkels Linie. Die engste Führungsspitze um Merkel habe sich hinter die von der Kanzlerin auf dem EU-Gipfel in Brüssel erzielten Verhandlungsergebnisse gestellt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntagabend aus Parteikreisen. Die Kanzlerin werde zudem darin unterstützt, den europäischen Weg weiter zu beschreiten. Merkel sprach gegenüber dem Parteivorstand von einer „sehr ernsten Situation“. Die Entwicklung mit der CSU sei nicht einfach.

Im Mittelpunkt der Beratungen der beiden Schwesterparteien stehen die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Asylpolitik. Offen ist aber weiterhin, ob die CSU angesichts der Regelungen auf den angedrohten nationalen Alleingang bei der Zurückweisung von Flüchtlingen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, festhalten wird.

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