Katias Kolumne

CETA-Umfaller? Nein, wohl eher Realpolitik

Österreich
20.06.2018 11:55

Nun ist es also beschlossene Sache - vergangene Woche wurde im Nationalrat das bei weiten Teilen der Bevölkerung durchaus umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen CETA durch die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sowie den NEOS ratifiziert. Nun fehlen noch die Zustimmung des Bundesrates und die endgültige Unterschrift von Bundespräsident Alexander Van der Bellen - sind diese Schritte erledigt, tritt CETA endgültig in Kraft.

Die größte Oppositionspartei im Parlament, die SPÖ, ortete anlässlich des radikalen Meinungsschwenks der Freiheitlichen einen „Totalumfaller“ und einen „Verrat“, schließlich erhob der blaue Parteichef Heinz-Christian Strache noch im Wahlkampf vor rund einem Jahr eine Volksabstimmung zu CETA zur unabdingbaren Koalitionsbedingung. Ein tatsächlich schwer erklärbarer Gesinnungswandel um 180 Grad, dennoch ist fraglich, ob es für die SPÖ nicht ratsamer wäre, in Sachen Umfaller-Geheul die Füße lieber stillzuhalten.

Denn immerhin war es niemand geringerer als der rote Parteivorsitzende Christian Kern, der, damals noch frischgebackener Bundeskanzler, durch sein grünes Licht im EU-Rat den Weg für das Freihandelsabkommen erst überhaupt freigemacht hat - und das auch noch gegen die Meinung der eigenen Basis, die sich in einer von ihm initiierten Umfrage klar gegen CETA ausgesprochen hat. CETA sei „wahrscheinlich das beste Freihandelsabkommen, das die EU je geschlossen hat“, hieß es seinerzeit dazu, eine Volksabstimmung lehnte man ab.

Der Standort bestimmt den Standpunkt
Heute, rund ein Jahr später und in vertauschten Rollen, sieht die Sache allerdings dann doch etwas anders aus. Die SPÖ, nunmehr im oppositionellen Kampfmodus gegen so ziemlich alles, was vonseiten der türkis-blauen Regierung kommt, kann, sich hinter dem Feigenblatt der privaten Schiedsgerichte versteckend, dem umstrittenen Freihandelsabkommen nun offenbar doch so gar nichts mehr abgewinnen und fordert erstaunlicherweise eine verbindliche Volksabstimmung.

Die Freiheitlichen, ihres Zeichens ehemals lautstark polternde Oppositionspartei und heute gezähmter Koalitionspartner, stimmten nun - wie FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz betonte - „ruhigen Gewissens“ für CETA, immerhin seien dem Vertrag die „Giftzähne“ gezogen worden. Die Frage, welche Giftzähne wo gezogen worden sein sollen, bleibt offen, immerhin wurde die letzte Änderung im CETA-Vertrag vor mehr als zwei Jahren vorgenommen.

Schluss mit dem Schauspiel
Viel wahrscheinlicher ist hingegen, dass es wie so oft weniger um den Kampf um Haltung und Gesinnung, sondern vielmehr um realpolitische Interessen geht. Es ist davon auszugehen, dass die SPÖ nicht aus heiterem Himmel nun doch erkannt hat, welch Ungemach mit CETA droht, weswegen sie jetzt den Weltuntergang herbeiwähnt, sondern dass sich das Thema ausgesprochen gut für einen oppositionellen Fingerzeig in Richtung FPÖ eignet. Eine Chance, die man sich keinesfalls entgehen lassen will.

Ebenso wenig wahrscheinlich ist, dass die FPÖ urplötzlich ihre bisher unterdrückte Liebe zum Freihandel entdeckt hat, weshalb sie nun von ihrer „Nein zu CETA“-Haltung abkommt, wohl eher war ihr „Ja“ eine zu erfüllende Koalitionsbedingung, um endlich mitregieren zu dürfen.

In Anbetracht dieser Realitäten erscheint das unsägliche Schauspiel mit dem Titel „Alle Umfaller außer Mama“ dann doch eher lächerlich. Man möge sich das ersparen, denn: Die realpolitische Wahrheit ist dem Wähler zumutbar.

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