Gefängnisleiter dafür

Handyverbot für Häftlinge soll gelockert werden

Österreich
20.03.2018 09:32

Die 27 Leiter der österreichischen Gefängnisse können sich laut einem Positionspapier eine Lockerung des Handy- und Internetverbots vorstellen. Die „elektronische Kommunikation“ soll künftig „grundsätzlich erlaubt sein, außer Insassen müssen aufgrund bestimmter Voraussetzungen oder wegen eines bestimmten Verhaltens ausgeschlossen werden“.

Die Justizwache übte Kritik: „Wir Justizwachebeamte dürfen private Handys nicht mitnehmen, Insassen sollen unkontrolliert kommunizieren dürfen“, sagte der Vorsitzende des Zentralausschusses im Justizministerium für die Justizwache, Martin Schöpf, gegenüber dem „Kurier“, dem das Positionspapier vorliegt. Josef Mock, Sprecher der Anstaltsleiter, wollte den Vorschlag gegenüber Medien nicht näher erläutern, und auch das Justizministerium gab zunächst keine inhaltliche Stellungnahme ab. „Wir werden das Positionspapier intern prüfen und mit dem Sprecher der Anstaltsleiter erörtern, die Diskussion aber nicht über die Medien führen“, sagte Ressortsprecherin Britta Tichy-Martin.

Wer elektronische Kommunikation - sprich Internet und Handys - nutzen darf und wer nicht, wird in dem Positionspapier offenbar nicht präzise dargelegt. In einem Abschnitt wird lediglich der Ausschluss aufgrund „bestimmter Voraussetzungen“ und eines „bestimmten Verhaltens“ genannt, außerdem die U-Haft.

Experte für intelligente Form der Überwachung
Der Kriminologe Wolfgang Gratz macht auf zwei Aspekte bzw. Folgen von fehlendem Internetzugang aufmerksam: den aktuell großen Abstand zwischen den Kommunikationsmöglichkeiten „draußen“ und „drinnen“. „Das Strafvollzugsgesetz ist ja entstanden, als noch Briefe geschrieben und Postkarten geschickt wurden. Dann kam das Telefon und man hat Gefängnisinsassen gewisse Möglichkeiten der telefonischen Kommunikation eingeräumt.“ Mangelnde Erfahrung mit dem Internet und Fertigkeiten im Umgang damit könnten nach der Entlassung auch Nachteile im Beruf bedeuten, gibt Gratz zu bedenken.

„Natürlich gibt es ein gravierendes Problem, und das ist die Frage des Missbrauchs“, sagt der Kriminologe. „Es würde nicht gehen, dass zum Beispiel ein Pädophiler einschlägige Websites besucht oder ein Wirtschaftskrimineller Betrügereien via Internet fortsetzt. Man muss schauen, dass man eine intelligente Form der Überwachung findet, eventuell durch das Blockieren von Websites, eingeschränkten Zugang oder das Protokollieren der besuchten Seiten“, meint der Kriminologe. Das Ausmaß der Überwachung müsste je nach Gruppe unterschiedlich sein.

Bei Untersuchungshäftlingen bestimmt nicht die Anstaltsleitung, ob sie telefonieren dürfen, sondern Gericht oder Staatsanwaltschaft, sagte Peter Hofkirchner, stellvertretender Leiter der Anstalt Wien-Josefstadt. Im größten Gefängnis Österreichs befinden sich rund 1200 Insassen, rund drei Viertel von ihnen sind U-Häftlinge. Für alle Insassen stehen rund 25 bis 30 Wertkartentelefone zur Verfügung, die in erster Linie für Gesprächen mit Angehörigen zur Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte bestimmt sind. „Die Gespräche können überwacht werden, das wissen die Insassen“, sagte Hofkirchner.

Beliebte Schmuggelware
Private Handys - sowie sämtliche Geräte mit Internetverbindung - sind im geschlossenen Bereich nicht zulässig, werden nach den Erfahrungen der Justizwache aber immer wieder eingeschmuggelt. So wurden bei einer am 8. Februar 2016 im Auftrag des damaligen Justizministers Wolfgang Brandstetter durchgeführten Razzia in allen 27 Gefängnissen 103 Mobiltelefone sichergestellt. Insassen dürfen zwar Laptops besitzen und verwenden, allerdings nur solche ohne Internetzugang. Bei anstaltseigenen Telefonen würden eventuell nur bestimmte Nummern freigeschaltet, erläutert Tichy-Martin.

Festnetztelefone für französische Häftlinge
In französischen Gefängnissen ist eine Liberalisierung der Telekommunikation derzeit in der Umsetzungsphase. Fast alle Zellen werden mit Festnetz-Telefonen ausgestattet, der Auftrag dazu wurde nach einem im Jänner veröffentlichten Bericht der Tageszeitung „Le Monde“ ausgeschrieben. Die Häftlinge sollen jeweils nur vier Telefonnummern anwählen können, die vorher genehmigt wurden. Im Gefängnis von Montmedy, wo die Zellen-Telefone erprobt wurde, seien im ersten Halbjahr 2017 um fast ein Drittel weniger Handys beschlagnahmt worden.

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