Grüne vs. ÖVP

Das “Duell der grauen Bärte”

Politik
19.09.2008 13:44
Das "Duell der grauen Bärte" zwischen ÖVP-Chef Wilhelm Molterer und Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen am Donnerstagabend glich großteils einer sachlichen Koalitionsverhandlung - wenn auch mit emotionalen Spitzen. Mehr als drei Viertel der Sendezeit bewegten sich die beiden Spitzenkandidaten in disziplinierter Debatte zu den Themen Finanzkrise, Pensionen, Bildung, Familienpolitik und sogar Homo-Ehe auf Kuschelkurs. Erst am Ende, bei Zuwanderung und Asyl, gerieten die Standpunkte aneinander, das trübte dann etwas den Glanz des bisher freundlichsten TV-Duells. krone.at hat die Themen und Zitate der Konfrontation.

Aktueller Aufhänger für den Gesprächseinstieg: Die Finanzmarktkrise und ihre möglichen Auswirkungen auf die österreichische Pensionsvorsorge. Molterer warnte hier vor einer "Verunsicherung" der Konsumenten, trat aber dafür ein, die "Spielregeln" für die Finanzmarktaufsicht zu verbessern. Van der Bellen sah sich in der Grünen Skepsis vor einem zu großen Schwerpunkt auf den Kapitalmarkt bei der Pensionsvorsorge bestätigt: Gerade die ÖVP habe, vor allem in Person von Finanzminister Karlheinz Grasser, eben dazu "verleitet". Doch "die schnelle Abzocke ist dabei".

In Sachen Pensionserhöhung verwies Molterer auf den voraussichtlichen Vorschlag der Pensionskommission von 3,2 Prozent und räumte ein: "Eine Einmalzahlung ist für die Pensionisten ein wichtiger Punkt angeischts der Teuerung." Allerdings könne er "keine vorschnellen Zusagen machen", denn Voraussetzung seien "geordnete Staatsfinanzen". Molterers Botschaft: Beschließt das Parlament teure Maßnahmen, nicht mehr Geld für die Pensionserhöhung da. Aber in Sachen Mehrwertsteuer "haben ja eine einheitliche Meinung", sagte der VP-Chef in Richtung VdB.

Im Gegensatz zur Grundsicherung im Grünen Wahlprogramm (zwölf Mal jährlich 900 Euro), der Molterer nichts abgewinnen kann. Van der Bellen auch nicht, meinte er: "Da haben Sie uns aber mit dem liberalen Forum verwechselt. Wir wollen keine Grundsicherung im Erwerbsleben, wir sind für eine Sockelung der Sozialleistungen."

In der Bildungspolitik träumt Van der Bellen davon, Österreich "zu einem Mekka der Bildung" zu machen - mit individueller Förderung ab dem (Gratis-)Kindergarten. "In diesem Punkt habe ich vonseiten der ÖVP immer nur Blockaden erlebt." Der Grüne Chef attestierte der ÖVP in dieser Frage, in Verbindung mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ein "bestimmtes Frauenbild". Molterer reagierte unwirsch: "Aber das haben Sie doch nicht notwendig. Auf diesem Niveau bin ich Sie gar nicht gewöhnt!" Die ÖVP sei in Sachen Kinderbetreuung "einen Weg gegangen". Bildungspolitisch wolle man für Eltern und Kinder "Wahlfreiheit", aber nach dem Leistungsprinzip, sprich: keine Abschaffung der Noten, keine Abschaffung des Sitzenbleibens. Da ging Van der Bellen naturgemäß nicht d'accord, räumte aber schließlich ein: "Heute habe ich den Eindruck, dass sich die ÖVP bewegt hat in der Frage der Kindergärten und Schulen." Dafür müsse aber auch Geld in die Hand genommen werden.

Kleine Aha-Erlebnisse hatte das TV-Duell von ÖVP-Chef Wilhelm Molterer und Grünen-Frontmann Alexander Van der Bellen bei aller Konsensualität doch zu bieten. "Jetzt verstehe ich, warum es so schwer ist, mit Ihnen zu regieren", meinte Van der Bellen einmal - er selber hatte ja noch nicht das Vergnügen. Die Zuschauer wiederum erfuhren von einer Gemeinsamkeit der beiden Spitzenkandidaten: Beide waren schon einmal am Brunnenmarkt im 16. Wiener Gemeindebezirk. Der wird ob des hohen Migrantenanteils an der Bevölkerung gerne als "Klein-Istanbul" tituliert. In Wahlkampfzeiten kommt daran wohl kaum ein Politiker vorbei. "Ich war im 16. Bezirk am Brunnenmarkt, ich hab mit den Leuten geredet!" betonte Molterer. "Ja, glauben Sie, ich nicht?" entgegnete Van der Bellen.

In der Asylfrage wurde es kurz fast laut zwischen den beiden Diskutanten: Das gegenwärtige Fremdenreich sei "sozialpolitisch skandalös" und wirtschaftspolitisch unsinnig, so Van der Bellen. Das humanitäre Bleiberecht ein "willkürlicher Gnadenakt" und zurecht vom Verfassungsgerichtshof zur Reparatur freigegeben. "Die Rechtsstaatlichkeit ist der Maßstab", entgegnete Molterer und warnte davor, das Asylrecht "nicht so weit auszuhöhlen, dass es dann wenn es wirklich gebraucht wird, nicht mehr wirkt."

Wenig Gemeinsamkeiten gab es auch in der Frage der Homo-Ehe, obwohl die ÖVP mittlerweile grundsätzlich bereit ist, Partnerschaften für Homosexuelle zuzulassen. Allerdings ohne Möglichkeit der Adoption oder künstlichen Befruchtung und nicht am Standesamt, hielt Molterer fest. Er argumentierte seinen "besonderen Respekt vor der Ehe" auch mit der Demografie: Für Altersvorsorge brauche es Nachwuchs, und die Partnerschaft von Mann und Frau sei "eine sehr wichtige Perspektive für unsere Gesellschaft", in der Kinder "Raum haben" müssten. Van der Bellen konstatierte denn auch eine "Riesendivergenz" zu den Grünen: "Für uns ist das ganz selbstverständlich, dass Homos und Heteros die gleichen Rechte und Pflichten haben sollen."

Mögliche Bedingungen bei möglichen Koalitionsverhandlungen - die ÖVP hatte ja zu Beginn des Wahlkampfs deutlich um die Grünen geworben, eine Mehrheit für eine solche Kombination erscheint aber unwahrscheinlich - kamen schließlich auch noch aufs Tapet. Die ÖVP ist "dafür, dass die Studiengebühren wieder eingeführt werden", so Molterer (abgeschafft sind sie freilich noch nicht - das könnten SPÖ, Grüne und FPÖ nächste Woche im Nationalrat durchziehen). Für Van der Bellens jedenfalls Verhandlungsgegenstand ist die Steuerpolitik, man wolle "entlasten bis weit in die Mitte hinein", sagte er, ohne im Detail auf seine kürzlich erhobene Forderung nach Wiedereinführung der Erbschaftssteuer einzugehen.

Sager aus dem TV-Duell
Molterer: „Die Perspektive im Pensionssystem ist nach wie vor gut!“  VdB: „Das hat noch jeder Finanzminister gesagt.“

Molterer beim Thema Einheitspension bzw. Grundeinkommen: „Das les ich in ihrem Programm...“ VdB: „Da haben sie unseres mit dem Liberalen Forum verwechselt...“ Molterer: „Ja, das kann in diesen Tagen öfters vorkommen...“

Thurnher: „Welche Art von Schule würden Sie sich heute für sich wünschen?“ VdB: „Ob wegen der Schule was aus mir geworden ist, das will ich bezweifeln.“ V

dB: „Die Zeit von Bildungsminsterin Gehrer sitzt mir wie ein Kloß im Hals.“ Molterer: „Schlucken Sie, Herr Van der Bellen, schlucken Sie!“

Molterer: „Sie treten in fast allen Bereichen für Offenheit und Wahlfreiheit ein, warum wollen Sie gerade bei der Bildung einen Einheitsweg?“ VdB dann beim Thema Ganztagsschule: „...dahinter steckt doch ein bestimmtes Frauenbild.“ Molterer: „Also bitte, auf so einem Niveau kenn‘ ich Sie nicht.“ VdB: „Heute hab ich den Eindruck, die ÖVP hat sich bewegt - in Bildungsfragen.“

VdB beim Thema Homo-Ehe: „Für uns ist es ja geradezu axiomatisch selbstverständlich, dass Männer und Frauen und Schwulen und Lesben die gleichen Rechte und Pflichten haben sollen.“ Molterer: „Vertrag ja, Gleichstellung nein.“ VdB: „Ich habe früher auch einmal gesagt: ‚40 bis 50 Prozent aller Ehen werden geschieden - wenn die Homos dieselben Fehler machen wollen. Na dann sollen sie doch!‘“

Molterer: „Wir sind doch beide der Meinung, dass die demografische Entwicklung ein ganz großes Problem für die Gesellschaft ist.“ VdB: „Aber was hat denn das mit den Homos zu tun?“

Thurnher zu Molterer, der besonders viele Denkpausen nahm: „Ein Satz dauert bei Ihnen immer sehr lange, Herr Molterer.“

VdB: „Was in Österreich mit dem Fremdenrecht aufgeführt wird, ist sozial skandalös.“ Molterer: „Asylrecht ist ein heiliges Recht. Asylrecht darf nicht missbraucht werden.“

Molterer: „Sie wollen ein automatisches Bleiberecht.“ VdB: „Ich werd‘s Ihnen gern zum zwölften Mal zeigen.“

Molterer: „Herr Van der Bellen, Sie sind doch Europäer, oder?“

Molterer: „Sie wollen ein automatisches Bleiberecht!“ VdB: „Nein! Herr Molterer, seit 2007 liegt der Gesetzesvorschlag im Parlament, lesen Sie nach!“ Molterer: „Aber...“ VdB: „Jetzt weiß ich, warum‘s so schwer ist, mit Ihnen zu regieren.“

VdB: „„Sie haben den Verfassungsgerichtshof gebraucht, dass er sie an den Ohren zieht.“

Molterer: „Diese Träumereien müssen aufhören“ VdB: „Das tu ich nicht, verdammt nochmal!“ Molterer: „Warum sind Sie so aufgeregt?“ VdB: „Na, weil‘s mir reicht. Jetzt reicht‘s mir aber! Ich lass mir doch nicht von Ihnen diktieren, was Grüne Positionen sind!“ Molterer: „Sie sind aufgeregt. Ah, ein Schwachpunkt?“

Molterer: „Da braucht‘s keine linken Träumer und keine rechten Hetzer. Da braucht‘s eine Mitunten nach oben.“ VdB zum Thema Steuerbelastungen für Reiche: „Wir wollen die Stiftungen nicht ruinieren.“

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