Litt unter Karies

Gletschermann “Ötzi” hatte sehr schlechte Zähne

Wissenschaft
09.04.2013 15:45
Schon Gletschermann "Ötzi" litt unter schlechten Zähnen. Ähnlich wie heutige Menschen plagten ihn vor mehr als 5.000 Jahren Karies und Parodontitis. Obendrein war einer seiner Frontzähne - vermutlich unfallbedingt - abgestorben, wie Forscher vom Zentrum für Evolutionäre Medizin (ZEM) der Universität Zürich nun nachweisen konnten.

An der Gletschermumie hätten sich "erstaunlicherweise zahlreiche, auch heutzutage noch weit verbreitete Erkrankungen an den Zähnen und dem Zahnhalteapparat" gezeigt, erklärte Professor Frank Rühli, der Leiter der Studie, zu den am Dienstag veröffentlichten Untersuchungsergebnissen. Sie würden interessante Hinweise geben auf das Ernährungsverhalten des neolithischen Mannes aus dem Eis und zur Evolution von medizinisch bedeutenden Zahnkrankheiten.

Obwohl seit mehr als 20 Jahren an der berühmten Mumie geforscht wird, waren die Zähne kaum beachtet worden. Der ZEM-Dentist Roger Seiler sowie Forscherkollegen in den USA und Italien werteten computertomografische Daten zum Gebiss Ötzis aus. "Der Schwund des Zahnhalteapparates war schon immer eine sehr häufige Erkrankung, wie Schädelfunde aus der Steinzeit oder die Untersuchung ägyptischer Mumien zeigen", erklärte Seiler. "Ötzi erlaubt uns einen speziell guten Einblick in eine solch frühe Form dieser Erkrankung."

3D-Rekonstruktion zeigt Ötzis schlechte Zähne
Dreidimensionale Rekonstruktionen von Gebiss und Mundhöhle zeigten, wie sehr der Eismann unter einer fortgeschrittenen Parodontitis litt. Vor allem im Bereich der hinteren Backenzähne fand Seiler einen Verlust des parodontalen Stützgewebes, der beinahe die Wurzelspitze erreichte. Zwar habe Ötzi wohl kaum seine Zähne geputzt. Die abschleifende Nahrung hatte den Experten zufolge jedoch viel zur Selbstreinigung beigetragen.

Parodontitis wird auch mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems in Zusammenhang gebracht. Frühere Untersuchungen Ötzis hatten bereits gezeigt, dass er unter Arterienverkalkungen litt. Die Karies, die bei dem Eismann festgestellt wurde, führen die Forscher hingegen auf eine sehr stärkehaltige Nahrung wie Brot und Getreidebrei zurück. Diese sei durch den aufkommenden Ackerbau in der Jungsteinzeit vermehrt konsumiert worden.

"Frontzahn durch Schlag abgestorben"
Ötzis unfallbedingte Zahnschäden zeugten wie seine anderen Verletzungen vom rauen Leben in jener Zeit, erklären die Forscher. "Ein Frontzahn ist durch einen Schlag abgestorben - die Verfärbung ist noch deutlich sichtbar, und ein Backenzahn hat wohl durch einen Kauunfall, vielleicht ein Steinchen in Getreidebrei, einen Höcker verloren."

Ötzi gilt als älteste Feuchtmumie der Welt. Seit der Entdeckung im Jahre 1991 in den Ötztaler Alpen in Südtirol haben unzählige wissenschaftliche Untersuchungen stattgefunden. Die Studie wurde im "European Journal of Oral Sciences" veröffentlicht. Beteiligt waren auch die Wissenschaftler Andrew Spielmann (New York University College of Dentistry) und Albert Zink (EURAC, Bozen). Das Zentrum für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich erforscht interdisziplinär die Evolution von bedeutenden menschlichen Erkrankungen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele