Reine Kernkraft

Wiener Physiker auf der Spur von “Gluebällen”

Wissenschaft
12.10.2015 12:06
Quarks, die Bausteine der Protonen und Neutronen im Atomkern, werden von einer starken Wechselwirkung zusammengehalten. Vermittelt wird diese Kraft von Gluonen (engl. glue: Leim). Laut Theorie können diese Kraftteilchen auch "Gluebälle" bilden, ein Nachweis fehlt aber bisher. Wiener Physiker berichten nun im Fachblatt "Physical Review Letters" über einen heißen Kandidaten für so ein Gebilde aus reiner Kernkraft.

Protonen und Neutronen, die Bausteine der Atomkerne, bestehen jeweils aus drei Quarks, zusammengehalten von Gluonen. Laut Quantenfeldtheorie sind diese Bindekräfte nicht nur als Feld zu betrachten, sondern auch als Teilchen - sogenannte Austauschteilchen. Die Theorie macht noch eine weitere Vorhersage - die Existenz einer neuen Fom von Materie. Demnach können sich die Gluonen auch ohne Quarks zu sogenannten "Gluebällen" vereinen.

Bisher wurde allerdings noch kein "Glueball" eindeutig identifiziert. Die exotischen Teilchen sind extrem kurzlebig und zerfallen praktisch sofort nach ihrer Entstehung in Quark-Antiquark-Paare. Derart zusammengesetzte Teilchen werden Mesonen genannt.

Kernphysiker schon vor Jahren uneinig
Am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN in Genf (Schweiz) wurden bereits Ende der 1990er-Jahre beim Zusammenstoß von Anti-Protonen und Protonen zwei unterschiedlich massereiche Teilchen gemessen, die als mögliche Kandidaten für "Gluebälle" galten. Doch es gab unter den Physikern nie Einigkeit darüber, ob es sich bei einem der beiden Teilchen tatsächlich um einen "Glueball" handelt.

Das leichtere der beiden Teilchen wurde lange für den wahrscheinlichsten Kandidaten gehalten, denn beim Zerfall des schwereren Partikels entstehen vor allem schwere Quarks. Und das schien den meisten Experten nicht zu ausschließlich aus Gluonen bestehenden Teilchen zu passen.

"Üblicherweise verwendet man aufwendige numerische Methoden, um die Eigenschaften von Teilchen zu bestimmen, aber gerade bei den 'Gluebällen' und ihren Zerfallsmustern kommt man da nicht weiter", sagte Anton Rebhan vom Institut für Theoretische Physik der Technischen Universität (TU) Wien im Gespräch. Er hat mit seinem Doktoranden Frederic Brünner deshalb einen neuen Zugang gewählt und könnte damit der Lösung des Rätsels einen großen Schritt näher gekommen sein.

Experimente sollen neue Berechnung bestätigen
Diese neuen Methoden kommen eigentlich aus der String-Theorie und basieren auf höherdimensionaler Gravitationstheorie. "Wir stellen uns zwar nicht vor, dass unsere Welt höherdimensional ist, verwenden aber den mathematischen Aspekt der String-Theorie, um die Teilchen zu beschreiben", sagte Rebhan.

Und mit diesem neuen Ansatz konnte das Zerfallsmuster des schwereren Teilchens mit hoher Genauigkeit reproduziert werden - es wurde damit zum heißen Kandidaten für den lange gesuchten "Glueball". Ob die Berechnungen stimmen, könnten bereits in den nächsten Monaten Experimente am Teilchenbeschleuniger LHC am CERN sowie an einem chinesischen Beschleunigerexperiment zeigen.

"Diese Tests werden die Nagelprobe für unsere Theorie sein", sagte Rebhan. Und wie üblich in der Teilchenphysik wäre ein experimenteller Nachweis der "Gluebälle" für das Verständnis der internen Struktur der Materie von fundamentaler Bedeutung.

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