VP-Team im Parlament

Kühler Empfang im “Nationalpark hohe Steuern”

Österreich
28.04.2011 20:00
Die umgestaltete Regierung hat sich am Donnerstag dem Nationalrat vorgestellt. Eingeleitet von Bundeskanzler Werner Faymann und dem neuen Vizekanzler Michael Spindelegger sind in fast 50 Redebeiträgen auch die Oppositionspolitiker lautstark zu Wort gekommen. Für das neue ÖVP-Team gab es einen ausgesprochen kühlen Empfang im "Nationalpark hohe Steuern" (O-Ton BZÖ-Chef Josef Bucher). Als größter Gesetzesbeschluss in der Sitzung stand die umstrittene Vorratsdatenspeicherung an.

Während Finanzministerin Maria Fekter und Justizministerin Beatrix Karl nur Ressort gewechselt haben, sind Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sowie die Staatssekretäre Sebastian Kur und Wolfgang Waldner ganz neu für die Abgeordneten. Kanzler Faymann sprach in seiner Erklärung zur umgebildeten Regierung von einem "Team, das das Gemeinsame vor das Trennende stellt". Das sah auch der neue Vizekanzler Spindelegger so. Er wiederholte sein Motto: "Nicht zu streiten, nicht zu kuscheln, sondern konstruktiv im Interesse Österreichs zu arbeiten."

Faymann streute Spindelegger Rosen. Er habe ihn als jemand kennengelernt, der sich mit Sachlichkeit und politischer Vernunft um das Fortkommen des Landes bemühe. Auch den anderen Neuen wünschte er "alles erdenklich Gute zur Arbeit im Team". Dank gab es für den scheidenden ÖVP-Chef Josef Pröll. Dieser habe in schwierigen Zeiten mit viel persönlichem Einsatz und politischer Klugheit mit ruhiger Hand richtige Entscheidungen getroffen. Während des Redebeitrags Faymanns entrollte die FPÖ ein Transparent gegen die Öffnung des Arbeitsmarktes am 1. Mai

Spindelegger: "Wir stehen in der Mitte"
Spindelegger versuchte eine Positionierung seines Teams. "Wir stehen in der Mitte, wir werden in der Mitte bleiben, wir werden eine gute Regierungspolitik machen", sagte er. Seinem Team gab er Aufgaben mit auf den Weg. Fekter habe ein neues Steuersystem nach dem Motto "weniger, einfacher, leistungsgerechter" zu entwickeln und ansonsten die "positive Arbeit" Prölls fortzusetzen.

Mikl-Leitner solle sich laut Vizekanzler um Internet-Sicherheit kümmern, Karl um Lobbyismus und Korruption. Kurz möge bei der Integration neue Ideen einbringen, Töchterle bei den Universitäten und Waldner im Außenministerium "die Koffer ständig gepackt haben", um Spindelegger international vertreten zu können.

Opposition im "Nationalpark hohe Steuern"
Nach dem Kanzler-Duo, das um 10.30 Uhr seine Eröffnungsreden abgeschlossen hatte, waren auf der Rednerliste fast 50 Kandidaten vorgesehen. Alles andere als Vorschusslorbeeren hat Spindelegger dabei für sein umgestaltetes Regierungsteam vonseiten der Opposition erhalten. Am härtesten formulierte BZÖ-Obmann Josef Bucher, der vom "letzten Aufgebot einer Allerweltspartei" sprach. Bucher erinnerte an die Politik Josef Prölls und kritisierte, dass dieser den höchsten Stillstand der Zweiten Republik und "den Nationalpark hohe Steuern" hinterlassen habe. Geändert werde der Kurs aber nicht, nur das Personenkarussell werde gedreht und selbst da habe der neue Parteichef nichts mitzureden, sei doch mit Landeshauptmann Erwin Pröll der "wahre Machthaber" in St. Pölten angesiedelt. Bucher an Spindelegger: "Sie sind ein Geführter der Bünde und ein Vorgeführter des Landeshauptmanns Pröll."

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache meinte, mit ein paar neuen Köpfen werde die ÖVP ihre inhaltlichen Probleme auch nicht kaschieren können. Strache gestand Spindelegger zwar zu, sich persönlich immer integer verhalten zu haben. Allerdings vermisse er entsprechende inhaltliche Positionierungen. Die ÖVP sei keine wertkonservative Partei mehr, keine Partei des Mittelstands und der Leistungsträger, auch keine rot-weiß-rote Partei, sondern eine EU-Partei, der die Neutralität nicht wichtig sei, wenn sie Soldaten nach Libyen schicken wolle. Schließlich habe die ÖVP auch noch klargemacht, keine Familienpartei zu sein, nachdem sie das dafür zuständige Staatssekretariat aufgelöst habe.

Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig vermisst bei Spindelegger Initiativen, Neues zu gestalten. Als Provokation empfand sie dessen Ankündigung, die Sicherheit im Internet zum neuen Schwerpunkt zu machen, wenn gleichzeitig die Vorratsdatenspeicherung beschlossen werde. Mitleid hat sie mit dem neuen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, solle dieser doch einen neuen Hochschulplan machen und die Forschung stärken, erhalte dafür aber keinen zusätzlichen Cent. Spindelegger forderte Glawischnig auf, die Blockaden in der Schulpolitik zu beenden.

Vorratsdatenspeicherung beschlossen
Brisantester Beschluss der Sitzung war die Vorratsdatenspeicherung (siehe Infobox), mit der Betreiber verpflichtet werden, die diversen Kommunikationsdaten via Telefon, Handy, E-Mail und Internet künftig sechs Monate zu speichern. Inhalte sind davon nicht betroffen. Gelten wird sie ab April 2012. Das BZÖ startete zu Beginn der Sitzung eine Einwendungsdebatte gegen das Gesetz. Das Bündnis forderte - erfolglos - die Absetzung der Vorratsdatenspeicherung von der Tagesordnung.

Ebenfalls verabschiedet wurde in der Sitzung die Fahrradhelmpflicht für Kinder bis zwölf Jahre, wobei bei Verstößen keine Sanktionen für die Begleitpersonen vorgesehen sind. Zustimmung kam nur von der Koalition. Die Grünen machten sich für eine freiwillige Regelung stark, die Freiheitlichen fragten sich, wieso die Pflicht nicht auch für Erwachsene gelten solle. Das BZÖ sah Haftungsprobleme.

Neuregelung für Park- und Halteverbote
Neben der Helmpflicht in der Novelle enthalten ist unter anderem eine Neuregelung für Halte- und Parkverbote. Diese können statt durch Verkehrszeichen künftig auch durch gelbe Linien - durchgängig oder unterbrochen - angezeigt werden.

Am Vormittag wurde zudem Ex-ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka als Abgeordneter angelobt, er übernimmt das Mandat von Jochen Pack. Nach zwölf Stunden ist die erste Sitzung des Nationalrats mit dem neuen ÖVP-Team schließlich beendet worden.

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