UNO-Tribunal

Bei Urteilsspruch Gift getrunken: Angeklagter tot

Ausland
29.11.2017 14:59

Dramatischer Zwischenfall bei der Urteilsverkündung des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, wo sechs bosnischen Kroaten am Mittwoch ihr Urteil verkündet wurde: Der 72-jährige Angeklagte Slobodan Praljak nahm Gift, brach zusammen und starb wenige Stunden später im Krankenhaus.

Zuerst hatten kroatische Medien über den Tod berichtet, gegen 17.30 Uhr kam die Bestätigung seitens des UNO-Kriegsverbrechertribunals. Praljak starb in einem Krankenhaus in Den Haag, sagte Nead Golcevski, Sprecher des Tribunals. Praljak hatte nach seiner Verurteilung eine Flüssigkeit getrunken, seiner Verteidigerin zufolge handelte es sich um Gift.

"Ich bin kein Krimineller. Ich lehne dieses Urteil ab", hatte Praljak direkt nach seiner Verurteilung auf Kroatisch gesagt und dann einen Schluck aus einer kleinen braunen Flasche genommen. Zuschauer, Richter und Anwälte reagierten bestürzt.

Praljak im Krankenhaus gestorben
Das Fläschchen wurde konfisziert, vor dem Gerichtsgebäude landete ein Rettungshubschrauber, im Saal wurde Praljak zunächst von einem Notarzt untersucht. Der Kroate wurde am frühen Nachmittag in ein Krankenhaus gebracht, wo Mediziner vergeblich versuchten, den Zustand des Ex-Generals zu stabilisieren.

Vor der Unterbrechung der Sitzung hatte das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien bereits drei Kroaten rechtskräftig zu insgesamt 65 Jahren Haft verurteilt. Kurz danach erklärte der Drittangeklagte Praljak, Gift eingenommen zu haben. Praljak, früherer Befehlshaber des Kroatischen Verteidigungsrates in Herceg Bosna, erhielt rechtskräftig 20 Jahre Haft.

Zerstörung der Brücke von Mostar befohlen
Praljak war unter anderem angeklagt, im November 1993 die Zerstörung der Brücke von Mostar aus dem 16. Jahrhundert angeordnet zu haben. Dadurch sei der muslimischen Zivilbevölkerung "unverhältnismäßig großer Schaden" entstanden, hatten die Richter im ersten Prozess erklärt.

Prozess nach Praljaks Tod fortgesetzt
Bestätigt wurden auch die Haftstrafen aus der ersten Instanz für den früheren Regierungschef der selbst proklamierten Kroatischen Republik, Jadranko Prlic (25 Jahre), und den früheren Innenminister Bruno Stojic (20 Jahre). Nach dem dramatischen Zwischenfall und der daraus resultierenden Unterbrechung wurde der Prozess am Nachmittag fortgesetzt. Für die drei verbliebenen Angeklagten wurden die Urteile aus der ersten Instanz, mit Haftstrafen zwischen zehn und 20 Jahren, bestätigt. Milivoje Petkovic erhielt eine 20-jährige Haftstrafe, Valentin Coric wurde zu 16 und Berislav Pusic zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Alle sechs Angeklagten gehörten einer kriminellen Vereinigung an, die das Ziel hatte, durch ethnische Säuberungen einen rein kroatischen Staat zu errichten. Dieses Ziel sollte dem Gericht zufolge mit einer gezielten Terrorkampagne erreicht werde.

Tudjman entkam Anklage
Das Haager Gericht hat in der Berufung die Teilnahme aller sechs Angeklagten an einem gemeinsamen verbrecherischen Vorhaben unter Führung des damaligen Präsidenten Kroatiens, Franjo Tudjman, bestätigt. Dieses zielte laut dem rechtskräftigen Urteil auf den Anschluss des damals selbst proklamierten Herrschaftsgebiets Herceg Bosna unter Kontrolle der bosnisch-kroatischen Truppen an Kroatien ab. Tudjman selbst , der 1999 starb, war vom UNO-Tribunal nie angeklagt worden.

Höchststrafe für Mladic
Erst am vergangenen Mittwoch hatte das Kriegsverbrechertribunal Ratko Mladic, den Militärchef der Serben in Bosnien, verurteilt. Der "Schlächter vom Balkan" fasste in Den Haag die Höchststrafe - lebenslange Haft - aus (siehe Video oben). Der 74-Jährige war wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges zwischen 1992 und 1995 angeklagt gewesen.

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