"Krone"-Interview

Senkrechtstarter Joel Brandenstein kommt nach Wien

Musik
04.08.2017 13:38

Joel Brandenstein ist der Shooting-Star des Jahres, erreichte mit seinem Debütalbum "Emotionen" Platz eins der deutschen Albumcharts und konnte seine allererste Tour restlos ausverkaufen. Vor seinem Live-Debüt am 7. Oktober in der Wiener Stadthalle F kam der 33-Jährige nach Wien, um bei einem heißen Espresso über seinen ungewöhnlichen Werdegang, das späte Glück im Musikbusiness und seine besondere Beziehung zu Österreich zu sprechen.

(Bild: kmm)

Die einen verfluchen das Internet und geben ihm die Hauptschuld am Niedergang der Musikindustrie. Andere erkennen die gar nicht mehr so neuen Möglichkeiten der Selbstvermarktung als Chance, und bauen eine ganze Karriere darauf auf. Joel Brandenstein begann vor knapp zehn Jahren damit, von ihm gecoverte Songs auf YouTube zu stellen und hatte schnell Erfolg. Mit dem Marlon Knauer-Cover "Was immer du willst" nahm die Erfolgsgeschichte 2011 Fahrt auf, seine Version von Max Herres "Wolke 7" katapultierte den Ratinger endgültig zu höchsten Onlineweihen. "Ich habe auf YouTube aktuell etwa 130 Millionen Klicks generiert, was der Wahnsinn ist. Ich habe in meinem stillen Kämmerchen an den Songs geschrieben und gesungen, konnte mich im Internet frei entfalten. Niemand machte mir Vorschriften und ich konnte mich selbst finden. Es war der denkbar beste Weg."

Der richtige Weg
2014 wagte er erstmals mit einem selbstgeschriebenen Song den Schritt an die Öffentlichkeit. "Diese Liebe" wurde von seinen Fans wunderbar angenommen, die Lust auf mehr war beim 33-Jährigen endgültig geweckt. "Ich war damit der höchste Neueinsteiger in den deutschen Single-Charts. Davor wusste ich nicht einmal, dass das ohne Plattenfirma und Radio-Airplay überhaupt geht. Danach standen natürlich alle auf der Matte und wollten etwas von mir, aber ich wollte in Ruhe alleine weitermachen und habe mein Album fertiggeschrieben. Ich hoffe, dass dieser Weg von mir viele Nachahmer findet, denn es gibt in der heutigen Zeit für einen jungen, engagierten Künstler keine bessere Möglichkeit, an sich zu feilen und trotzdem ohne Druck in die Öffentlichkeit zu gehen."

Ende März veröffentlichte Brandenstein sein Debütalbum "Emotionen", kletterte damit schnell auf Platz eins der deutschen Albumcharts und feierte eine restlos ausverkaufte erste Tour. Ein Kickstart, den selbst die größten Künstler in ihren Anfangszeiten so nicht erlebt haben. Dass er nach so vielen Jahren heuer überhaupt die ersten Male auf der Bühne stand, lag ganz in seiner Entscheidungsgewalt. "Mir war immer klar, dass ich ohne Album kein Konzert spielen würde. Ich habe mir viel Zeit damit gelassen, damit es möglichst perfekt wird. Ich habe viele Balladen mit Streichern, Cello und Geige auf dem Album und jetzt auch fünf Menschen gefunden, die das mit mir auf der Bühne umsetzen." Seine melancholischen Softpop-Songs passen genau in den Zeitgeist, denn ähnlich geartete Künstler wie Max Giesinger oder Adel Tawil stürmen die Charts in steter Regelmäßigkeit.

Auf der Welle
Dass es zwischen dem Hochladen von Videos im eigenen Studiokeller und Liveauftritten vor Hunderten begeisterten Fans immense Unterschiede gibt, wurde Brandenstein schnell bewusst. "Wenn reale Menschen vor dir sind, ist das natürlich ganz was anderes. Ich war anfangs sehr nervös, konnte die Auftritte aber schnell genießen. Nichts ist mit Applaus für deine eigenen Lieder zu vergleichen. Dass ich heuer auf die eins gegangen bin und all diese Konzerte ausverkauft waren, ist ein Traum, aus dem ich noch nicht erwacht bin. Ich kann derzeit nur hoffen, dass es so weitergeht und ich dieses Glücksgefühl noch lange genießen kann."

Mit seinem alten Leben konnte der introvertierte Sänger abschließen. Nach der Schule lernte Brandenstein den Beruf des Industriekaufmanns, wurde mit den starren Büroriten aber nicht glücklich. "Ich war immer jemand, dessen Stärken im kreativen Bereich liegen und merkte schnell, dass dieser Job auf Dauer nichts für mich ist. Während der Ausbildung habe ich wieder mein Klavier rausgeholt und Songs geschrieben. Irgendwann habe ich dann einfach alles auf eine Karte gesetzt und die Brücken zum alten Berufsleben gekappt." Einen Plan B hat Brandenstein nie gehabt, doch mittlerweile wird ihm auch von bekannteren Kollegen aus der Zunft neidlos Respekt gezollt. Dass er mit über 30 Jahren erst spät den Durchbruch schaffte, sieht er als Vorteil. "Man ist in dem Alter gefestigter, weiß was man möchte und was nicht. Ich lasse mir nicht mehr viel von außen reinquatschen und gehe beharrlich meinen Weg. Ich wüsste nicht, wie sich der Erfolg auf meinen Charakter ausgewirkt hätte, wäre ich jetzt erst 17."

Bühnentransformation
Songtitel wie "Polaroid", "Einer liebt immer mehr" oder "Immer nur du" deuten an, dass der Künstler durchaus persönlich ans Werk geht. "Die Songs sind insgesamt vier, fünf Jahre alt und es ist mir wichtig, dass jedes Lied direkt mit meinem Leben zu tun hat. Nur wenn ich etwas wirklich erlebt habe, fühle ich mich authentisch." Für den eher schüchternen Sänger ist die Transformation auf der Bühne kein Problem. "Stehe ich da oben, fällt die Blockade ab und ich kann ganz offen sein, ohne dass es mir unangenehm wäre. Ich schütte mein Herz aus und das kommt erstaunlich gut an. Ich will die Leute zum Nachdenken bringen und das schafft man nur, wenn man seine persönlichen Gefühle mit ihnen teilt."

Kraft bekommt er auch aus dem Feedback der Fans, die ihm immer wieder Bilder zusenden oder sich für Songs bedanken, die anderen Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen Kraft verschafften. "Wenn jemand ganze Textzeilen von meinen Songs tätowiert hat, dann ist das schön, aber auch etwas erschreckend", schmunzelt Brandenstein, "aber natürlich ist es für mich als Künstler ein großes Lob, weil ich damit offensichtlich einen Nerv getroffen habe und jemandes Leben verschönern konnte." Im Song "Fehlerfrei" geht er durchaus selbstkritisch mit sich ans Werk, "Ebbe & Flut" beschließt das Album mit einem optimistischen Ausblick in die Zukunft. "Es geht darum, nie aufzugeben und daran zu denken, dass auch den dunkelsten Tagen wieder helle folgen, in denen es bergauf geht. Der erste Schritt ist immer ein gesundes Selbstvertrauen."

Endlich live in Wien
Mit einer kräftigen Portion Selbstvertrauen startet der Barde im Herbst nur in seine zweite Tour, wo nicht nur noch größere Hallen auf ihn warten, sondern am 7. Oktober auch die Österreich-Premiere in der Wiener Stadthalle F. "Zu euch habe ich eine ganz besondere Beziehung, denn ein großer Teil meiner Familie wohnt hier. Gerade als Heranwachsender war ich oft bei Onkel, Tante und Cousine zu Besuch." Und er verrät uns auch ein besonderes Geheimnis aus seinen Jugendtagen: "Als 16-Jähriger hatte ich meine erste Freundin in Wien, wir führten eine Fernbeziehung. Sie wohnte in der Brückengasse im 6. Bezirk. Außerdem musste man damals noch Briefe schreiben, denn Mails waren eher unüblich und Whatsapp gab es noch gar nicht."

Neben all den großen Hits seines Erfolgsdebüts mit romantischer Gänsehautgarantie gibt es vielleicht auch die eine oder andere Überraschung in der Stadthalle zu erleben. Brandenstein würde das zweite Album gerne schon 2018 veröffentlichen. "Ich habe schon einige Songs in der Schublade und hoffe, dass mir die Kreativität noch länger erhalten bleibt. Am Ende will ich eine CD in der Hand haben, mit der ich zufrieden bin und die sich gut anfühlt." Vorerst geht es aber eben auf die Bühne. Alle Infos und Tickets für seine Österreich-Premiere am 7. Oktober in der Wiener Stadthalle F gibt es unter 01/588 85-100 oder unter www.ticketkrone.at.

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