Putsch-Jahrestag

Erdogan: “Werden Verrätern die Köpfe abreißen”

Ausland
16.07.2017 08:27

Ein Jahr nach dem Putschversuch in der Türkei hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erneut ein unnachgiebiges Vorgehen gegen die Putschisten und deren Hintermänner angekündigt. "Sowohl die elenden Putschisten als auch jene, die sie auf uns gehetzt haben, werden von nun an keine Ruhe mehr finden", sagte Erdogan bei einer Ansprache Sonntagfrüh vor dem Parlament in Ankara. "Diesen Verrätern werden wir zuerst die Köpfe abreißen", erklärte er und kündigte an, kein Verräter werde ungestraft bleiben.

Er bekräftigte zugleich seine Bereitschaft zur Wiedereinführung der Todesstrafe, wofür eine Verfassungsänderung nötig wäre. Bei einer Gedenkfeier in Istanbul hatte Erdogan kurz zuvor gesagt, er wisse, wer hinter Terrororganisationen wie der Gülen-Bewegung, der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stehe. Erdogan macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Gülen weist das zurück.

Parlamentspräsident Ismail Kahraman nannte Gülen einen "geisteskranken Schizophrenen" und sagte: "Volk, Fahne, Koran, Glaube, Gebetsruf, Freiheit, Unabhängigkeit sind unsere Ehre, unsere Würde. Denjenigen, die unsere Werte angreifen, brechen wir die Hände, schneiden ihnen die Zunge ab und vernichten ihr Leben." Kahraman gehört der Regierungspartei AKP an, der Erdogan vorsteht.

"Hallo, hier spricht Ihr Präsident"
Zum Jahrestag des Putschversuchs hat sich Erdogan auch mit einer politischen Botschaft in die Handys seiner Landsleute eingeschaltet. Die Kunden der Handy-Anbieter hörten am Samstag eine aufgenommene Ansage Erdogans, wenn sie versuchten, jemanden anzurufen.

"Als Ihr Präsident überbringe ich Ihnen meine besten Wünsche zum Tag der Demokratie und der nationalen Einheit", mussten die Handy-Nutzer sich anhören. Erdogan gedachte der Opfer des Putsches und wünschte den "Helden" des Widerstands alles Gute. In den sozialen Netzwerken löste das noch nie dagewesene Vorgehen des Präsidenten eine Welle von Reaktionen aus.

Will Wiedereinführung der Todesstrafe
Erdogan betonte in Ankara, einem Gesetz zur Wiedereinführung der Todesstrafe würde er sofort zustimmen. "Wenn es ins Parlament kommt - und ich glaube daran, dass es vom Parlament verabschiedet wird - und wenn es vom Parlament verabschiedet wird und zu mir kommt, werde ich das ohne Zögern bewilligen", sagte er. "Und ich persönlich achte nicht darauf, was Hans und George dazu sagen. Ich achte darauf, was Ahmet, Mehmet, Hasan, Hüseyin, Ayse, Fatma und Hatice sagen."

Mit "Hans und George" spielt Erdogan auf EU-Staaten wie Deutschland und Großbritannien an. Die EU hat deutlich gemacht, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe das Ende des Beitrittsprozesses bedeuten würde. Erdogan übte in einer dritten Ansprache nach dem Morgengebet in Ankara scharfe Kritik an der EU, der er vorwarf, die Türkei seit 54 Jahren vor der Türe stehen zu lassen. "Immer noch machen sie sich über uns lustig", sagte Erdogan. "Die Versprechen, die sie gegeben haben, halten sie nicht."

Erdogan kündigte an, dass Untersuchungshäftlinge, die der Beteiligung am Putschversuch beschuldigt werden, künftig Uniformen ähnlich derer der Insassen im US-Gefangenenlager in Guantanamo tragen sollten, wenn sie vor Gericht erscheinen. "Ich sage, ziehen wie denen nun, so wie in Guantanamo, eine spezielle Kleidung an und so sollen sie dann auch vor Gericht erscheinen. Herausgeputzt vor Gericht zu erscheinen, so etwas kann es nicht geben."

Mehr als 50.000 in Untersuchungshaft
Im Zusammenhang mit dem Putschversuch sitzen derzeit mehr als 50.000 Verdächtige in Untersuchungshaft. Rund 150.000 Staatsbedienstete wurden seit dem Putschversuch entlassen oder suspendiert. Erdogan forderte die Bürger dazu auf, mutmaßliche Gülen-Anhänger den Sicherheitskräften zu melden. "Jeder soll sagen, was er weiß", sagte er. "Niemand soll sich davor scheuen, deren Namen zu nennen."

Betroffen sind neben Tausenden Militärs, Polizisten, Staatsanwälten und Richtern auch kurdische Oppositionelle, kritische Journalisten und unabhängige Wissenschafter. Erdogan rechtfertigte die Maßnahmen seiner Regierung. "Wir haben einen Preis gezahlt", sagte er in seiner Ansprache. "Die Unabhängigkeit und die Zukunft, die wir im Gegenzug für unsere Opfer gewonnen haben, sind aber unbezahlbar."

Zehntausende auf Bosporus-Brücke
Die Türkei beging am Samstag mit einer Reihe von Gedenkfeiern und Kundgebungen den ersten Jahrestag des gescheiterten Militärputsches gegen Erdogan. Am Abend folgten Zehntausende Menschen dem Aufruf der Regierung, sich auf einer Bosporus-Brücke in Istanbul zu versammeln (Video unten), wo sich Putschisten und ihre Gegner vor einem Jahr blutige Kämpfe geliefert hatten.

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