Prozess in Linz

Mutmaßlicher Kriegsverbrecher streitet 16 Morde ab

Österreich
09.12.2015 15:20
Am Mittwoch ist in Linz der Auftakt zu einem spektakulären Mordprozess erfolgt. Ein gebürtiger Bosnier musste sich wegen 16-fachen Mordes vor Gericht verantworten, die er während des Jugoslawienkrieges im Jahr 1992 begangen haben soll. Der mittlerweile österreichische Staatsbürger bekannte sich nicht schuldig, seine Anwälte plädierten auf Freispruch. Der Prozess wird am 15. Jänner fortgesetzt, 30 Verhandlungstage sind anberaumt.

Dem Angeklagten wurde weiters noch ein dreifacher Mordversuch sowie elffach vollendete und einmal versuchte Brandstiftung zur Last gelegt. Staatsanwältin Doris Fiala schilderte in ihrem Eröffnungsplädoyer, was in der Morgendämmerung des 17. September 1992 in dem serbischen Bauerndorf Serdari in der Provinz Kotor Varos geschah. Sieben Männer, sieben Frauen und zwei Kinder seien aus Rache für serbische Angriffe von Kroaten und Bosniaken erschossen und sechs Häuser angezündet worden. Anhand von Fotos verdeutlichte sie den Geschworenen den Hergang des Überfalls durch die Territorialarmee.

Zeugen belasten den Angeklagten
Vier mutmaßliche Haupttäter fassten 2014 in Sarajevo Haftstrafen zwischen neun und elfeinhalb Jahren aus. Im Jänner 2015 wurde das Urteil aber wegen Formalfehlern aufgehoben. Im Zuge des Verfahrens belasteten zwei Zeuginnen auch den 48-jährigen Österreicher. Die Staatsanwaltschaft Linz berief sich in ihrer Anklage auf die Aussagen dieser Frauen. Eine, die den Angriff überlebte, sagte bereits 1993: "Ja, ich habe ihn genau erkannt, an seiner Stimme und an seinem Aussehen", verlas Fiala das seinerzeitige Einvernahmeprotokoll.

Verteidigung: "Mandant hat kein Motiv"
Verteidiger Jürgen Nowotny stellte hingegen in Zweifel, wie eine Person einen jungen Mann an dessen Stimme identifizieren könne, den sie nur als Volksschüler erlebt habe. Abgesehen davon beteuere sein Mandant, beim Überfall nicht einmal dabei gewesen zu sein. Was den Baggerfahrer, der heute bei Linz lebt, aber am meisten entlaste: "Er hat kein Motiv für eine Vergeltung an den Serben, denn alle seine Verwandten kamen unversehrt davon", betonte Nowotny.

Angeklagter bestreitet Teilnahme an Massakers
Der Angeklagte bestritt vehement, jemals in der Territorialarmee gekämpft zu haben - weder am Tag des Massakers noch während des Krieges überhaupt. Insgesamt blieb er mit seinen Angaben zu Zeiten und Namen eher vage. Er schilderte, dass er sich nach serbischen Angriffen wie etliche andere in das Dorf Vecici zurückgezogen habe. Dort sei er für die Beschaffung von Nahrung zuständig gewesen.

Widersprüche und offene Fragen
Im Laufe der Verhandlung taten sich allerdings Widersprüche und offene Fragen auf: Wann er eingeschult wurde, konnte der Angeklagte ebenso wenig beantworten wie die Frage nach dem Zeitpunkt seines Einrückens zum jugoslawischen Militär. "Sie wissen heute nicht, wann Sie in die Volksschule gegangen sind und wann sie beim Militär waren. Das ist für mich nicht sehr glaubwürdig", sagte ein Beisitzer.

Hatte der 48-Jährige bei der Polizei noch behauptet, zum Zeitpunkt des Überfalls in den Wäldern der Region gewesen zu sein, sagte er nun, er habe sich im Ort Vecici aufgehalten. Er versicherte aber, nie eine Waffe besessen oder gekämpft zu haben.

Urteil voraussichtlich erst im Sommer 2016
Da sich der Verteidiger gegen ein Verlesen von Zeugenaussagen aus dem Ermittlungsverfahren aussprach, bevor die Betreffenden vor Gericht gehört worden sind, wurde die Beschuldigteneinvernahme am Mittwoch beendet. Der Prozess geht am 15. Jänner weiter. Ein Urteil dürfte erst im Sommer 2016 gesprochen werden. Der Strafrahmen beträgt fünf bis 20 Jahre.

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