krone.at-Test

BQ Aquaris E4.5: So fühlt sich das Ubuntu-Handy an

Elektronik
19.07.2015 08:30
Der spanische Smartphone-Hersteller BQ bietet mit dem Aquaris E4.5 in der Ubuntu-Edition als erster Hersteller in Österreich ein Smartphone mit der mobilen Variante der Linux-Distribution Ubuntu an. Die hebt sich mit ihrem themenzentrierten Bedienkonzept von anderen Systemen ab und stammt als eines von wenigen mobilen Betriebssystemen nicht von einem großen US-Technologiekonzern, sondern vom britischen Linux-Spezialisten Canonical. Wie sich Betriebssystem und Gerät in der Praxis schlagen, hat krone.at getestet.

In der Entwicklung ist der mobile Ableger der beliebten Linux-Distribution Ubuntu nun schon seit einer ganzen Weile, kaufen konnte man Geräte mit dem neuen Betriebssystem bis vor Kurzem allerdings noch nicht. BQ ändert das nun und bringt mit dem Aquaris E4.5 und dessen großem Bruder Aquaris E5 - hier finden Sie den Test der Android-Variante - die ersten Ubuntu-Smartphones nach Österreich.

Tatsächlich handelt es sich um die einzigen Ubuntu-Handys, die man hierzulande bekommt – das dritte Ubuntu-Smartphone wurde erst kürzlich enthüllt, stammt vom chinesischen Hersteller Meizu und ist bis auf Weiteres nur auf Einladung erhältlich.

Das Aquaris E4.5, das es in unser Testlabor geschafft hat, ist ein Einsteigergerät. Es spielt mit einem Preis von unter 200 Euro in einer erschwinglichen Preisklasse und wartet mit zweckmäßiger, aber nicht sonderlich starker Hardware auf. Was genau in dem Gerät steckt, zeigt die Tabelle:

BQ Aquaris E4.5 Ubuntu Edition

CPU

MediaTek 1,3 GHz Quad-Core

RAM

1 GB

Diagonale

4,5 Zoll

Auflösung

960 x 540 Pixel

Speicher

8 GB

microSD-Slot

Bis 32 GB

Hauptkamera

8 Megapixel; Dual-LED-Blitz, Autofokus

Frontkamera

5 Megapixel

Funk

HSPA+, N-WLAN, Bluetooth 4.0, GPS

Maße

137 x 67 x 9 Millimeter; 123 Gramm

Akku

2.150 mAh

Software

Ubuntu 14.10

Extras

Dual-SIM

Straßenpreis

Ab 170 Euro

Normalerweise würden wir uns nun mit der Hardware-Leistung des Geräts befassen, weil die verbauten Komponenten aber recht unspektakulär sind, wollen wir uns zunächst den Software-Besonderheiten zuwenden. Ubuntu Phone setzt nämlich auf ein ganz anderes Bedienkonzept als etwa Android, iOS oder Windows Phone.

"Scopes" statt Apps im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt des mobilen Linux stehen die sogenannten "Scopes". Dabei handelt es sich um nach Themenbereich sortierte Startbildschirme, über die beispielsweise alle wichtigen Benachrichtigungen des Tages, Musik-, Video-, Foto- und Navigationsdienste auf einen Blick zugänglich sind – so zumindest das Versprechen der Ubuntu-Programmierer.

Ab Werk sind fünf verschiedene Scopes verfügbar: "Heute" liefert einen Überblick über Termine, Wetter, Anrufe und Nachrichten. "NearBy" soll vor allem auf Reisen nützlich sein und liefert Infos zum Wetter, nahen Sehenswürdigkeiten und Gaststätten sowie Wikipedia-Artikel zu einer Gegend und Konzert-Tipps. Das Musik-Scope vereint Soundcloud-Songs, YouTube-Musikvideos, den Musik-Shop 7Digital und Konzert-Tipps. Und Video- und Foto-Scope liefern YouTube-Videos, Flickr-Bilder, Facebook-Fotos und -Videos sowie Vimeo-Kurzfilme. Wer mag, kann weitere Scopes herunterladen und hinzufügen – etwa für personalisierte Nachrichten.

Aufgeräumtes und durchdachtes Interface
Das Bedienkonzept mit den themenzentrierten Scopes hat uns im Test gut gefallen. Die einzelnen Themenbereiche liefern tatsächlich erstaunlich viele nützliche Infos und ersparen das Öffnen der einen oder anderen App. Die Oberfläche der einzelnen Scopes wirkt aufgeräumt, Details wie ein "Wie fühlen Sie sich?"-Button im "NearBy"-Scope, mit dem die Empfehlungen an die eigenen Wünsche angepasst werden, wirken durchdacht. Und dass viele Online-Dienste wie YouTube oder Flickr direkt über ihre Programmierschnittstellen in das Betriebssystem eingebunden werden können, werten wir ebenfalls positiv.

Gut gelungen sind auch die Interface-Bestandteile abseits der Scopes. Benachrichtigungen und Einstellungen sind – ähnlich wie bei Android – über einen Benachrichtigungsbereich im oberen Bildschirmbereich zugänglich, werden teilweise auch am Sperrbildschirm angezeigt. In den Task-Manager gelangt man über einen Wisch von der rechten Bildschirmkante, der anpassbare App-Starter erscheint durch einen Wisch von Links.

Apps sind derzeit noch Mangelware
Dass Online-Dienste über Programmierschnittstellen eingebunden werden können, ist für Ubuntu Phone derzeit noch lebensnotwendig. Was die App-Auswahl im Ubuntu Store angeht, herrscht derzeit nämlich noch massiver Nachholbedarf. Zwar haben einige Early Adopter – etwa Evernote, Amazon oder eBay – bereits Anwendungen für das neue Betriebssystem programmiert und für Allerweltsaufgaben wie E-Mails oder Musik sind brauchbare Anwendungen vorinstalliert, der überwiegende Großteil populärer Apps ist auf Ubuntu Phone bislang aber nicht verfügbar.

WhatsApp fehlt noch, populäre Cloud-Dienste wie Dropbox, OneDrive oder Google Drive ebenfalls. Für vieles gibt es zwar Alternativen – statt Google Maps kann man Nokia HERE nutzen, als WhatsApp-Ersatz steht Telegram bereit – aber die noch recht dünne App-Auswahl halten wir trotzdem für die aktuell wohl noch größte Schwachstelle des neuen Betriebssystems. Angesichts dessen, dass es bislang nur drei Ubuntu Phones gibt, erscheint es aus heutiger Sicht auch unwahrscheinlich, dass sich daran rasch etwas ändern wird.

Davon abgesehen scheint Ubuntu Phone auf einem guten Weg zu sein. Selbst auf der eher schwachen Test-Hardware lief das System weitgehend flüssig, hin und wieder "verschluckte" sich das System aber auch und brauchte etwas Bedenkzeit. Optisch gibt es sich unaufdringlich und aufgeräumt. Nutzerfreundlich: App-Berechtigungen können in den Einstellungen zentral eingesehen und bei Bedarf auch wieder entzogen werden. Ein Feature, das wir uns auch von Android wünschen würden.

Ausreichend stark, Display und Kamera OK
Abseits des Bedienerlebnisses durch Ubuntu Phone ist das Aquaris E4.5 ein recht solides Einsteiger-Smartphone. Die Hardware-Power reicht für den Alltag der meisten Nutzer, bei vielen geöffneten Apps kann es aber zum einen oder anderen Ruckler kommen. Für Games ist das Gerät auch eher schlecht gerüstet, aber die sind auf Ubuntu Phone ohnedies noch eher Mangelware. Der knappe interne Speicherplatz reicht für das Grundsystem und ein paar Apps, persönliche Daten werden die meisten Nutzer aber wohl auf einer Speicherkarte parken.

Das Display ist blickwinkelstabil und ausreichend hell, löst aber eher niedrig auf. Die Folge: Text könnte etwas schärfer sein, Bilder und Videos wirken nicht so detailreich wie auf Geräten mit höherer Bildschirmauflösung. Die Kamera erfüllt ihren Zweck und knipst bei gutem Licht brauchbare Schnappschüsse, könnte für unseren Geschmack aber etwas schneller scharfstellen und auslösen. Im Zwielicht stößt sie schnell an ihre Grenzen und produziert Bildrauschen. Glücklicherweise hat das Gerät für solche Lichtsituationen einen recht potenten Blitz an Bord. Die Frontkamera ist für Videotelefonate und Selfies gut geeignet, an ihr haben wir nichts auszusetzen.

Unspektakulär, aber sauber verarbeitet
Haptik und Verarbeitung des BQ Aquaris E4.5 sind für ein Gerät dieser Preisklasse durchaus in Ordnung. Das Gerät kommt im unspektakulären schwarzen Plastikchassis. Es ist sauber verarbeitet, knarzt nicht und hat kein Spiel und bietet mit seiner matten Rückseite Fingerabdrücken wenig Angriffsfläche. Der Akku reicht für einen Tag Betrieb und ist fix verbaut, kann also nicht ohne Weiteres ausgetauscht werden.

Großer Bruder mit höherer Auflösung und flotterem Prozessor
Erwähnenswert: Das BQ-Smartphone hat einen verhältnismäßig guten Klang und ist ausreichend laut. Mit seinen 4,5 Zoll Diagonale und den abgerundeten Kanten liegt das Aquaris E4.5 zudem auch in kleineren Händen noch gut. Wer größere Smartphones bevorzugt, sollte indes einen Blick auf den großen Bruder Aquaris E5 werfen, der nebenbei auch eine höhere Bildschirmauflösung und einen flotteren Prozessor mitbringt.

Fazit:Solides Gerät, interessantes OS, zu wenige Apps
Das BQ Aquaris E4.5 in der Ubuntu-Edition ist ein solides Stück Einsteiger-Hardware mit einem interessanten und durchdachten Betriebssystem. Im Test gefiel uns Ubuntu Phone bereits recht gut, das Bedienkonzept mit den themenbasierten Scopes erscheint vielversprechend, derzeit leidet das System aber noch unter seiner dürftigen App-Auswahl und gelegentlichen Rucklern und Bedenkpausen. Für die meisten täglichen Aufgaben ist es zwar gerüstet, um interessant für den Durchschnittsnutzer zu werden, braucht Ubuntu Phone aber noch bekannte App-Namen wie WhatsApp.

Wenn die da sind, könnte es sich durchaus zu einer Alternative zu den Betriebssystemen der großen US-Konzerne mausern. Leicht wird es allerdings nicht, schließlich lehrt das Fallbeispiel Windows Phone, dass App-Entwickler sich erst dann für eine Plattform interessieren, wenn sie zahlreiche Nutzer hat. Und Nutzer werden von Apps angezogen – ein Teufelskreis für Nischenbetriebssysteme. Eine Hoffnung bleibt: Weil Ubuntu Phone und Android mit Linux das gleiche Grundgerüst teilen, dürfte die Portierung von Android-Apps auf Ubuntu Phone vergleichsweise einfach sein.

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