Zweiter Tag

“Rock in Vienna”: Von der Muse geküsst

Musik
06.06.2015 08:33
Nach der rauen Performance von Metallica überzeugten Freitagabend die Filigrantechniker von Muse am zweiten Tag des "Rock in Vienna" auf der Donauinsel. Mit einer opulenten Licht-Show, Hits aus allen Karrierelagen und starken neuen Songs zogen sie die Aufmerksamkeit von 25.000 Menschen auf sich.
(Bild: kmm)

Der befürchtete Zuschauereinbruch blieb aus – auch am zweiten Tag des "Rock in Vienna"-Festivals auf der Donauinsel feierten etwa 25.000 Fans mit. Dieses Mal zu etwas sanfteren Klängen, denn nach der Metal-Überdosis von Metallica schickten sich die britischen Alternative-Rocker Muse an, Wien zu bedröhnen. Erst knapp zwei Stunden vor dem pünktlichen Konzertbeginn gelandet, ließen sich Matt Bellamy und Co. allerdings nie anmerken, dass das Zeitmanagement ein beinahe zu knappes gewesen wäre.

Verarbeitung in großem Stil
Zudem hat die Band für den Österreich-Gig das perfekte Momentum erwischt, denn just am Auftrittstag konnten Fans erstmals die Erstpressung des brandneuen Studioalbums "Drones" aus der Plastikverpackung reißen. Das Konzeptalbum mit politischem und sozialkritischem Touch beinhaltet aber auch genug Persönliches – auch wenn Bellamy die Verarbeitung der Trennung von Kate Hudson in den Lyrics nie offen zugegeben hat. Ein Bellamy-Alleingang wie das Album ist das Livekonzert aber nicht, denn neben der grandiosen Falsett-Stimme des Frontmanns sind es vor allem die rhythmischen Akzente von Drummer Dom Howard und Bassist Chris Wolstenholme, die unglaublich wuchtig aus den Boxen waberten.

Anstatt das neue Werk stolz und groß vorzustellen, konzentrierten sich Muse aber doch auf eine opulente Best-Of-Show, die vor allem visuell alle Stückerl spielte. Riesige Videoleinwände und faszinierende Lichteffekte könnten bei so mancher Band schnell über Unvermögen im Songwriting hinwegtäuschen, doch durch den üppigen und qualitativ hochwertigen Backkatalog der Band besteht diese Gefahr zu keiner Sekunde. Immerhin vier "Drones"-Nummern lassen die Briten vor Drohnen-Videos auf den Screens vom Stapel, besonders das eindringlich-bombastische "Mercy" hat dabei das Zeug zum Evergreen.

Zurück zum Ursprung
Dass die Band vom Vorgängeralbum "The 2nd Law" nur mehr "Animals" im Programm hat ist ein klarer Fingerzeig zur Rückbesinnung auf rockige Tugenden. So wird das 100-Minuten-Set auch mit einem Drum- und Bass-Solo, Gitarren-Tapping und progressiven Instrumental-Stakkatos verstärkt – alles im gleißenden Stroboskop-Effekterausch, der manchmal schon etwas zu stark von der breiten "Soulstage" projiziert. Große Reden hat das Trio nicht nötig, die Magie ihrer Show entfacht sich schon durch den oftmaligen Wechsel von Bellamy zwischen Gitarre und Piano und der Fülle an unsterblichen Hits. "Plug In Baby", "Uprising" und "Stockholm Syndrome" sollen hier nur exemplarisch genannt werden.

Im Gegensatz zu Metallica wurde auch die Laustärke des Sounds offensichtlich heruntergefahren. Die Kritik, dass man den Headliner des ersten Tages bis zum Matzleinsdorfer Platz oder bis nach Dornbach hören konnte, dürfte für eine leichte Anpassung gesorgt haben. Die Stimmung beim Headliner war jedenfalls weltmeisterlich – da hätten die vom Winde verwehten Papierschlangen bei "Time Is Running Out" gar nicht mehr sein müssen. Nach dem grandiosen Closer "Knights Of Cydonia" verabschiedete sich Bellamy sichtlich zufrieden und kündigte ein Wiedersehen 2016 an. Vielleicht in der Stadthalle - vielleicht mit echten Drohnen als Show-Gimmick. Wer weiß?

Die seligen 90er-Jahre
Neben dem audiovisuellen Flächenbrand des Headliners verblassten die "Vorbands" natürlich deutlich. Auch die wieder an neuem Material arbeitenden Incubus, die neben Klassikern wie "Drive" oder "Nice To Know You" auch Material der eher zwiespältig aufgenommenen neuen EP "Trust Fall (Side A)" in die Menge federte. Gitarrist Mike Einziger im nerdigen, bis oben zugeknöpften Hemd und der sichtlich stolz seinen trainierten Körper zeigende Sänger Brandon Boyd sorgten nicht nur optisch für 90er-Flair. Die eher ruhig dahin plätschernden Songs erinnerten ein ums andere Mal an das Alternative-Jahrzehnt der Flanellhemden, zwischendurch verrührten Incubus sogar Nirvana-Zitate in ihren Gig.

Dass die Stimmung trotz diverser Kulthits hier nicht kochte, lag an der schwedischen Rotzrock-Combo The Hives. In klassischen Schwarz-Weiß-Anzügen und mit dem bekannten Strippenzieher als Hintergrundmotiv bot im Vergleich zu den letzten Clubshows zwar wenig Neues, aber hier dreht sich ohnehin alles um den exaltierten Frontmann Howlin' Pelle Almqvist, der sich in ironischer Unbescheidenheit ein ums andere Mal mit dem Publikum anlegte, sich und seine Band humorig auf ein Podest hob und sogar einem Fotografen die Kamera abluchste. "Walk Idiot Walk" oder "Tick Tack Boom" sind im Prinzip nur nette Beiwerk-Songs zum Gesamtpaket, das aus vielen Witzen, proaktiver Kommunikation und Crowdsurfing seitens des Sängers bestand. Ein Derwisch auf Tour eben.

Grande Finale mit KISS
Am letzten Tag geht es übrigens noch einmal ungleich härter weiter. Bands wie Boon, Schirenc Plays Pungent Stench, Heaven Shall Burn oder Sabaton versprechen Härte in verschiedensten Varianten. Besonders interessant wird die Österreich-Premiere der umstrittenen Japanerinnen BABYMETAL und die wiedererstarkten Limp Bizkit, die derzeit nicht einmal ein neues Album brauchen, um die Hallen zu füllen. Abgeschlossen wird das Festival von einer Bombast-Show der Kult-Rocker KISS. Tickets für den Samstag sind noch an der Tageskassa erhältlich - ebenso wie das Bier am Gelände, das heute nicht ausging.

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