Aus der Asche von Figure Four entstand vor 25 Jahren in Kanada die Hardcore-Band Comeback Kid, die fünf Jahre später mit dem Zweitwerk „Wake The Dead“ Szenegeschichte schrieb. Gründungsmitglied und Gitarrist Jeremy Hiebert erinnert sich im „Krone“-Talk zurück und blickt dabei auch nach vorne.
Mit der in der Hardcore-Szene durchaus wegweisenden Band Figure Four überzeugten die Teenager-Freunde Andrew Neufeld und Jeremy Hiebert schon Ende der 90er-Jahre. Pünktlich zum Millennium schlossen sich die Kanadier mit einer Handvoll neuer und frischer Musiker zu Comeback Kid zusammen und starteten damit eine richtige Karriere. Ein halbes Jahrhundert später ist Hiebert 49 Jahre alt und mit seiner Band ungebrochen motiviert auf Tour. Erst vergangenen Frühling etwa als Support der beiden Punkrock-Größen Pennywise und Propaghandi, die Comeback Kid in die Wiener Arena führten. „Ich kann dir unmöglich sagen, wie oft wir schon hier in der Arena gespielt haben“, gab uns der Gitarrist schmunzelnd im „Krone“-Talk bekannt, „ich kenne dieses Areal schon so gut wie mein eigenes Haus, aber dass wir auf dem Open-Air-Gelände spielen durften, war auf jeden Fall eine neue Erfahrung für uns.“
Es geht immer weiter
In die Musik zu gehen, war für den jungen Hiebert vor rund 30 Jahren eine ganz klare Angelegenheit. „Ich habe zum Leidwesen meiner Eltern früh beschlossen, dass ich keinesfalls auf College gehen werden, sondern meine ganze Kraft in die Musik stecken würde. Du gründest eine Band, spielst ein paar Konzerte, plötzlich bist du auf einer kanadischen Tour, dann in den USA und irgendwie landest du in Europa. So hat sich eins ums andere ergeben und man ist im Kreislauf des Musikbusiness drinnen.“ Derart energetische Shows wie in den 2000er-Jahren bringen Comeback Kid nicht mehr auf die Bühne, aber es ist immer noch weit mehr als bloßes körperliches Workout für gestandene Männer im Erwachsenenleben. „Wir sind mittlerweile alle Familienväter und haben Verantwortung. Damit einhergehend haben wir auch Mittel und Wege gefunden, wie wir außerhalb des Tourzyklus Geld einnehmen und uns über Wasser halten, aber ein sicheres, luxuriöse Leben sieht anders aus.“
Zur Kultband avancierte das Gespann aus Winnipeg, Manitoba mit dem Zweitwerk „Wake The Dead“, das man vor exakt 20 Jahren auf die Menschheit losgelassen hat und dessen Titeltrack zur wichtigsten und prägendsten Hymne für Comeback Kid wurde. Das von Descendents-Legende Bill Stevenson über den Zeitraum von 13 Tagen in Colorado aufgenommene Album hatte im Original Scott Wade als Sänger. Nach dessen Abgang übernahm Neufeld den Gesang (wie schon einst bei Figure Four) – zum Jubiläum hatten Comeback Kid die nachvollziehbare Idee, den Fan-Favoriten mit Neufelds Stimme noch einmal neu aufzunehmen und damit auf eine ausladende Jubiläumstour zu gehen. „Ich hätte lieber das 25-Jahre-Jubiläum der Band gefeiert, aber mir ist gleichzeitig auch bewusst, welchen Einfluss dieses Album auf viele Menschen und unsere Karriere hatte“, so Hiebert, „der Titelsong ist unser größter Hit. Er hat uns einen Großteil von dem beschert, was wir heute sind.“
Sprung in die Vergangenheit
Sorgenvoller blickte der Gitarrist schon in Richtung Jubiläumstour, weil er nicht genau wusste, wie gut andere, weniger populäre Songs des Albums funktionieren würden, wenn man sie auf Tour live präsentieren würde. „Wir haben lange überlegt, aber irgendwann beschlossen, einfach das ganze Album zu spielen und nicht mehr extra darüber nachzudenken. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass es mir so viel Spaß machen würde, dieses Album auf Tour noch einmal neu so zu erleben. Drei Songs vom Album haben wir vorher überhaupt nie live gespielt - wir haben sie also 20 Jahre nicht mehr angerührt.“ Sich diesem alten Material wieder gewahr zu werden, bedeutete für die Musiker auch, in die eigene Vergangenheit einzutauchen. „Mein Leben, meine Denkweise und alles andere waren damals ganz anders“, lacht Hiebert, „es ist aber auch cool, sich zu vergegenwärtigen, welche Dinge sich wie über 20 Jahre hinweg verändert haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir dieses Album und diesen Song haben, auch wenn er bei weitem nicht mein Lieblingslied von uns ist.“
Die Magie dieses Liedes habe man erst nach dem fertigen Mix bemerkt. „Am Anfang war es einer von elf Songs, die auf dem Album landeten. Als dann alles fertig aufgenommen, produziert, gemischt und gemastert war, hatte ich erstmals selbst das Gefühl, dass die Nummer bei den Leuten draußen gut ankommen könnte.“ Comeback Kid waren schon immer eine Band mit unterschiedlichen Ansichten und Meinungen, umso schwieriger fällt es den Musikern, mit ihren Projekten zu einem Abschluss zu kommen. Das ist mitunter der Grund, warum es meist drei bis vier Jahre braucht, bis man die Fans wieder mit einem neuen Studioalbum erfreut. „Am Ende des Tages sind wir alle irrsinnig froh, dass wir diesen Job machen dürfen. Hättest du mich vor 25 Jahren gefragt, ob ich noch immer in einer Hardcore-Band um die Welt touren würde, hätte ich dich ziemlich sicher ausgelacht. Wir waren als Band immer sehr stur, aber das hat uns gleichzeitig auch sehr viele Türen geöffnet.“
Reife statt Enthusiasmus
Das letzte Studioalbum, „Heavy Steps“, hat auch schon wieder geschlagene vier Jahre auf dem Buckel – das nächste ist noch nicht absehbar. Hiebert betont im Gespräch, dass man noch keine konkreten Songwriting-Sessions anberaumt habe und nur sehr grob mit ersten Gedanken und Ideen jongliert. Überraschend offen und ehrlich zeigt er sich auch auf die Frage, wie es denn nach einem Vierteljahrhundert mit der Band im Allgemeinen weitergehen wird bzw. könnte. „Unsere Körper erholen sich von Strapazen nicht mehr so schnell wie früher, unsere Familien brauchen uns und unsere Zeit. Ich bin ehrlich, es macht nicht mehr den Spaß, den es vor 20-25 Jahren gemacht hat. Da ist man auf der Straße, lernte neue Länder, Kulturen und Menschen kennen und alles ist ständig aufregend. Ich liebe meinen Job, nicht falsch verstehen, aber der Enthusiasmus dafür ist weg. Ich schätze diese Leben heute aus einer reiferen und entspannteren Perspektive.“
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