Wenn Kummer statt Vorfreude auf die Feiertage überwiegt, dann hat das meist einen Grund: Einsamkeit. Gerade zu dieser Zeit wird sie sichtbarer. In Wien gibt es daher viele Angebote für Gespräche oder Beisammensein.
Während die einen Weihnachten mit der Familie unter dem Christbaum verbringen, leiden andere unter fehlenden Kontakten an den Feiertagen. „In der Weihnachtszeit wird die Einsamkeit spürbarer“, erzählt Flora Gall. Sie ist Leiterin des Plaudernetzes der Caritas, wo rund 4000 Freiwillige ein offenes Ohr für die Sorgen Erwachsener haben.
Rund um die Feiertage dauern die Telefonate meist länger, beobachtet sie. „Im Durchschnitt spricht man 29 Minuten. Im Dezember dauert ein Telefonat eher 33 Minuten“, sagt sie.
Von Singen über Gedichte bis munteres Plaudern
Gesprochen wird über Ängste, Sorgen oder Sehnsüchte. Letzteres schwingt vor allem während der Feiertage mit, so Gall. „Viele erzählen dann von Weihnachten in ihrer Kindheit, dem Essen oder ihren Familien.“
Manchmal wird aber auch gesungen, erzählt Renate O. Sie ist eine Freiwillige beim Plaudernetz und will anonym bleiben. „Ich habe schon oft mit Menschen gesungen. Einmal wurde mir ein Lied auf dem Klavier vorgespielt oder ein Gedicht aufgesagt“, erinnert sich O.
Meistens tritt sie mit ihren Anrufern aber in den Dialog. „Ich bin eher die, die plaudert und nicht nur zuhört“, sagt sie. Ein Gespräch kann bei ihr auch über eine Stunde dauern. „Ich schaue da nicht auf die Uhr.“ Sie wolle den Menschen Zeit geben. Denn jeder dürfe einmal sagen, dass es einem nicht gut gehe. Heutzutage werde das immer als „jammern“ abgetan, bekrittelt die Freiwillige. „Die Menschen haben auch das Gefühl, dass sie mit ihrer Einsamkeit allein sind“, so O. Sie versuche dann zu vermitteln, dass ihre Gefühle berechtigt und keineswegs ungewöhnlich seien.
Ich habe schon oft mit Menschen gesungen, mir wurde auch schon einmal ein Lied auf dem Klavier vorgespielt
Renate O., Freiwillige vom Plaudernetz
Problem über alle Generationen hinweg
Da die Anrufe immer anonym passieren, könne O. gar nicht genau sagen, wie alt ihr Gesprächspartner ist. Gefühlt seien es an den Feiertagen aber eher ältere Menschen. „Sie haben oft aus irgendeinem Grund keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie oder können sie nicht sehen“, so O.
Männer belaste eher eine fehlende Partnerschaft, Frauen erzählen von wenig Kontakt zu ihren Liebsten. Tendenziell sehe man beim Plaudernetz aber, dass immer mehr junge Menschen über Einsamkeit klagen, so Gall. Das habe etwas mit den Nachwirkungen der Corona-Pandemie zu tun, schätzt sie. Gleichzeitig sehe sie im Alleinsein eine gewisse „gesellschaftliche Tendenz“.
„Wir leben immer mehr in Singlehaushalten, sind öfter im Home Office und viel auf Social Media“, zählt die Expertin auf. Auch die Teuerung trage ihren Teil dazu bei. Jüngere würden ihre sozialen Kontakte einschränken, weil sie sich das Ausgehen nicht mehr leisten können oder wollen.
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