Die Administration von US-Präsident Donald Trump übt derzeit enormen Druck auf die Kiewer Regierung aus – damit die Ukraine in den nächsten Tagen einlenkt und dem vorgesetzten, für sie nachteiligen Friedensplan zustimmt. Das Problem: Danach könnte der Albtraum erst recht weitergehen.
Am Mittwoch wurde ein neues US-Dokument zur Beendigung des Blutvergießens in dem kriegsgebeutelten Land bekannt. Weder wurde die Ukraine in dessen Ausarbeitung eingebunden, noch kommt es deren Forderungen auch nur ansatzweise entgegen. Unter anderem soll die Ukraine den Donbass praktisch aufgeben, die vom Kreml im Jahr 2014 illegal einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim abtreten, die Zahl ihrer Streitkräfte halbieren sowie einem NATO-Beitritt abschwören.
Dessen ungeachtet geht das Weiße Haus der britischen Tageszeitung „Financial Times“ zufolge davon aus, dass der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj bis zum Erntedankfest Thanksgiving am 27. November seine Unterschrift unter den Friedensplan setzen wird.
Gesprächspartner des Blattes verglichen diese Vorgehensweise aus Washington mit der Art, wie die USA mit der Ukraine ein Abkommen über die Bodenschätze fixiert hatten. Dieses sieht vor, den Vereinigten Staaten Zugang zu Bodenschätzen in der Ukraine zu gewähren, im Gegenzug erhält Kiew von den USA finanzielle und militärische Unterstützung im Abwehrkrieg gegen Moskau. Die vom Weißen Haus angestrebten Fristen zur Beendigung des Kriegs seien jedoch kaum realistisch, lautet das Fazit der Experten.
Wir sind hier nicht Schiedsrichter, aber wir sind Anwalt der Ukraine, denn die Ukraine verteidigt ihre Freiheit und die Freiheit Europas.
Deutschlands Außenminister Johann Wadephul
Putin gibt sich gewohnt kompromisslos
Der russische Machthaber Wladimir Putin zeigt sich gar nicht versöhnlich und besuchte indes demonstrativ einen Kommandoposten der russischen Armee. In Tarnuniform bekräftigte er das Festhalten an seinen Kriegszielen. „Wir haben unsere gemeinsamen Aufgaben, unsere Ziele. Das Wichtigste ist, unbedingt die Ziele der speziellen Militäroperation zu erreichen“, wurde Putin vom Kreml zitiert.
Russland-Experte warnt vor Falle
Dem Russland-Kenner und Historiker Peter Ruggenthaler gibt gegenüber „krone.at“ insbesondere der Punkt 10 im vorgelegten Friedensplan zu denken. Demzufolge soll die US-Sicherheitsgarantie bei einem ukrainischen Angriff auf Russland wieder ausgehebelt werden. Das für seine Verleumdungskampagnen bekannte Moskauer Regime könnte infolge einen Angriff durch Kiew inszenieren und dann die Kampfhandlungen wieder fortsetzen, warnt Ruggenthaler. Er meint: „Das könnte eine verhängnisvolle Falle für den Westen sein.“
Europa sieht sich als „Anwalt der Ukraine“
US-Vertreter hätten am Freitag die Botschafter der Europäischen Union über einen Entwurf für einen Friedensplan unterrichtet, erklärte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Die EU knüpft ihre Unterstützung für den Friedensplan allerdings an Bedingungen: Ein solcher Plan müsse einen dauerhaften und gerechten Frieden bringen und sowohl die Ukraine als auch die EU einbeziehen, wie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Brüssel erklärte. Jeder Plan könne nur funktionieren, wenn die Ukraine und die Europäer an Bord seien.
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul zeigte sich ebenfalls erneut zurückhaltend zum US-Vorstoß. „Ich bewerte den nach wie vor so, dass es eine Auflistung der Themen ist, die dringend besprochen werden müssen zwischen der Ukraine und Russland. Es sei kein abschließender Plan, er begrüße die Initiative der USA aber grundsätzlich. Für Deutschland wie für Europa gelte: „Wir stärken der Ukraine den Rücken“, betonte der Minister. „Wir wollen dafür sorgen, dass die Ukraine aus einer starken Verhandlungsposition über diese Punkte sprechen kann.“
Die Regierung in Kiew müsse letztlich entscheiden, welche Kompromisse sie eingehen wolle. „Wir sind hier nicht Schiedsrichter, aber wir sind Anwalt der Ukraine, denn die Ukraine verteidigt ihre Freiheit und die Freiheit Europas.“
Meinl-Reisinger ortet „Imbalance“
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) hatte sich bereits am Donnerstag geäußert: „Ohne die Ukraine und Europa wird es keinen Friedensplan geben“, unterstrich die Ministerin. Meinl-Reisinger erkannte in den durchgesickerten Punkten eine „Imbalance“ (Ungleichgewicht) zugunsten Russlands.
Laut „Financial Times“ bereitet Selenskyj nun einen Gegenvorschlag für Washington vor. „Wir prüfen sorgfältig alle Vorschläge unserer Partner und erwarten eine ebenso respektvolle Haltung gegenüber der Position der Ukraine“, meinte Rustem Umjerow, der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, dazu.
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