Im Wiener Flucc

Der Heavy Metal leuchtet jetzt regenbogenfarben

Musik
19.11.2025 15:00

Am 21. und 22. November geht im Wiener Flucc das erste „Loud & Proud“-Festival über die Bühne. Auf und abseits der Bühne richtet es sich vorwiegende an die queere Bubble, die sich in der Szene unterrepräsentiert führt – aber nicht nur. Willkommen sind natürlich alle, wie Mitveranstalterin Corinna vom Verein „Heavy Lezzers“ der „Krone“ im Gespräch verrät. Sie gibt uns nähere Einblicke zu den Bands, der Philosophie und den Zielen hinter dem neuen Festival.

kmm

„Krone“: Ihr veranstaltet in Wien mit dem „Loud & Proud“ die erste Ausgabe des „Metal-Festivals für alle, die sich bisher nicht gesehen fühlen“ steht in eurer Pressemitteilung. Welche Personen sind damit gemeint und wer ist die Haupt-Zielgruppe?
Corinna/Heavy Lezzers:
 Wir meinen alle, die sich in der klassischen Metal-Szene nicht vollständig repräsentiert fühlen – sei es wegen Gender, Herkunft, Sexualität, Alter oder einfach, weil sie Lust auf andere Perspektiven und Sounds haben. Unsere Haupt-Zielgruppe sind Menschen, die offen sind für Neues, die eine Community suchen und Metal auch als Ort für Solidarität und Vielfalt begreifen.

Es scheint vor allem gegen stereotypische Männlichkeitsbilder zu gehen. Brauchen Metal-Festivals und die Heavy-Metal-Welt eine Quotendiskussion?
Es geht uns weniger um Quoten, sondern um Sichtbarkeit. Heavy Metal ist seit jeher stark in der Working-Class-Community verwurzelt – ein Ort, an dem man nach der Arbeit hingeht, laut sein darf, ein Bier trinkt und gemeinsam Energie rauslässt. Genau diesen Raum wollen wir für alle öffnen, auch für Menschen, die die Musik vielleicht bisher aus dem Bauch heraus abgelehnt haben, weil sie das Gefühl hatten: „Das ist nichts für mich.“

Für uns hat das nichts mit Gendernormen zu tun - Metal kann für jede und jeden etwas sein. Wichtig ist, dass die Bands vielfältig besetzt sind und unterschiedliche Perspektiven sichtbar werden. In Hardcore und Punk hat sich in den letzten Jahren viel bewegt, ganz ohne Quote – es brauchte nur ein paar Initiativen, die den Stein ins Rollen gebracht haben. Warum also nicht hier in Wien beginnen? Wir haben eine starke Szene, und wenn es uns gelingt, starre Rollenbilder ein Stück weit aufzubrechen und mehr Vielfalt auf die Bühne zu bringen, dann haben wir unser Ziel erreicht.

Euer Line-Up ist sehr divers und zeigt, wie viele talentierte Frauen und FLINTA es in der Szene gibt. Wie schwierig war es, das Line-Up aufzustellen und worauf habt ihr besonders viel Wert gelegt?
Natürlich haben wir, als wir die Möglichkeit bekommen haben, ein Festival zu organisieren, zuerst Bands angefragt, die wir selbst gerne hören. Ich habe über ein Jahrzehnt in Plattenläden gearbeitet, zuletzt acht Jahre lang im Substance Recordstore, wo ich auch die Metal-Sektion mit kuratiert habe. Die Szene und ihre Vielfalt begleiten mich also schon lange. Die größte Herausforderung beim Line-Up war tatsächlich, passende Headliner zu finden. Wir wollten Acts, die sowohl musikalisch als auch in puncto Diversität überzeugen – und gleichzeitig in Europa verankert sind. Da gibt es definitiv noch Aufholbedarf. Umso stolzer sind wir auf das Line-Up, das wir nun zusammengestellt haben.

Ein gutes Beispiel dafür ist Witch Club Satan - eine Band, die von Genre-Puristinnen gerne angegriffen wird, weil sie aus drei Frauen besteht. Gleichzeitig zeigt gerade diese Band, wie absurd die doppelten Standards sind: Eine der Musikerinnen geht hochschwanger mit Zwillingen auf Tour – wenn das nicht „true“ ist, dann wissen wir auch nicht. Solche Bands verkörpern für uns, worum es bei Metal eigentlich geht: kompromisslose Energie und Haltung. Ebenso wichtig ist für uns die Band Divide And Dissolve: Ihr Sound ist nicht nur musikalisch einzigartig – mit monumentalen, langsamen Riffs – sondern sie verbinden ihre Musik mit einer klaren politischen Botschaft gegen Kolonialismus und Unterdrückung. Das ist heavy im wahrsten Sinn des Wortes.

Das Line-Up ist sehr international und setzt sich aus Künstlerinnen von verschiedenen Kontinenten zusammen. Wie seid ihr zu den Acts gekommen und wie konntet ihr sie finanzieren?
Ein wichtiger Moment für uns war der Besuch des „Muskelrock på Tyrolen“ in Schweden - ein Festival, das für uns fast wie ein zweites Zuhause geworden ist. Dort haben wir viele Freundschaften und Kontakte geknüpft, unter anderem auch Bands wie Tower aus New York zum ersten Mal gesehen. „Muskelrock“ war von Anfang an divers, ohne dass man das ständig betonen musste – genau diese Selbstverständlichkeit hat uns inspiriert, ein eigenes Festival zu starten.

Unser Line-Up ist dadurch sehr international: Witch Club Satan aus Norwegen, Divide And Dissolve aus Australien, Tower aus New York – Acts, die man normalerweise nicht einfach so nach Wien bekommt, schon gar nicht für eine erste Festivalausgabe. Dass wir das realisieren konnten, verdanken wir der SHIFT-Förderung der Stadt Wien. SHIFT unterstützt alternative, künstlerische Praxen und dezentrale Kulturarbeit. Für uns bedeutet das nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch ein klarer Auftrag: in Wien einen neuen Raum zu schaffen. Diese Verantwortung nehmen wir sehr ernst.

Nach welchen Kriterien habt ihr die Acts gewählt? Gab es bestimmte Vorgaben in Hinsicht auf Subgenre, Ausstrahlung oder Botschaft der Acts?
Uns war wichtig, dass die Bands nicht nur musikalisch stark sind, sondern auch etwas Eigenes mitbringen - sei es durch ihre Ausstrahlung, ihre Geschichten oder die Energie, die sie auf die Bühne bringen. Wir haben bewusst keine Grenzen bei Subgenres gezogen, weil wir zeigen wollten, wie vielfältig Metal sein kann. Gleichzeitig wollten wir Acts, die Haltung haben und in ihrer Art authentisch sind. So entsteht ein Line-Up, das sowohl Szene-Kennerinnen anspricht als auch Menschen, die vielleicht zum ersten Mal auf ein Metal-Festival gehen.

Was wird es drumherum alles zu entdecken und zu sehen geben? Wie viel Interaktivität ist für die Besucher möglich und was ist das Ziel, das ihr mit dem Festival habt?
Neben den Konzerten war es uns wichtig, auch andere Facetten der Community sichtbar zu machen. Deshalb gibt es neben den Auftritten und Drag-Shows - kuratiert von Susie Flowers vom „House Of Rausch“ – einen eigenen Schwerpunkt auf Spiele. Ob Brettspiele, Rollenspiele oder Videospiele: Wir möchten die Besucherinnen einladen, in unser Universum einzutauchen und für ein Wochenende den Alltag hinter sich zu lassen.

Alles steht dabei unter dem Zeichen von Heavy Metal, Queerness und Fantasie - am schönsten ist es natürlich, wenn all das zusammenkommt. Wir arbeiten dafür mit dem Verein „Paradice - Verein zur Förderung sozialer Spielkultur“ zusammen. Gemeinsam wollen wir zeigen, wie vielfältig Gamingsein kann: von Klassikern wie „Dungeons & Dragons“ bis zu queeren Rollenspielen wie „Thirsty Sword Lesbians“. Dazu wird es eine kleine Retro-Videospielecke geben - und vielleicht noch die eine oder andere Überraschung. Unser Ziel ist, dass „Loud & Proud“ mehr ist als ein Musikfestival: ein Ort, an dem sich Kunst, Spiel und Subkultur begegnen – laut, fantasievoll und offen für alle, die mitspielen wollen.

Die beiden Festival-Initiatorinnen Corinna und Jasmin zeigen sich nicht zu gerne öffentlich.
Die beiden Festival-Initiatorinnen Corinna und Jasmin zeigen sich nicht zu gerne öffentlich.(Bild: Oliver Gronwald)

Wie viele Leute und wer ist bei euch im Verein tätig und welchen Impact wollt ihr mit und auch außerhalb dieses Festivals in Wien oder auch ganz Österreich schaffen?
Heute sind wir ein breit gestreutes Kollektiv, das über verschiedene Länder und Kontinente hinwegarbeitet - mit Menschen aus Schweden, Großbritannien, Spanien und den USA. Gleichzeitig gibt es auch ein Kernteam hier in Wien: ich (Corinna) und Jasmin, die seit über einem Jahrzehnt als Tontechnikerin und Musikerin aktiv ist – unter anderem bei Aivery, Gewalt und Lime Crush. Sie kennt also beide Seiten: Bühne und Technik. Gemeinsam haben wir schon vor „Loud & Proud“-Konzerte veranstaltet, etwa mit Bands wie Actually (heute besser bekannt als Patriarchy) oder Totenwald.

Wir vernetzen uns stark mit Künstlerinnen weltweit und bekommen inzwischen viel internationalen Zuspruch. Manche größeren Acts schreiben uns mittlerweile sogar direkt an und fragen nach Bookings, auch abseits des Festivals. Unser Impact soll aber nicht nur international, sondern auch lokal spürbar sein. Wir wollen Räume schaffen, in denen Menschen in Wien und Österreich Metal neu erleben können – divers, solidarisch und jenseits klassischer Clubkultur. Und wir freuen uns schon sehr, beim Festival einige bekannte virtuelle Gesichter endlich auch in echt zu sehen.

Das Kollektiv „Heavy Lezzers“ gibt es seit 2017. Mit welcher Intention wurde es begründet und wie hat es sich seither entwickelt bzw. erweitert? Wie viele Mitglieder habt ihr und wie haben sich auch die inhaltlichen Punkte schlussendlich verändert bzw. entwickelt?
Falls man sich noch an Last.fm erinnert: Dort wurden einem „Nachbarn“ vorgeschlagen, die ähnliche Musik hören. So habe ich 2014 Danielle Crocket aus Pennsylvania kennengelernt. Wir haben uns damals über Queer-Themen und harte Musik ausgetauscht und dachten sofort: Wir können doch nicht die einzigen sein. Das war noch zu einer Zeit, als das Internet ein besserer Ort war – vielleicht kommt auch genau daher der Drang, jetzt etwas Lokales aufzubauen.

Danielle ist bis heute Teil von „Heavy Lezzers“, sie gestaltet unsere visuelle Identität und ist als Grafikerin und Bassistin von The Virgos eng mit uns verbunden. Unsere Intention war von Anfang an klar: Wir haben uns oft zwischen zwei Welten wiedergefunden - in der Metal-Szene manchmal „zu queer“, in der queeren Szene manchmal „zu metal“. Aus diesem Dazwischen ist „Heavy Lezzers - Cult Of Heavy Metal Lesbians And Allies“ entstanden: als Raum, in dem beides zusammenkommen darf.

Was als Versuch begann, Gleichgesinnte zu finden, ist inzwischen zu einem internationalen Kollektiv geworden: laut, divers, nerdig, solidarisch. Dabei geht es uns nicht um sexuelle Orientierung, sondern um Identität. Trans, nicht-binäre und queere Personen sind bei uns genauso willkommen wie alle anderen - wir wollen niemanden ausschließen, weil wir selbst wissen, wie sich das anfühlt. „Heavy Lezzers“ steht deshalb nicht nur für Lesben, sondern für alle, die mit unserer Haltung resonieren – und dazu gehören auch unsere Unterstützerinnen. Ohne sie gäbe es dieses Projekt nicht.

Wie bzw. wo hat man euch bislang schon wahrgenommen und welche Ergebnisse oder „Meilensteine“ habt ihr bislang schon erreicht?
Man hat uns in Wien schon bei verschiedenen Anlässen wahrgenommen - zum Beispiel bei der Regenbogenparade, wo wir bereits zweimal mit einem City-TukTuk dabei waren. Auch wenn das nach purem DIY aussieht, steckt da immer wochenlange Vorbereitung und viel Hilfe von Freundinnen drin. Dieses Jahr hat uns ein „Standard“-Journalist begleitet, und der Pride-Bericht im dort war im Grunde genommen aus unserer Perspektive geschrieben. Außerdem waren wir beim „Dyke March“ aktiv, wo es uns wichtig ist, auch nach dem Pride-Monat für politische Queerness laut zu bleiben - intersektional, antikapitalistisch und antirassistisch.

Abseits der Straßenaktionen findet man uns regelmäßig hinter den Plattentellern – zuletzt nach dem Auftritt von Castle Rat aus den USA oder auch bei dem Festival „Doom Over Vienna“ im Viper Room. Wir sind seit Jahren Teil der lokalen Szene und würden uns freuen, wenn uns die Metal-Community in Wien auch weiterhin offen aufnimmt.

Nach außen hin wirkt die Metalszene oft sehr intolerant und engstirnig - Leute, die sich innerhalb der Szene bewegen, sagen aber, dass es kaum wo so viel Zusammenhalt gibt wie hier. Wie ist dahingehend eure Wahrnehmung?
Wir erleben die Metalszene einerseits als sehr solidarisch - gerade die langen Nächte auf Festivals oder im Beisl nach Konzerten prägen, da wird viel geredet und vieles einfach ausdiskutiert. Gleichzeitig merken wir aber auch, dass bestimmte Bereiche ziemlich „ge-gatekeept“ sind. Für uns wirkt das oft wie ein Zeichen von Unsicherheit: Gatekeeping schafft nichts Neues, sondern wiederholt nur, was ohnehin schon existiert und vom eigenen Umfeld abgesegnet ist. Spannender wäre es, Energie in neue Ideen und Formate zu stecken. Genau da wollen wir mit „Loud & Proud“ ansetzen: zeigen, dass Vielfalt und Offenheit die Szene nicht verwässern, sondern bereichern.

Woran mangelt es in der österreichischen Metalszene und welche Lücken wollt ihr denn genau füllen? Wo gibt es hierzulande noch Nachholbedarf?
Wir würden das gar nicht nur auf Österreich beschränken. Unser Ziel ist es, mit „Loud & Proud“ eine Bewegung anzustoßen, die über die Grenzen hinaus spürbar wird. Was wir in vielen Szenen sehen - ob in Wien, Berlin oder anderswo - ist, dass die Strukturen oft sehr homogen sind und sich stark an Altbekanntem orientieren. Vor allem mangelt es an Plattformen für neue Perspektiven und Experimente. Es gibt so viele tolle Bands und Künstlerinnen, die in klassischen Strukturen keinen Platz bekommen. Genau diese Lücke wollen wir öffnen – mit mehr Vielfalt, Austausch und Mut.

Was ist der langfristige Plan mit „Loud & Proud“? Und was muss passieren, damit ihr nach Austragung der ersten Rutsche Ende November positiv bilanzieren könnt?
Wir möchten ehrlich gesagt erst einmal abwarten, wie es uns nach dem Festival geht. Im Moment erledigen wir den Großteil zu zweit – neben unseren Vollzeitjobs – und wir wissen, dass wir nach November sicher eine Pause brauchen. Fest steht aber: Wir werden im Sommer 2026 wieder beim „Muskelrock“ in Schweden dabei sein, diesmal ganz entspannt als Gäste, und darauf freuen wir uns schon sehr. Und man kann sicher sein: Auch 2026 wird man von uns hören. Mit „Loud & Proud“ möchten wir langfristig eine Community aufbauen – einen Raum, in dem Menschen zusammenkommen, die etwas mit unserer Musik, Ästhetik und Haltung anfangen können. Wenn aus dem Festival neue Freundschaften, Ideen oder Konzertnächte entstehen, bei denen andere einen Zugang zu diesem kleinen Universum finden, dann ist das genau das, was wir uns wünschen.

Das erste „Loud & Proud“-Festival findet am 21. und 22. November im Wiener Fluc statt. Neben den auftretenden Bands gibt es auch ein ausgiebiges Rahmenprogramm – die Karten für das Event sind bis auf Weiteres bereits restlos ausverkauft.

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