Mutter und Tochter tot

So gelang es, Doppelmord 16 Monate zu verschleiern

Tirol
19.11.2025 18:02

Der Leichenfund einer Frau (34) und deren Tochter (10) in Kühltruhen in Innsbruck sorgt weiter für pures Entsetzen. Ein Brüder-Paar sitzt in U-Haft. Die Indizien sind teilweise belastend – wie geht es nun weiter? Zudem erklärt Andrea Laske, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol, was derart brutale Kriminalfälle in Opfern und Tätern auslösen.

Der 55-jährige Hauptbeschuldigte und sein 53-jähriger Bruder – es handelt sich laut Julia Klingenschmid, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Innsbruck, bei beiden um Ursprungs-Österreicher („Sie wurden in Österreich geboren, sind hier aufgewachsen und lebten immer hier“) – bestreiten ein mögliches Tötungsdelikt. Vielmehr seien die Syrerin und das Mädchen „bei einem Unfall“ ums Leben gekommen.

Obwohl es somit kein Geständnis gibt, liegt für die Staatsanwaltschaft dennoch ein dringender Mordverdacht vor – basierend auf erdrückenden Indizien, die im Zuge der bisher rund elf Monate andauernden Ermittlungen zum Vorschein gekommen sind.

Die Festnahmen erfolgten bereits im Juni (Symbolbild), die Leichen von Mutter und Tochter wurden ...
Die Festnahmen erfolgten bereits im Juni (Symbolbild), die Leichen von Mutter und Tochter wurden erst Mitte November entdeckt.(Bild: Uta Rojsek-Wiedergut)

Die Liste der Indizien:

  • Von 13. bis 20. Juli 2024 befand sich die 34-jährige, aus Syrien stammende Frau mit ihrer Tochter bei Verwandten in Düsseldorf. Sie wurden vom Hauptverdächtigen, einem Arbeitskollegen der Frau, mit dem Auto abgeholt und nach Innsbruck in deren Wohnung zurückgebracht. Der letzte telefonische Kontakt mit der Tante der 34-Jährigen war am 21. Juli 2024, danach gab es keine Telefonate mehr von ihrem Handy.
  • Der Hauptverdächtige war der Einzige, der die Abgängigkeit des Mutter-Tochter-Gespanns erklären konnte. „Er gab an, dass sie für einen längeren Zeitraum in die Türkei gereist seien“, betont Katja Tersch, Leiterin des LKA Tirol. Doch weder die Eltern noch Verwandte wussten von den Reiseplänen, obwohl die Frau stets als „sehr verlässlich“ galt.
  • Die Ermittler hielten eine erste Nachschau in der Wohnung der 34-Jährigen ab. „Es hat nicht so ausgesehen, als hätte jemand die Wohnung zwecks Urlaub verlassen“, sagt Hansjörg Mayr, Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck.
Einer der beiden Brüder befindet sich in U-Haft in der Justizanstalt Innsbruck.
Einer der beiden Brüder befindet sich in U-Haft in der Justizanstalt Innsbruck.(Bild: Jasmin Steiner)
  • In der Wohnung wurden die Handys von Mutter und Tochter entdeckt. Eine Auswertung ergab, dass mit dem Telefon der Syrerin am 21. Juli 2024 die Kündigung und ein Schreiben an die Bank verschickt worden waren. Aber es wurde keine Nachricht mehr in der Muttersprache des Opfers, Arabisch, verfasst. „Am selben Tag hörte ein Nachbar ein Poltern und ,Mama-Rufe’ aus der Wohnung der 34-Jährigen“, betont Tersch.
  • Ebenfalls kam ans Licht, dass die Bankomatkarte des Opfers nach dessen Verschwinden noch zum Einsatz gekommen ist – so wurden in Salzburg und Slowenien Lebensmittel gekauft. „Wie die Ermittler anhand der Mautdaten nachweisen konnten, ist der Bruder des 55-Jährigen mit der Bankomatkarte des Opfers verreist, hat eingekauft und so eine falsche Spur gelegt“, ist Mayr überzeugt.
  • Die Möbel der Syrerin wollte der 55-Jährige auf einer Online-Plattform verkaufen. „Doch dann hat er plötzlich das Inserat gelöscht“, betont Tersch. Zudem ergaben die Ermittlungen, dass der Einheimische auch Schmuck der 34-Jährigen verkauft hat.
StA-Sprecher Hansjörg Mayr, Tirols Polizeichef Helmut Tomac und LKA-Leiterin Katja Tersch – von ...
StA-Sprecher Hansjörg Mayr, Tirols Polizeichef Helmut Tomac und LKA-Leiterin Katja Tersch – von links – informierten bei einer Pressekonferenz über den schrecklichen Kriminalfall.(Bild: Christof Birbaumer)
  • Nach dem Verschwinden seiner Arbeitskollegin meldete der Hauptverdächtige mehrere Handynummern an. Zwei dieser Nummern seien nur für die Kommunikation zwischen den Brüdern verwendet worden.
  • Bereits vor dem Verschwinden mietete der 55-Jährige einen Lagerraum an und verstaute dort eine versperrte Kühltruhe. Später wurde eine zweite Kühltruhe gekauft.
  • Anfang August 2024 wurden die Kühltruhen in die Wohnung des Bruders gebracht, um die Leichen darin zu verstecken. Die Truhen wurden sorgfältig hinter einer eigens aufgezogenen Rigipswand versteckt und mit Strom versorgt. Eine Stromzufuhr in Form eines Kabels war nicht ersichtlich.

„Diese Wohnung ist erstmals im Juni dieses Jahres rund um die Festnahme der beiden Verdächtigen durchsucht worden. Das Versteck der Kühltruhen ist den Beamten damals nicht aufgefallen, weil alles schön verputzt und geweißelt war“, so Klingenschmid. Die Rigipswände reichten vom Boden bis zur Decke und vermittelten den Eindruck eines „normalen Ecks“. „In vielen Wohnungen gibt es nicht quadratische Räume“, ergänzt die Sprecherin.

Warum hat man sich die Wohnungen nicht schon früher angesehen? „Man hat immer entsprechend dem jeweiligen Ermittlungsstand gehandelt und intensiv auch international nach den Vermissten gesucht. Das aktuelle Bild hat sich erst schrittweise ergeben.“ 

Auch in der Justizanstalt Salzburg sitzt einer der Verdächtigen in U-Haft.
Auch in der Justizanstalt Salzburg sitzt einer der Verdächtigen in U-Haft.(Bild: APA/BARBARA GINDL)

Am 12. November hat sich Blatt gewendet
All diese Ermittlungsergebnisse reichten schließlich aus, um die Brüder im Juni dieses Jahres festzunehmen. Von Mutter und Tochter fehlte weiterhin jede Spur – bis zum 12. November: Der 55-Jährige legte ein Teilgeständnis ab. „Er räumte ein, dass es zu einem Unfall gekommen sei und er die Leichen aus Furcht vor den Konsequenzen versteckt hat“, klärt Klingenschmid auf. Zwei Tage später fanden die Beamten in der Wohnung des Bruders die Kühltruhen mit den Leichen der Syrerin und ihrer Tochter darin. Auch der Bruder habe die Verschleierungshandlungen teilweise eingeräumt. 

Warten auf weitere gerichtsmedizinische Untersuchungen
Zum Tathergang und Motiv sowie zur Todesursache können noch keine Angaben getätigt werden. „Die Ermittlungen laufen weiterhin auf Hochtouren – und zwar mit besonderer Dringlichkeit“, versichert Klingenschmid, „insbesondere warten wir auf die Ergebnisse weiterer gerichtsmedizinischer Untersuchungen.“ Der Zeitraum bis zu einer möglichen Anklage sei nicht seriös abschätzbar. Für die Brüder gilt die Unschuldsvermutung.

„Krone“-Interview
„Täter sagen, dass richtig gehandelt wurde“

Andrea Laske ist Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol. Im „Krone“-Gespräch erklärt sie, was derartige Fälle in den Klientinnen und Tätern auslösen. 

„Krone“: Was machen solche Fälle mit den Klientinnen?
Andrea Laske: Sie bekommen dadurch noch mehr Ängste und Sorgen, weil sie zeigen, dass es tatsächlich Personen gibt, die derartige Vorhaben bis zum Ende durchziehen. Ein Großteil unserer Klientinnen kennt die wiederkehrende Drohung mit dem Umbringen. Vor allem Trennungen entpuppen sich oft als gefährliche Situationen.

Und was lösen diese hingegen in Tätern aus?
Wir bekommen von Klientinnen immer wieder erzählt, dass Täter auf solche aktuellen Fälle Bezug nehmen und den Frauen teils sogar klar sagen, dass richtig gehandelt worden sei und sie die Nächsten seien, denen es so ergehen werde. Das ist auch sehr beängstigend.

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Einige Betroffene nehmen das zum Einlass, sich bei uns zu melden und Hilfe zu holen.

Andrea Laske,  Gewaltschutzzentrum Tirol

Welche Rolle spielen Kinder?
Das hören wir ebenfalls regelmäßig, dass der Täter droht, auch das Kind umzubringen. Kinder sind das beste Druckmittel, um die Frauen zu halten.

Suchen Menschen nach solchen Fällen mehr Hilfe bei Ihrer Organisation?
Es gibt welche, die das zum Anlass nehmen, um sich bei uns zu melden und Hilfe zu holen – weil ihnen deutlich realistischer vor Augen geführt wird, dass so etwas Schreckliches wirklich passieren kann. Aber es gibt auch welche, die dadurch einen Rückzieher machen und weiter in der Gewaltsituation bleiben – aus Angst. Leider ist es so – und das wissen wir auch –, dass sich viele Frauen, die umgebracht worden sind, keine Hilfe bei Opferschutzeinrichtungen geholt haben.

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