„Krone“-Interview

Nothing More: „Wir sind nie dem Regelbuch gefolgt“

Musik
19.11.2025 06:00

Seit mehr als 20 Jahren befinden sich die Amerikaner Nothing More außerhalb aller Schubladen, um damit so viele Metal- und Rockfans wie möglich zu erreichen. Zuletzt kooperierte man etwa mit dem schwedischen Heavy-Metal-Schlachtschiff Sabaton. Vor ihrem ausverkauften Konzert in der Wiener Arena blicken wir auf die Geschichte der Hype-Band, die auch ihre dunklen Seiten beinhaltet.

kmm

Wenn bewusstes Polarisieren gutes Marketing darstellt, dann sind die US-Musiker von Nothing More ganz vorne dabei. Vor allem Sänger Jonny Hawkins scheint sich in der Außenwahrnehmung der Band immer wieder gerne zu vergaloppieren. Früher im Jahr etwa verteidigte er die in Rock- und Metalgefilde immer noch sehr verpönten KI-Videos seiner Band und wies darauf hin, dass sich nur schlechte Bands vor der künstlichen Intelligenz fürchten müssen. Den Vogel schoss der gelockte Frontmann vor zwei Monaten ab, als er nach der Ermordung des rechtskonservativen Charlie Kirk im Internet nicht bloß um ihn trauerte, sondern auch öffentliche Hinrichtungen forderte. Das Posting war zwar schnell gelöscht, die Interaktion seitens der Fans der Band wurde aber auch limitiert und die Aussage sorgte durchaus dafür, dass das Alternative-Metal-Kollektiv aus Texas kräftig an Sympathien einbüßte.

Musikalisch läuft es äußerst gut
Ob sich Hawkins noch eine Realität à la „The Handmaid’s Tale“ wünscht, bleibt ungeklärt. Dass derartige Wortmeldungen aber unnötig an der durchaus starken Popularitätsschiene rütteln, steht auch außer Frage. Rein musikalisch läuft es durchaus gut. Das 2024 veröffentlichte und noch immer aktuelle Studioalbum „Carnal“ hat zwar nicht mehr die tollen Chartplatzierungen seiner Vorgänger erreicht, diverse Touren liefen aber sehr erfolgreich. Der Auftritt heute Abend in der Wiener Arena findet ebenfalls vor vollem Haus statt – die letzten Tickets gingen schon vor Wochen über den Ladentisch. Überzeugt hat das Quartett schon beim Nova Rock im Sommer dieses Jahres. Dort zeigte man neben etablierten älteren „Rock-Sauriern“, dass man in der jüngeren Generation bereit für die großen Bühnen ist. „Wir mögen Festivalshows, weil dich dort viele Leute das erste Mal entdecken und verstehen, was du machst und wofür du stehst“, so Gitarrist Mark Vollelunga im Gespräch mit der „Krone“.

Bei Festivals ist auch das Networking besonders beliebt. Mit Disturbed etwa haben sich die Wege schon öfters gekreuzt, den Kollegen von I Prevail schicken Nothing More zwischendurch schon mal vorab unveröffentlichte Lieder zu, um nach der geschätzten Meinung zu fragen. Liebevolle Konkurrenz sozusagen. Nach mehr als 20 Jahren im Betrieb muss man Nothing More freilich auch keine Karrierepredigten mehr vorhalten. Entscheidet für den Aufschwung der Band war, dass anfangs genannter Hawkins nach sechs Jahren als Schlagzeuger 2009 dafür sorgte, dass er sich auch ans Gesangsmikro stellte. Das veränderte nicht nur die Stimme und das Live-Verhalten der Band, auch das Songwriting wurde zunehmend zugänglicher und massentauglicher. Die Nu-Metal- und Prog-Rock-Einflüsse sind zwar unüberhörbar, vom mathematischen Djent hat man sich mittlerweile aber längst getrennt, der musste einer rhythmischen Alternative-Rock-Ausrichtung Platz machen.

Bewusst gegen alle Trends
Dass es bei den Texanern relativ lange gedauert hat, bis die Aufmerksamkeit von außen auf ein höheres Maß eingependelt wurde, sieht Bassist Daniel Oliver nicht als Nachteil. „Ich glaube, dass es für die innere und äußere Gesundheit einer Band wichtig ist, kontinuierlich und gesund zu wachsen und nicht gleich zu explodieren, sodass man dann gar nicht mehr weiß, wo man von diesem Raketenstart aus noch hin möchte. Wir haben uns jahrelang ohne Eile durch die Szene navigiert. Stets versucht, das Maximum rauszuholen, sind aber auch nicht verrückt geworden, wenn etwas nicht so ging, wie wir uns das ausgemalt hatten.“ Dass Nothing More mit ihrem vielseitigen Sound nirgends so richtig reinpassen, mag bei der Generation Spotify-Playlist ein Plus sein – vor zehn, 15 Jahren brachte das nur Nachteile mit sich. „Wenn eine Szene oder ein Trend stirbt, stirbt auch deine Karriere. Das war uns alles immer zu unsicher. Wir sind als Band heute auch deshalb so stark, stabil und vielseitig, weil wir keinem Regelbuch folgten, sondern immer das machten, was sich richtig anfühlte.“

Mit jedem neuen Album erhöhte man die Fanbase, pendelte sich musikalisch ein und fand sein Glück in der klanglichen Umsetzung. „Wir haben viele harte Zeiten durchlebt“, rekapituliert Vollelunga, „niemand gibt sich gerne mit arroganten, großkotzigen Personen ab. Es gab nie einen Raum zwischen uns und unseren Fans. Wir selbst lieben und schätzen die Musik genauso wie unsere Hörer. Das Schlimmste, was mir passieren könnte, wäre, dass ein Hörer auf mich trifft und mich dann als arroganten Geck bezeichnet. Deshalb ist die Band auch stets wichtiger als die einzelnen Individuen. Es ist nicht Jonnys Band, nicht Daniels Band und auch nicht meine Band. Jonny ist der Frontmann und das Hauptsprachrohr, aber hinter den Kulissen sind wir ein geschlossenes Team.“ Zu dieser Haltung wurden sie übrigens von U2-Frontmann Bono inspiriert, der in einem Podcast mit Joe Rogan davon sprach, dass er zwar der Haupttexter, Sänger und Aktivist seiner Band sei, aber niemals nur eine Stimme, eine Gitarre oder eine Textzeile für diesen Erfolg sorgen könnte. „Ich bin wirklich kein U2-Fan, aber dass sie all ihre Energie ins Songwriting und das Vorankommen ihrer Band stecken, ist vorbildhaft. Die Menschen vergessen das heutzutage leider viel zu schnell.“

Es wird jetzt härter werden
Das bunte Soundgebräu von Nothing More resultiert aus den unterschiedlichsten Einflüssen der einzelnen Musiker. Klassische Musik, Led Zeppelin und arabische Tonskalen haben dort gleichermaßen Platz, wie moderne Rock- und Hardcore-Klänge. „Unser Ziel muss sein, dass wenn uns Leute das erste Mal auschecken, sie nach wenigen Sekunden eine neue Lieblingsband haben“, so Oliver, „wir haben viele Stile, scheren teilweise weit aus, aber es gibt immer eine Linie, die bei uns nachvollziehbar ist. Man muss sich auf den Sound einlassen, es wird funktionieren und sich gut anfühlen. Nach mehr als 20 Jahren Bandgeschichte ist es umso wichtiger, sich immer wieder neu zu erfinden und nicht im Kreis zu laufen.“ Was beide schon jetzt versprechen wollen – Nothing More werden in Kürze wesentlich härter werden. „Die Genres werden sich weiter durchmischen, aber wir haben Lust aufs Gaspedal. Wir lassen uns von uns selbst überraschen und hoffen, dass die Fans die Reise mit uns mitmachen.“

Live in der Wiener Arena
Nothing More spielen heute Abend, am 19. November, live in der Wiener Arena. Mit an Bord sind auch die Vorbands Catch Your Breath, Solance und Ankor. Das Konzert ist bereits restlos ausverkauft.

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