Anlässlich der Premiere von Thomas Bernhards „Der Theatermacher“ im Theater in der Josefstadt am Mittwoch, 22. Oktober, baten wir Direktor Herbert Föttinger zum Gespräch: Es ist seine letzte Hauptrolle in seiner finalen Spielzeit. Ex-Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann inszeniert.
„Krone“: Wie liefen die Proben?
Herbert Föttinger: Sehr gut! Aber ich muss Ihnen auch sagen: Es ist so anstrengend. Ich glaube, es ist die anstrengendste Rolle meines Lebens.
Was ist aber nun das Anstrengende an dem Stück?
Die Pause kommt erst nach dem dritten Bild. Das sind eineinhalb Stunden durchgängig auf der Bühne, in einer doch sehr emotionalen, obsessiven Spannung. Dieser Bruscon, ein gescheiterter Theatermann mit den absolut höchsten Ansprüchen, will ja, dass dieser Abend ein Triumph wird in diesem muffigen Gasthaus in Utzbach. Eine verrückte, geradezu absurde Grundsituation, in die der Bernhard seinen Protagonisten hineinversetzt. Bernhard lebt von Wiederholungen. Themen und Sätze, die sich ständig wiederholen und sich doch immer wieder um Nuancen unterscheiden. Man muss unfassbar genau sein mit dem Text und auch noch die enorm musikalische Struktur des Stückes bedienen. All das verlangt eine unendliche Konzentration, und ist letztlich auch hohe physische Arbeit.
Die sie sich selber ausgesucht haben …
Nein, nicht unbedingt. Matthias Hartmann hat mich vor ein paar Jahren angerufen und gemeint, ich müsste in meiner letzten Spielzeit den „Theatermacher“ spielen. Anfangs war ich mir nicht wirklich sicher. Da ich in meiner ersten Spielzeit den Otto Schenk beauftragt habe, die Rolle zu spielen, habe ich mir dann aber gedacht: Vielleicht schließt sich so ein Kreis und also habe ich zu Matthias gesagt: „Ich mache es nur, wenn du inszenierst“. Und das hat sich als Glücksfall erwiesen. Er ist so ein fantastischer Regisseur. So fantasievoll, liebevoll und auch so geduldig. Gleichzeitig so fordernd und unerbittlich.
Merken Sie sich Texte leicht?
Überhaupt nicht! Ich habe zwei Monate gelernt. Richtig auswendig gelernt. Im Urlaub in Ägypten hab ich jeden Tag ein paar Stunden immer zeitig in der Früh am Strand Text gelernt (lacht). Die Leute kannten dann schon den Wahnsinnigen mit seinem roten Büchlein, der wild gestikulierend am Strand auf und ab gegangen ist.
Das Stück wurde 1985 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt. Feiert heuer 40. Geburtstag – würden Sie sagen, es ist gut gealtert?
Ich glaube schon. Anfangs dachte ich, wo ist da die Liebeserklärung ans Theater? Aber ich habe dann gemerkt, dass Bruscons Obsession, die ja oft auch ungerecht sein kann, weil der Anspruch, den er an sich und die anderen stellt, eigentlich nicht erfüllbar ist, einerseits eine große Verzweiflung in sich trägt, andererseits aber auch eine totale Hingabe für eine Sache. Und wenn du verzweifelnd an etwas arbeitest, dann liebst du vermutlich auch dieses Metier. In einer Welt des Kulturwandels, der Work-and-Life-Balance etc., wirkt diese Figur anachronistisch, ist aber gleichzeitig ein Symbol für eine echte, selbst aufopfernde Lebensaufgabe. Mir gefällt darin der Satz: „Wenn wir nicht von uns selbst traktiert werden, erreichen wir nichts“. Da ist schon sehr viel Wahrheit drin und ich glaube auch etwas Zeitloses.
Was ist der Bruscon für ein Typ? Mögen Sie den?
Er ist ein ganz eigenartiger, ambivalenter, zwiespältiger Mensch. Einerseits ist er ein Antifaschist, also identifiziert man sich gern mit ihm. Und gleichzeitig ist er ein absoluter Tyrann, mit dem man nicht sympathisieren kann. Darin zeigt sich, wie komplex die Seele eines Menschen ist. Ein weites Land, um mit Schnitzler zu sprechen. Als Theaterfigur habe ich ihn im Laufe der Proben immer mehr lieb gewonnen.
Heutzutage werden ja Stücke zunehmend hinterfragt wie zeitgemäß sie sind und ob man sie so noch zeigen darf – etwa die Frauenverachtung, die bei Bernhard immer wieder hochkommt. Wie ist da Ihr Zugang?
Bruscon verachtet alles und jeden. Alleine was er dem Wirten an den Kopf wirft oder über die ländliche Bevölkerung prinzipiell sagt, ist absolut unmöglich. Aber wenn man die Radikalität und die Abgründigkeit eines Menschen zeigen will, braucht man solche Figuren. Wir haben uns bewusst entschieden die ganze Bandbreite seiner Abgründigkeit zu zeigen, das impliziert auch sein ambivalentes Verhältnis zu Frauen im Theater.Wollte man das nicht zeigen, dann würde ich doch eher vorschlagen, den Theatermacher nicht zu spielen. Das hat keinen Sinn. Wenn man die Abgründigkeit glattschleifen will, dann ist Theater auch völlig uninteressant. Es gibt den Satz, wo Bruscon sagt: „Wenn sie wüssten, was es mich gekostet hat, meiner Frau die primitivsten Grundregeln des Theaterspielens beizubringen“. Das ist so frauenfeindlich, dass es mir schwerfällt den Satz zu sprechen. Aber im selben Moment sagt er: „Aber ich liebe sie“. Das ist doch interessant, diese Ambivalenz, der ständige Widerspruch dieser Figur. Aber nur geboren aus der Verzweiflung, das schönste Theater machen zu wollen, das man sich nur vorstellen kann.
Die berühmte Frittatensuppe darf dann natürlich auch nicht fehlen. Wieviel müssen Sie da löffeln?
Es ist nur ein Teller. Aber ich spreche eine knappe Stunde ständig über Frittatensuppe – wenn sie dann endlich kommt, habe ich schon richtigen Appetit darauf.
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