„Krone“-Interview

Kreisky: Zum 20-Jährigen lebt die Düsternis auf

Musik
16.10.2025 09:00

20 Jahre Kreisky bedeutet 20 Jahre intelligentes Musikertum mit klugen Texten und mutiger Kompositionskunst. Mit ihrem siebenten Studioalbum „Adieu Unsterblichkeit“ machen sich Franz Adrian Wenzl und Co. im heimischen Indie-Pop-Segment selbst unsterblich. Ein spannenderes und zwingenderes Album wird man hierzulande heuer kaum finden.

kmm

Viele Bands und Künstler graben und schürfen hierzulande fast schon krampfhaft in ihren Hirnwindungen, um entweder endlich den „großen Hit“ zu schreiben oder eine Nummer mit inhaltlicher Bedeutung auf Papier zu bringen. Andere wiederum setzen sich alle paar Jahre einmal zusammen, lassen die alte Freundschaft samt gemeinschaftlicher Musikalität aufleben und erzeugen aus diesen so einfach wirkenden Ingredienzen immer wieder Werke für die Ewigkeit. Die nach dem ewigen Sonnenkanzler benannten Kreisky etwa schaffen die Quadratur des Kreises in steter Regelmäßigkeit. Manchmal überraschen sie nicht nur das Publikum, sondern auch sich selbst. So geschehen etwa beim 2021 erschienenen „Atlantis“, wo Frontmann Franz Adrian Wenzl und Co. sich plötzlich vom Licht des Lebens berauschen ließen und eine bemerkenswert fröhliche, positive Platte zusammenschusterten.

Vorteile der Ambivalenz
Dieser Tage kehrt man wieder zurück zu den alten Schuhen, die da heißen: Zweifel, Sorge und Unsicherheit. „Adieu Unsterblichkeit“ nennt sich das siebente Studiowerk des Quartetts und lässt sich von der Finsternis vorantreiben. Einen ersten Einblick in die gegenwärtige Kompositionskunst der Band bekamen aufmerksame Fans schon mit dem Song „Was ist das für eine Welt“ aus dem gleichnamigen Wiener „Tatort“, der bereits vor zweieinhalb Jahren ausgestrahlt wurde. „Viele unserer Songs sind ambivalent lesbar“, erklärt Schlagzeuger Klaus Mitter im Gespräch mit der „Krone“, „das eröffnet den Hörern immer die Möglichkeit, die letzten Puzzleteile selbst ins Gesamtbild rücken zu können. So ist das auch mit den neuen Songs wieder der Fall.“

Kreisky sind hierzulande fast unerreicht, wenn es um Ambivalenzen, Doppeldeutigkeiten und erklärbaren Mystizismus geht. Ihre Texte sind gleichermaßen greifbar wie vielseitig. Die Musik scheut längst nicht mehr davor zurück, an Schroffheit zuzulegen. Das Feedback, vor dem sich jeder Künstler vor Veröffentlichung neuer Lieder fürchtet, sei schon im Freundes- und Kollegenkreis durchwegs positiv gewesen, erinnert sich Wenzl, „das zählt noch mehr, denn Freunde sagen dir die Wahrheit und das ist auch gut so.“ Ein weiteres gutes Zeichen ist es, wenn die Künstler selbst zufrieden sind. „Rückblickend hätten wir auf Alben wie ,Blick auf die Alpen‘ schon viele Dinge anders machen können. Wohl auch bei ,Trouble‘, aber in der Rückschau ist das immer leicht zu sagen.“ Bei „Adieu Unsterblichkeit“ herrscht rundum Wohlwollen und Freude – auch wenn die düstere Thematik der gesellschaftlichen Gegenwart geschuldet ist.

Den angesammelten Dreck kanalisieren
„Wenn man sich als Texter zumutet, bewusst Gesellschaftliches, Politisches oder Soziologisches zu benennen, scheitert man automatisch daran, dass es zu viel wird“, erläutert Wenzl, „wir nehmen lieber die Schwingungen auf, die da draußen herrschen und kreieren daraus unsere Lieder. Wenn man in die dunklen Ecken schaut und das Licht aufdreht, sieht man, dass sich dort ganz schön viel Dreck angesammelt hat“, so Mitter metaphorisch, „Musik tut es prinzipiell nicht gut, wenn sie pamphletartig daherkommt. Sie muss immer ein bisschen ein Zeichen der jeweiligen Zeit sein, weil die Lieder mit ihr räsonieren sollten.“ Wenzl ergänzt, dass „Adieu Unsterblichkeit“ aus einem gewissen „Weltschmerz geboren wurde. Es trifft uns eigentlich eine Keule nach der anderen. Da kommen wir auch nicht raus.“ Mit „Ein sauberes Hemd“ habe man offenbar nur ein positives Stück am Album. Der Rest ist sinister und schattiert, doch das steht den edlen Herren in den weißen Maßhemden und schwarzen Anzügen mehr als gut zu Gesicht.

In mehreren Songs haben Kreisky ihre ohnehin weit gesteckten Grenzen ausgelotet und auch erweitert. Die famose und wütende Single „Die Pedale“ ist ein kompositorisches Meisterstück, das in einem instrumentalen Crescendo endet. „Unser Bruckner-Moment“, wie Mitter süffisant anmerkt. Das kapitalismuskritische „Die Idee war gut“ bezieht sich lose auf jene Politiker und Wirtschaftstreibenden, die sehenden Auges Staat und System ruinieren, und „Geh mir aus der Sonne“ kann als kritische Gottkomplex-Nummer verstanden werden. „Wir konnten viel mehr zulassen, weil sich die Welt der Musik verändert hat“, so Mitter, „früher haben immer darauf geachtet, dass wir einen kurzen und knackigen Song haben, der vielleicht die Chance auf Airplay bei FM4 hat. Für Bands wie uns braucht es heute aber weder FM4, noch Singleformate. Das soll nicht anmaßend klingen, aber das hat auch etwas Befreiendes, weil man dadurch das Gefühl hat, sich noch viel weiter rauslehnen zu können.“ Die Musik von Kreisky ist gleichermaßen unterhaltsam, wie auch spannend und nachdenklich. Geschickt tänzeln die Band den Stühlen und nimmt dann doch immer passgenau auf ebenjenen Platz. Ein Talent, das man nicht forcieren kann, sondern so besitzen muss.

Gut angelegte Zeit
Musikalisch geht es wild zu. Noise-Rock-Anleihen, geisterhafte Synthie-Klänge, ausufernde Instrumentalpassagen und zuweilen auch dissonante Ausritte stören Harmonie und Gemeinschaftlichkeit, ohne dabei offenkundig ins Negative zu rutschen. Doch das Wichtigste: Kreisky erlauben es sich, in ihrer eigenen dystopischen Welt so viel Spaß wie möglich zu haben. „Wir treffen die Entscheidungen als Gruppe, was uns alle als Individuen stabilisiert“, so Mitter, „eine Band zu haben ist grundsätzlich eine gut angelegte Zeit, bei uns gehört das auch noch zum Beruf dazu. Mir fällt jedenfalls fast nichts Besseres ein, als mit diesen Jungs immer wieder zusammenzufinden und neue Musik zu erschaffen.“ Eine Band sei schließlich auch eine bewusste Entscheidung gegen Egomanie und gegen das einsame Einigeln vorm Computer in den eigenen vier Wänden. „Eine Band besteht aus guten Tugenden. Man ist nie allein, fühlt sich nie hängengelassen und kann alle Lasten auf mehrere Schultern verteilen.“

Live in ganz Österreich
Mit ihrem fantastischen neuen Album „Adieu Unsterblichkeit“ sind Kreisky dieses Jahr auch noch auf großer Österreich-Tour. Am 26. November spielen sie im Wiener WUK, am 27. November im Grazer Orpheum, am 28. November in der ARGE Salzburg, am 29. November in der Stadtwerkstatt Linz, am 17. Dezember im Treibhaus Innsbruck, am 18. Dezember im Spielboden Dornbirn, am 19. Dezember im Kino Ebensee und am 20. Dezember im Röda in Steyr. Unter www.oeticket.com gibt es weitere Informationen und die Karten zum Event.

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