„Krone“-Interview

Monolink: „In mir lebt noch der Underground“

Musik
17.10.2025 09:00

Introspektion und musikalische Vielfalt, gewürzt mit einem kräftigen Schuss Melancholie – etwa so kann man das Album „The Beauty Of It All“ des Hamburger Klangtüftlers Steffen Linck aka Monolink bezeichnen. Im Wiener Gasometer begeisterte er die Fans, der „Krone“ erzählte er kurz davor auch von schwierigeren Phasen im Leben, warum in Oasis zur Musik brachten und wie man Musik die raue Welt austricksen kann.

kmm

„Krone“: Steffen, unlängst hast du dich und dein neues Album „The Beauty Of It All“ live im Wiener Gasometer vorgestellt. Du warst in den letzten Jahren live so umtriebig und aktiv, dass es dir fast schon zu viel wurde …
Steffen Linck:
 Das stimmt. Das kam irgendwie damit zusammen, dass die Elektroszene global so explodiert ist und in jedem Winkel der Welt Raves stattfinden. In die meisten Länder wurde ich dann auch gebucht. Ich wollte alles aufsaugen und erleben und das war auch wunderschön, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich ein bisschen runterfahren muss.

Hat sich dadurch ein dauerhafter Veränderungsprozess eingestellt? Delegierst du für dich mittlerweile sehr genau, was du machst und was nicht?
Für mich ist am wichtigsten, dass ich weiterhin viel Spaß an der Sache habe und wenn man gewisse Sachen immer wieder macht, ist es irgendwann nicht mehr ganz so aufregend. Deshalb versuche ich immer, ein bisschen was zu ändern und zu adaptieren. An meinem Rhythmus, an den Songs oder an der Art und Weise, wie ich toure. Deshalb bin ich aktuell auf Konzerttour und spiele wieder Konzertsets. Ich war eine Zeit lang auf allen Partys, jetzt habe ich wieder Lust auf richtige Gigs.

Da ist nicht nur das Set ganz anders, sondern auch die Uhrzeit. Du kommst wieder früher ins Bett.
(lacht) Es ist schon ganz anders als mein bisheriges Tourleben. Normal spiele ich in einer Stadt nachts, bleibe dann dort und wir fliegen am nächsten Tag weiter. Jetzt packen wir nach der Show ein und fahren mit dem Nightliner zur nächsten Station. Ehrlich gesagt schlafe ich aber lieber im Hotel. Es ist schon schön, nicht immer erst um 4 Uhr morgens fertig zu sein. Ich war aber auch nie der klassische „Peak Time Act“, sondern mit meinem groovigen Sound eher dann zur Stelle, wenn die Sonne untergeht. Ich spiele in die Nacht hinein und dann können die DJs den Rave starten. Beim „Burning Man“ habe ich unlängst aber auch zwei Sonnenaufgänge gespielt, aber das ist auch ein sehr besonderer Ort, wo man das gerne in Kauf nimmt. In dieser Szene steckt man automatisch in einem Zwiespalt. Einerseits führt man das genialste Leben, aber es passiert schnell, dass man sich völlig übernimmt.

Schicksale gibt es viele, Avicii ist sicher der bekannteste von allen. Lernt man mit den Jahren, wo man für sich die Grenzen absteckt und sich lieber neu orientiert, anstatt ins Verderben zu laufen?
Das Album ist tatsächlich aus dem Prozess heraus entstanden, dass ich merkte, ich müsse wieder richtig bei mir ankommen. Ich habe lange den Rave bedient und wollte wieder Musik machen, die mich selbst begeistert und wo es nicht darum geht, einen vorab abgesteckten Rahmen zu bedienen. Mit dem Aufnahmeprozess habe ich auch eine längere Tourpause gemacht, was sehr gut funktioniert hat. Ich habe mich so gut erholt, dass ich wieder voll Lust auf das Touren bekam.

Vier Jahre zwischen zwei Alben sind eine sehr lange Zeit. Ist das neben den vielen Touren vielleicht auch einer gewissen Form von Perfektionismus in dir geschuldet?
Gute Frage, aber ich brauche prinzipiell lange, um Songs fertigzukriegen. Die lange Wartezeit hat sich auch daraus ergeben, dass der Vorgänger ein Corona-Album war und sich alles nach hinten verschoben hat. Weil wir erst so spät live spielten, war ein neues Album gar kein Thema. Plötzlich kamen tolle Angebote für Festivals und so haben wir uns aufs Livespielen konzentriert, weil das Einbauen von Studiozeit zwischendrin bei mir nicht so gut klappt. Ich nehme mir lieber einen ganzen Block frei.

Sind die neuen Songs in einer solch geblockten Phase der Konzentration entstanden?
Die Ideen zu den Songs entsprangen ganz unterschiedlichen Momenten, überall auf der Welt. Vor dem Studioaufenthalt hatte ich kaum was vorproduziert. Ich habe mir unterwegs Ideen ins Handymemo gesprochen, mich auf Flughäfen ans Klavier gesetzt oder daheim abends die Gitarre ausgepackt nach einem Soundcheck. Mit meinem Freund Tobias Siebert habe ich dann alles sortiert, die Memos durchgehört und aus manchen Ideen Songs gestaltet. Vertont wurden diese Lieder dann schon in einem Block.

Du bist wirklich auf diesen öffentlichen Pianos bei Flughäfen gesessen und hast Sounds experimentiert? Quasi vor Publikum?
(lacht) Früher wirklich, jetzt habe ich damit aufgehört. Songs zu erschaffen ist etwas sehr Intimes und es fällt mir wesentlich leichter, wenn mir niemand zuhört. Habe ich Zuhörer, fühle ich mich nicht mehr so frei. Dann schraube ich alles so zusammen, bis es von mir für gut befunden wird.

Ich finde dein neues Album sehr melancholisch. Ist das der Tatsache geschuldet, dass du öfters an deine Grenzen gestoßen bist und dadurch automatisch Melancholie ins Spiel kam?
Ich glaube schon, aber das Album hat jetzt keine Durchhänger-Melancholie, sondern eine motivierende. Das kam sicher auch daher, dass ich das Album im Winter am Land rund um Berlin aufgenommen habe. Da gab es nur eisbedeckte Felder und dazwischen ein paar Kraniche. Das sorgt automatisch für eine in sich gekehrte Stimmung.

Das Album transportiert also weniger Party und mehr innere Einkehr?
Würde ich schon sagen. Es entstand eigentlich in zwei Blöcken. Der erste Block war stark von innerer Einkehr geprägt. Dann haben wir ein paar Shows gespielt und sind noch einmal zurück ins Studio und ich merkte, es fehlte noch der groovige Teil, den ich so liebe. Daraus entstanden dann Lieder wie „Powerful Play“, die doch deutlicher in den klassischen Technobereich zurückgehen.

Deine Version von Techno ist meiner Ansicht nach eine sehr warme, umarmende und humanistische. Kommt das so ganz natürlich aus dir oder versuchst du bewusst in diese Richtung zu komponieren?
Das kommt schon direkt so aus mir raus, aber ich habe früher auch viele kühlere Techno-Tracks produziert. Es gibt in meinem Leben aber diese andere Seite und man kann sich nie genau aussuchen, worauf man spezifisch Lust hat. Ich wollte in diesem Prozess tatsächlich Musik machen, die einen umarmt.

Das heißt, du schreibst dir selbst die Musik, die dich am Ende tröstet?
Im besten Fall schon. Wenn ich Musik höre, dann will ich, dass sie mich bewegt. Musik hat ja doch etwas sehr Therapeutisches.

Du lebst schon seit geraumer Zeit in Berlin und die Stadt ist noch immer ein absolutes Epizentrum für Techno und elektronische Musik im Allgemeinen. Bist du durch die viele Konkurrenz dort gepusht oder ist das für dich als Kreativer eher ein Hindernis?
Ich ziehe mein Ding durch, das war schon immer so. Ich kann mich glücklich schätzen, dass mir die Kreativität immer gut zugefallen ist und ich nicht extra versuchen musste, eigenständig zu sein. Es steckt auch keine Marketingidee oder ein bestimmtes Kalkül hinter meiner Musik. Ich war sehr lange Straßenmusiker, in vielen Gitarrenbands unterwegs und plötzlich habe ich die Elektronik entdeckt und war fasziniert davon. Wenn ich heute Gitarrenmusik höre, dann wünsche ich mir einen elektronischen Groove als Boden. Andersherum wünsche ich mir zu elektronischen Songs eine Stimme und Texte, die etwas aussagen. Insofern fühle ich mich gerade sehr frei davon, was irgendwo rund um mich herum passiert, aber Berlin ist immer noch ein cooler Hub, um sich grundsätzlich inspirieren zu lassen. Die Liebe zur Musik steht gegenüber einem möglichen kommerziellen Erfolg deutlich im Vordergrund. Der Underground lebt da noch immer in mir.

Musst du dich bei steigendem Bekanntheitsgrad nach außen bewusst stärker von den alten Formeln lösen, weil die Menschen zunehmend einen gewissen Sound von dir erwarten? Wenn man Erwartungen folgt, führt das meist zu Stillstand oder Rückschritt.
Für mich ist das Freimachen unglaublich wichtig und ein Teil meines Prozesses. Als ich so oft auf Raves spielte, habe ich großen Druck verspürt, neues Material zu liefern, das in diesen Kontext passt und viele Menschen haben mich auch über die Remix-Schiene kennengelernt. Es war ein Lernprozess draufzukommen, dass es eigentlich egal ist, was jemand denkt, wer ich bin. Eine Zeit lang war ich sicher von den Meinungen von außen abhängig, aber das war eher ein Hirnkonstrukt. Irgendwann kam der befreiende Moment, an dem ich wusste, ich könne tun und lassen, was ich will. Ich kann heute Raves spielen, aber auch auf Konzerttour gehen oder einfach pausieren. Ich kann aus jedem meiner Songs eine Dancefloor-Version bauen, aber „The Beauty Of It All“ ist ein richtiges Album und ein Album hat für mich einen gewissen Ewigkeitsanspruch. Es soll so geil werden, dass man es auch noch in 50 Jahren hören kann.

Die Halbwertszeit ist in der Elektronik viel geringer. Dort verändern sich Trends viel schneller als in der analogen Musikschiene. Zeitlosigkeit zu erreichen, ist unheimlich schwierig …
Deshalb muss man einfach bei sich selbst bleiben. Bei elektronischer Musik ist es leichter, einfach zu kopieren und sich zu einem populären Sound hinleiten zu lassen. Alle arbeiten mit denselben Samples und Sample-Loops, die schon tausendfach in anderen Tracks stecken und gerade angesagt sind. Dann hat man kurzfristig Erfolg, folgt aber nicht dem eigenen Geschmack. Ich will jedenfalls nicht denselben Afro-Sound machen, der gerade total in ist.

„The Beauty Of It All“ als Albumtitel ist ein schönes Gegenstück zu einer Welt, in der man die Schönheit mittlerweile mit der Lupe suchen muss. Ist der Titel ein bewusstes oder unbewusstes Gegenstatement zu all den furchtbaren Dingen, mit denen wir gerade konfrontiert sind?
Vielleicht ist es ein Gegenstatement, wer weiß. Ich bin seit einigen Jahren in Therapie und habe darin gelernt, mich selbst in all meinen Facetten schätzen zu lernen. Diesen Prozess fand ich faszinierend und zusätzlich ist er komplett losgelöst von weltpolitischen Themen. Das stand für mich beim Titel deutlich im Vordergrund. Auf dem Vorgängeralbum hatte ich einen Song namens „Sinner“. Der war das genaue Gegenteil davon. Sehr dystopisch und nach außen gerichtet. Er sagt, dass die Welt furchtbar ist. Die Veränderung spiegelt jetzt auch ganz gut meinen inneren Prozess wider. Ich finde leider noch immer sehr viel an dieser Welt furchtbar, aber es gibt vor allem zwischenmenschlich auch sehr viel Schönes zu entdecken.

Ist der Song „Promised Land“ dein ganz persönliches Utopia, das du für dich erschaffen hast?
Ja, es geht um Eskapismus. Als Musiker hast du eine schöne Möglichkeit, dich von den Gräueln der Welt abzunabeln und zu flüchten. Die Kunst ist dafür da, aus der Welt rauszukommen, in der man sonst lebt. Das „Promised Land“ ist für mich auch der Weg zu dem Ort, an dem alles Schöne wieder zusammenkommt, wo all meine Freunde und Lieben auf mich warten – und dann hängen wir gemeinsam ab. Man kann sich damit auch zu Zeiten von früher zurückbeamen, wo alles noch ungezwungen und leichter war.

Als Erwachsener verliert man die Leichtigkeit des Seins. Man hängt fest in einem Strudel aus Terminen und Verpflichtungen und ist nie mehr ganz entspannt.
Das stimmt. Es passiert so schnell, dass einem die Zeit einfach abhandenkommt. Man merkt das gar nicht, dass man sich plötzlich richtig darum bemühen muss, seine Freunde zu treffen, mit denen man früher mal ganz gemütlich und regelmäßig im Wohnzimmer abhing.

Mein Lieblingstrack auf deinem neuen Album ist das hypnotische „Avalanche“, wo man sehr viele Geschichten hineininterpretieren kann. Du hast vorher erwähnt, dass du Texte wichtig findest. Fällt es dir über Musik und Kunst auch leichter, dir wichtige Botschaften zu vermitteln?
Das Schöne an Kunst ist mitunter auch, dass sie so frei für Interpretationen ist. Menschen können da ihre Gedanken und Meinungen hineinlegen und genauso recht damit habe wie ich beim Entstehen des Songs. Jeder sieht und hört in einer Idee etwas anderes, fühlt sich von etwas anderem angesprochen. Deshalb erkläre ich die Inhalte meiner Songs nicht so gerne, weil ich Offenheit sehr schön finde.

Wenn man, so wie du, schon so viele Jahre im „Rabbit Hole“ der elektronischen Musik verhaftet ist – welchen Stellenwert hat da noch die gute alte, analoge Gitarre, mit der deine musikalische Reise einst begann?
Handgemachte Musik ist immer noch ein wichtiger Teil meines musikalischen Ichs. Auf Tour habe ich versucht, viel Musik am Laptop mit Loops, Delays und dergleichen zu machen und zusammenzustellen, aber ich habe festgestellt, dass mich das überhaupt nicht zufriedenstellt. Viele Menschen sind darin super und erschaffen großartige Songs, ich brauche aber ein Instrument vor mir, das mit mir räsoniert. Früher war das die Gitarre, heute ist es vermehrt das Klavier. Das führt dann wohl automatisch zur mehr Melancholie.

Melodien von einem Klavier berühren automatisch. Sie sind immer etwas fürs Herz und für die Seele. Damit tritt man gleich ganz anders auf.
Das stimmt, und deshalb setze ich mich so gerne ans Klavier. Es ist noch immer so, dass ich es nicht so gut beherrsche, um genau zu wissen, was ich da eigentlich mache. Dadurch entstehen für mich Überraschungsmomente, die ich ungefiltert einfangen kann. Auf der Gitarre kommt es selten vor, dass ich noch einen Akkord finde, den ich nicht schon vorher gespielt habe.

In einem Interview mit „Red Bull“ hast du gesagt, dass Oasis für dich prägend gewesen wären, die Gitarre in die Hand zu nehmen. Nun die wichtigste Frage: Hast du sie seit der großen Reunion schon mal live gesehen?
Nein, leider nicht. Ich war kurz davor nach England zu fliegen, um sie mir anzusehen, aber es hat zeitlich dann doch nicht gepasst. Was ich auf YouTube so gesehen habe, klingt aber alles sehr genial. Die Inspiration damals war tatsächlich ein YouTube-Video, in dem Noel Gallagher „Don’t Look Back In Anger“ alleine auf der Gitarre spielte. Das hat mich dazu bewegt, selbst die Gitarre in die Hand zu nehmen. So etwas wollte ich auch können.

Das Liederschreiben an sich ist ein sehr egoistischer Prozess. Denkst du manchmal aber auch daran, mit den Ergebnissen daraus etwas in den Menschen zu bewegen und auszulösen oder ist das kein Thema?
Am Anfang geht es meistens nur um mich. Da fühle ich mich von den Dingen berührt, die ich gerade höre oder erlebt habe. Erst später im Prozess kann es eine Rolle spielen, dass mir klar wird, dass diese Ideen irgendwann auch jemand anders hören wird. Dann kommen die Zweifel und Fragen wie: Kann ich das überhaupt sagen? Muss man das anders formulieren? Ich versuche aber so lange wie möglich zu ignorieren, was andere denken könnten, weil so etwas nur die Kreativität blockiert. Ich will nicht schon vorab einordnen, ob etwas ein Hit werden könnte oder nicht.

Wie geht es bei dir eigentlich 2026 weiter? Was darf man sich alles erwarten und erhoffen?
Ich werde nächstes Jahr sicher noch weiter touren. Im Februar bin ich für einen Monat in den USA und dann kommen hoffentlich noch Festivals und ich habe schon große Lust, das nächste Album anzufangen. Ich will nicht wieder vier Jahre dafür brauchen und habe schon ein paar Songs gemacht, die mir ungefähr eine Richtung vorgeben.

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