Seit März vergangenen Jahres sind 15 pflegende Angehörige im Auftrag der Stadt Graz angestellt. Das Projekt läuft nun ein weiteres Jahr weiter. In Graz hofft man, dass auch das Land Steiermark auf den Zug aufspringt. Dort wartet man aber noch ab.
Die Pflege „ist eine anstrengende, aber auch wunderschöne Arbeit“, berichtet Christine Bindar. Sie ist Amtssachverständige der Pflegedrehscheibe und leitet das Grazer Pilotmodell „Anstellung pflegender Angehöriger“. Es soll diese finanziell und sozialrechtlich absichern. Bei den Familienmitgliedern handelt es sich beispielsweise um Ehegatten oder Schwägerinnen, die sich um erkrankte Verwandten kümmern. Durch die Anstellung sind sie hinsichtlich Krankenversicherung und Pension abgesichert.
Die Probleme, die bei der Pflege Angehöriger auftreten, macht der Fall eines jungen Mannes deutlich. Im Alter von gerade einmal 16 Jahren begann er, seine Mutter zu pflegen. Durch den Zeitaufwand und die körperliche und psychische Belastung konnte er keiner Ausbildung mehr nachgehen. „Vor der Anstellung hatte er keine Möglichkeit, ein Einkommen und eine damit einhergehende Versicherung zu erlangen“, erklärt Bindar. Mittlerweile ist er im Auftrag der Stadt Graz bei einer Partnerfirma angestellt.
Wie ihm ging es beim Projektstart 14 weiteren Familien. Sie wurden in einem Prozess, bestehend aus Telefonaten, Gesprächen und Hausbesuchen, aus den rund 200 Bewerbern ausgewählt. „Ablehnungsgrund war häufig ein Wohnort außerhalb von Graz“, erzählt Bindar. Außerdem müssen Voraussetzungen wie ein Einkommen von maximal 2000 Euro im Monat, die körperliche und psychische Eignung und eine mögliche Vertretung gegeben sein. Die zu pflegende Person muss mindestens 18 Jahre alt sein und die Pflegegeldstufe drei oder höher erhalten.
Es bleibt bei 15 Plätzen in Graz
Mittlerweile sind noch zwölf der 15 ursprünglichen Familien Teil des Projektes. Für sie – und die drei, die nachrücken durften – gibt es positive Neuigkeiten: Im Budget der Stadt Graz ist eine Fortführung des Projekts bis zu den nächsten Wahlen 2026 eingeplant. Damit können zwar keine zusätzlichen Plätze geschaffen, die Unterstützung von 15 Familien allerdings weitergeführt werden. Das bestätigt Pflegestadtrat Robert Krotzer (KPÖ) bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Dabei wurde der Bericht zum Pilotprojekt im Jahr 2024 präsentiert. Krotzers Fazit fällt durchwegs positiv aus: „Das Modell schafft Anerkennung einer Arbeit, die meist im Verborgenen bleibt.“
Der Bericht zeigt: Keiner der befragten Teilnehmer nannte negative Auswirkungen. 93 Prozent gaben an, dass sich die Lebensqualität verbessert habe. Insbesondere die finanzielle Absicherung und ein Gefühl der Erleichterung wurden von den Angehörigen als positiv hervorgehoben. Zum Wegfall des davor empfundenen Drucks trug vor allem die fachliche Unterstützung bei. So konnten die Pflegenden im Rahmen von Schulungen in den Grazer Geriatrischen Gesundheitszentren die Grundlagen der Pflege erlernen. Einheiten zu Themen wie Demenz, richtige Lagerung oder Körperpflege erleichterten den alltäglichen Umgang mit den Erkrankten.
Zusätzlich „ist es besonders wichtig, dass die pflegenden Angehörigen fachlich und menschlich durch die Amtssachverständige der Pflegedrehscheibe begleitet werden“, betont Krotzer. Monatliche Hausbesuche und Austauschtreffen mit anderen Angehörigen wurden organisiert, um kleine und große Probleme persönlich lösen zu können.
Hoffnung auf Ausbau
Die positive Resonanz zu dem Pilotprojekt in Graz wirft die Frage auf, inwiefern das Modell landesweit ausgebaut werden könnte. Im Burgenland und in Oberösterreich gibt es bereits ähnliche Initiativen. Mit dem veröffentlichten Projektbericht möchte man laut Krotzer auch eine Diskussion über ein solches Projekt, getragen vom Land Steiermark, anstoßen. „Wir hoffen, dass die Zahlen überzeugen“, erklärt Krotzer, „eine gemeinsame Finanzierung eines Modells durch die Stadt und das Land würde einen Ausbau des Projekts ermöglichen“.
Von Seiten des Landes heißt es, dass die zuständige Abteilung sich den Bericht ansehen werde, sobald er vorliegt. „Die Debatte zur Anstellung pflegender Angehöriger ist sehr facettenreich, es gibt Argumente für und wider“, so das Büro von Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP).
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.