Nach einem dramatischen Kopf-an-Kopf-Rennen bei der niederländischen Parlamentswahl gilt der Rechtspopulist Geert Wilders als angezählt. Doch statt klein beizugeben, gibt er sich kämpferisch.
„Schnallen Sie sich an, wir fangen gerade erst an“, ließ Wilders nach der Wahl keinen Zweifel daran, weitermachen zu wollen. Ein Weiter wie bisher wird es allerdings nicht geben: Während die linksliberale D66 spektakuläre Zugewinne feiert, droht seiner Partei PVV erneut in die Isolation gedrängt zu werden – alle etablierten Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit dem Anti-Islam-Hardliner kategorisch aus.
Bangen um Ergebnis geht wohl noch Tage
Bei Auszählung von 99,7 Prozent der Stimmen liegen Wilders‘ rechtsextreme Freiheitspartei PVV und die linksliberale D66 gleichauf bei jeweils 26 Sitzen im 150-köpfigen Parlament. Die D66 liegt nach vorläufigen Ergebnissen aus Amsterdam mit rund 15.000 Stimmen vorn. Noch ausstehende Stimmen von im Ausland lebenden Niederländern – etwa 90.000 – werden erst am Montag vollständig ausgezählt und könnten das Ergebnis beeinflussen. Traditionell bevorzugen Auslandsniederlander die D66.
Der 38-jährige D66-Chef Rob Jetten, der als erster offen schwuler Premierminister der Niederlande in die Geschichte eingehen könnte, zeigte sich am Donnerstag vorsichtig optimistisch: „Es ist unglaublich spannend. Wir müssen die nächsten Stunden – oder eher Tage – auf das endgültige Ergebnis warten.“ Dennoch sei er „sehr zuversichtlich“, eine neue Koalitionsregierung bilden zu können.
Klares Signal der Bürger?
Für D66 ist das Wahlergebnis ein historischer Triumph. Die 60 Jahre alte pro-europäische Partei hatte bei den Wahlen 2023 nur neun Sitze errungen, ihr bisheriges Höchstergebnis lag bei 24 Mandaten. Wahlforscherin Sarah de Lange von der Universität Leiden führt den Erfolg auf eine „positive, hoffnungsvolle Kampagne“ zurück, die bei den Wählern deutlich besser ankam als Negativität. Zudem hätten die Bürger ein klares Signal für eine „stabile, zentristische Koalition“ setzen wollen.
Denkzettel für chaotische Regierungsjahre
Wilders hingegen stürzt nach seinem kurzen Ausflug an die Macht erneut ab. Seine PVV hatte 2023 noch 37 Sitze gewonnen und eine chaotische rechte Koalition angeführt, die nach weniger als einem Jahr zerbrach – torpediert vom Rechtspopulisten selbst in einem Streit über seine drakonischen Einwanderungspläne.
Nun meldete Wilders bei X (vormals Twitter) seinen Führungsanspruch an: „Die PVV will die Führung bei der Regierungsbildung übernehmen, falls wir die größte Partei werden.“ Er forderte „kristallklare“ Verhältnisse und drohte, er werde „alles tun“, um zu verhindern, dass D66 Sondierungsgespräche beginne, solange keine hundertprozentige Klarheit über den Wahlsieger bestehe.
Regierungsbeteiligung für Wilders? Wohl kaum
Doch selbst wenn die PVV am Ende knapp vorne liegen sollte, hat Wilders keine realistische Chance auf eine Regierungsbeteiligung. Alle großen etablierten Parteien haben eine Zusammenarbeit mit dem Anti-Islam-Hardliner kategorisch ausgeschlossen. Der Weg zur Macht scheint für den Rechtspopulisten versperrt.
Als wahrscheinlichste Konstellation gilt eine breite, von D66 geführte Koalition mit den anderen großen Gewinnern der Wahl: den Christdemokraten (CDA), der liberal-konservativen VVD und der Mitte-Links-Partei GL/PvdA. Diese Koalition käme auf 86 Sitze und damit auf eine komfortable Mehrheit von zehn Mandaten.
Jetzt heißt es: „Scherben aufsammeln“
Wahlforscherin Leonie de Jonge von der Universität Tübingen warnt allerdings davor, Wilders' Rückschlag als Niederlage des Rechtspopulismus zu werten. Zwei weitere rechtsextreme Parteien, das Forum für Demokratie (FvD) und JA21, hätten deutliche Zugewinne erzielt: „Dies ist nicht der Höhepunkt des Populismus. Als Block hat die extreme Rechte einen Sitz hinzugewonnen.“
Mit dem Vertrauen in Politiker auf einem historischen Tiefstand stehe die nächste Regierung vor der „verdammt schweren Aufgabe, die Scherben aufzusammeln“ und große Herausforderungen wie Wohnungsnot, Klimawandel und Migration anzugehen, so de Jonge.
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