Neue Rudelzahlen

Herdenschutz versus Abschuss: Wolf als Gejagter

Innenpolitik
11.08.2025 00:15

Für die einen ist eine existenzbedrohende Gefahr, für die anderen ein unverzichtbarer Beitrag zur Artenvielfalt. Seit der Rückkehr des Wolfs nach Österreich vor rund zehn Jahren tobt ein heftiger Streit zwischen Bauern und Umweltschützern. Der WWF Österreich versucht mit konstruktiven Vorschlägen, die Debatte zu versachlichen.

Für die Umweltschützer gehört „der Wolf zu unseren Ökosystemen und erfüllt dort wichtige Funktionen“. Wölfe würden die Ausbreitung von Krankheiten verhindern, das Wild fit halten und können im Idealfall auch die wichtigen Schutzwälder stärken, indem sie zu hohe Wildbestände reduzieren. Man erkenne aber auch die Probleme für die Almwirtschaft, so der WWF.

Es brauche wissenschaftlich gedeckte Lösungen wie flächendeckendes Monitoring und Herdenschutz. Die Politik sei zudem gefordert, betroffene Landwirte besser zu unterstützen und den Abschuss von Wölfen gemäß den rechtlichen Vorgaben nur als letztes Mittel in Betracht zu ziehen. Entscheidend für weniger Konflikte sei nicht die Zahl der Wölfe, sondern ob Nutztiere ausreichend geschützt werden.

Trotz der Entscheidung, den Schutzstatus des Wolfs in der „Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen“ zu lockern, bleibe die rechtliche Vorgabe bestehen, dass der Erhaltungszustand der Art günstig sein muss, betont der WWF. „Davon ist Österreich mit derzeit neun Rudeln weit entfernt.“

In Österreich leben neun Rudeln.
In Österreich leben neun Rudeln.(Bild: Ralph Frank)

Bundesländer verstoßen gegen Richtlinien
Eine reguläre Bejagung des Wolfs sei daher weiterhin ausgeschlossen, was auch der Europäische Gerichtshof im Juli 2024 ausdrücklich bestätigt habe. Die angekündigten Lockerungen in der Abschuss-Politik der Bundesländer verstoßen daher die bestehenden rechtlichen Vorgaben. „Abschüsse sind bereits die häufigste Todesursache für Wölfe in Österreich. Hierzulande wurden im Vorjahr 13 Wölfe aufgrund von Verordnungen durch Behörden geschossen. In Deutschland waren es im selben Jahr nur zwei Tiere und das, obwohl dort mit 209 Rudeln und 46 Paaren rund 30-mal mehr Wölfe mit fixem Revier leben.“

In Italien wurde noch kein Wolf geschossen
Während in Italien, bei einem Bestand von mehr als 400 Rudeln, noch nie ein Wolf durch Abschusserlaubnisse getötet wurde und der Herdenschutz forciert und intensiv angewendet wird, wurden allein in Kärnten in den letzten zweieinhalb Jahren 22 Wölfe getötet. Darunter viele aus Italien eingewanderte Wölfe.

Das Leid der Bauern
Wir bluten emotional und wirtschaftlich aus

Drei Wolfsattacken in nur einer Woche erschüttern aktuell das Waldviertler Hochland (NÖ), und zwar bei einem Ziegenhalter in Schönbichl und zweimal bei der Familie Hinterholzer in Kleinpertenschlag. „Vier bis sechs Rudel leben hier, der Rehbestand ist eingebrochen – jetzt reißen sie unsere letzten Weidetiere“, warnt Wolfstop-Obmann und selbst Landwirt Gerhard Fallent. Besonders tragisch: Die Vierbeiner werden nach höchsten Tierwohlstandards gehalten – jetzt wurden gerade diese gerissen – direkt neben dem jeweiligen Haus, in Sichtweite von Kindern. „Die Sicherheit ist nicht mehr gegeben“, behauptet Fallent. Seine Sorge: mit jedem Riss verlieren Menschen mehr als Tiere – sie verlieren Vertrauen, Sicherheit und oft den Hof. „Wir bluten emotional und wirtschaftlich aus. Und alle schauen zu.“

Bei diesen Waldviertler Bauern schlug der Wolf direkt beim Hof zu.
Bei diesen Waldviertler Bauern schlug der Wolf direkt beim Hof zu.(Bild: Wolfstop)

Besonders bitter laut Fallent: Die aktuelle NÖ-Wolfsverordnung erlaube keine Entnahme von Problemwölfen – trotz umfangreicher Dokumentation. „Wir brauchen ein Wolfsmanagement, das Realität anerkennt. Wollen wir Kulturlandschaft mit Weidetieren – oder eine Landschaft, in welcher der Wolf herrscht?“ Fallent warnt auch vor Gefahren für Menschen: Erst kürzlich habe ein Wolf in Utrecht in den Niederlanden im Siedlungsgebiet ein Kind angegriffen. Für Isegrim-Kritiker ist klar: Der Eurasische Grauwolf war nie bedroht, der Schutzstatus ist politisch. „Wölfe sind weit verbreitet, aber der Schutz kostet Bauernhöfe und Kulturland. Corona hat gezeigt, wie wichtig Versorgungssicherheit ist – das dürfen wir nicht vergessen.“

EU stellt Gelder für Maßnahmen zur Verfügung
Wenn Herdenschutzmaßnahmen konsequent umgesetzt werden, sinken die Konflikte deutlich. Das würde Beispiele in Europa zeigen. So sei in der Schweiz die Zahl der gerissenen Nutztiere pro Wolf mit einer Kombination aus Behirtung, Herdenschutzhunden und sicheren Nachtpferchen um 87 Prozent zurückgegangen. Entscheidend sei hier eine ausreichende finanzielle und logistische Unterstützung für die Weidetierhalter. Dafür stehen auch EU-Mittel bereit. Frankreich hat für den Zeitraum 2023 bis 2027 beispielsweise insgesamt 175 Millionen Euro aus EU-Mitteln abgerufen, um die Arbeit der Hirten und den Herdenschutz zu stärken.

Wichtig sei auch grenzüberschreitende Zusammenarbeit, weil Wölfe weite Strecken über Staats- oder Bundesländergrenzen hinaus zurücklegen. Es brauche ein gemeinsames Monitoring und Management der Bundesländer in Österreich. Auch eine Abstimmung mit den Nachbarstaaten sei essenziell. 

In den letzten Jahren gab es weniger Nachwuchs
Behauptungen, wonach die Wolfspopulation in Österreich „explodieren“ würde, sei wissenschaftlich nicht haltbar, betont WWF. „Hierzulande ist der Populationsanstieg – verglichen mit anderen Ländern – langsam. 2024 wurden zwar neun Rudel bestätigt. Allerdings wurde innerhalb dieser Rudel nur bei vier Familien Nachwuchs festgestellt. Die Zahl der nachgewiesenen Wölfe sank zwischen 2023 und 2024 sogar geringfügig von 106 auf 102 Individuen.“ 

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